Über den kroatischen Drittligisten NK Kustosija bringen Spielerberater Talente aus Afrika nach Europa. Es ist ein völlig neues Geschäftsmodell, das offenbar viele Nachahmer findet, bei dem die Ausbildungsvereine in Afrika aber kaum profitieren. In die Finanzierung verwickelt ist ein Unternehmer aus Montenegro, dessen Frau gemeinsam mit BVB-Assistenzcoach Robert Kovac ein Finanzinstitut hält.
Am 13. Juli 2022 wurde es Saër Seck (70) zu bunt. An diesem Tag schrieb der Präsident von Diambars FC einen geharnischten Brief an Dinamo Zagreb, den wichtigsten Fußballklub in Kroatien. Inhalt: Eine scharf formulierte Frage nach dem Verbleib von Mikayil Faye, der etwa eine Woche zuvor 18 Jahre alt geworden und bereits seit einem dreiviertel Jahr nicht mehr bei Diambars aufgetaucht war, einer führenden Akademie für die Ausbildung von Fußballern im Senegal.
Seck wütet gegen Dinamo: "Sie haben keine Regel beachtet"
Tenor des Schriebs: Man habe gehört, dass Faye bei Dinamo trainiere und wolle darauf hinweisen, dass der Verteidiger noch vertraglich an Diambars gebunden sei. "Ihr Klub hat Diambars niemals kontaktiert. Sie haben keine Regel, auch nicht die der Höflichkeit, beachtet, was das Verfahren zur Kontaktaufnahme mit einem Spieler betrifft, der bei einem anderen Verein unter Vertrag steht", attackierte Seck die Kroaten scharf und drohte an, sich an die FIFA zu wenden, schließlich stelle der Vorgang einen Bruch der vom Weltverband aufgestellten Regeln für Spielertransfers dar (FIFA RSTP).
Für Dinamo Zagreb, 25-maliger Meister Kroatiens, lief Faye allerdings nie auf. Erstaunlicherweise registrierte im Februar 2023 NK Kustosija, ein sich damals im Abstiegskampf befindlicher, sportlich weitgehend bedeutungsloser Zweitligist aus Kroatien, das Riesentalent. Den Fall in die 3. Liga konnte Faye nicht verhindern, doch für ihn war der Transfer ein Glücksfall. Nur wenige Monate später holte der FC Barcelona den Defensivmann für 1,3 Millionen Euro, baute ihn in seinem B-Team auf und verkaufte ihn ein Jahr später, im Sommer 2024, für 10,3 Mio. Euro an Stade Rennes.
Die Frage stellt sich: Wer profitiert am Ende maximal?
Kustosija ist seither zum Hotspot für junge Afrikaner geworden und das hängt stark mit dem Spielerberater Andy Bara zusammen. Bara führt die vor allem in Spanien und auf dem Balkan tätige Agentur Niagara Sports, die aber auch schon Millionentransfers in Deutschland abgewickelt hat, vor allem mit RB Leipzig und Eintracht Frankfurt. Ihre bekanntesten Klienten sind nach eigenen Angaben Dani Olmo, Joan Garcia (beide FC Barcelona), Alvaro Morata (Galatasaray) und Jonathan Ikone (AC Florenz). Millionenschwere Fußballer, an deren Transfers und Vertragsverlängerungen Agenten für ihre Arbeit beteiligt werden.
Doch längst hat die Agentur eine Art zweites Standbein aufgebaut und dabei spielt die Geschichte mit Mikayil Faye und NK Kustosija eine wichtige Rolle: Über diesen Drittligisten bringt sie junge Talente aus Afrika nach Europa, auch in die USA. Und Recherchen zu diesen Transfers erwecken den Eindruck, dass nicht allzu viel bei den Ausbildungsvereinen in Afrika hängen bleibt. Dafür stellt sich die Frage, wer am Ende maximal profitiert?
Ein Geschäftspartner des Beraters im Klubmanagement
Schon im Fall Faye hatte Bara mit Karlo Primorac einen Geschäftspartner, mit dem er über eine Firma in Bosnien verbunden ist, im Klubmanagement bei Kustosija. Darstellungen der Agentur zufolge habe man Diambars im Zuge des Streits um Faye einen 50:50-Deal geboten, den Seck aber abgelehnt habe. Folglich dürfte für Faye kein Geld in den Senegal geflossen sein. Ein angeblich aus dem Disput resultierendes Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs CAS, das Fayes Onkel Mamadou Lamine Ba gegenüber afrikanischen Medien erwähnt hatte und das Fayes Transfer legitimieren soll, scheint es nicht zu geben. Zumindest heißt es beim CAS auf Nachfrage: "Es wurde keine Klage betreffend die Parteien Diambars FC und Mikayil Faye beim Schiedsgerichtshof des Sports eingereicht."
Diambars arbeitet eigentlich mit Olympique Marseille zusammen, wo man Faye nach Darstellung seines Onkels gegenüber Sportsnewsafrica zunächst eher nicht wollte und man kann generell die moralische Frage nach Sinn und Unsinn solcher Zusammenarbeiten stellen, weil sie Spieler häufig in eine Rolle der Abhängigkeit bringen. Allerdings stellt sich auf der anderen Seite genau die gleiche Frage, wenn es darum geht, wer den Weg der Talente aus Afrika hinaus finanziert: Unter anderem Beratungsagenturen wie Niagara Sports. Die Folgen sind vielfältig. Sie können positiv sein, weil junge Menschen, denen sonst kaum mehr bliebe als ein Leben in Armut und Perspektivlosigkeit, so einen Weg zu Wohlstand und Sicherheit finden können, im Idealfall zu einer Spitzenkarriere, wie sie sich bei Faye andeutet.
Bis zu 7,5 Millionen Euro an Boni für Kustosija möglich
Das Ganze aber kann sich auch zu einer "in-loco-parentis"-Beziehung entwickeln. Weil Agenturen für Teenager im Ausland eine Art elterliche Rolle einnehmen, sich auch finanziell um alles kümmern und erste Bezugsperson sind. Was, wenn die Karriere eines jungen Sportlers fernab der Heimat ins Stocken gerät und den ökonomischen Erfolg eines solchen Personalie im Millionen-Business Profifußball bedroht? Die breite Förderung in Ländern wie dem Senegal oder Mali kostet die Agenturen Geld und in aller Regel wollen diese Firmen am Ende legitimerweise auch solches verdienen.
Faye war ein Erfolgsfall. Bis zu 7,5 Mio. Euro hätte Kustosija an Boni von Barca erhalten können. Unklar ist, wie viel Geld am Ende floss. Niagara Sports allerdings tauchte in dem Transfer aus Kroatien nach Spanien offiziell gar nicht auf. Die Vermittlung übernahm eine Firma namens DB company LLC-FZ für 1,17 Mio. Euro. Ein cleverer Schachzug, denn so müssen sich weder Niagara Sports noch Kustosija wegen der Geschäftsbeziehung zwischen Primorac und Bara rechtfertigen.
Dvorzak trägt das Risiko, profitiert aber als Vermittler
Hinter DB company LLC-FZ steckt ein montenegrinischer Geschäftsmann namens Borislav Dvorzak. Dvorzak hat einen gewissen Track Record, laut lokaler Medien war er involviert in die Übernahme diverser ehemaliger Staatsbetriebe in und um die Kleinstadt Berane herum, die später pleitegingen. Aktuell aber soll er vor allem als Finanziers jener Afrika-Transfers nach Kroatien tätig sein.
Eine mit dem Sachverhalt vertraute Person erläutert das Geschäftsmodell so: Dvorzak leiht NK Kustosija das Geld, um Talente aus Afrika zu holen. Idealerweise entwickeln sich die Teenager dort schnell und werden in größere Ligen verkauft. Dvorzak trägt das Risiko, falls das Modell nicht aufgeht. Dafür wird er über ein Mandat als Vermittler entlohnt, was ihm ja bei Faye 1,17 Mio. Euro einbrachte und auch für Kustosija ein einträgliches Geschäft darstellte, zumal der Klub auch am Weiterverkauf an Rennes partizipierte. Und wie es der Zufall so will, hält Dvorzaks Frau Seada 67,49 Prozent an dem in Berane ansässigen Finanzinstitut "MIKROKREDITNA FINANSIJSKA INSTITUCIJA CAPITAL-INVEST" (im weiteren MFI).
Ein Riesenplus beim US-Transfer von Baye Coulibaly
Kustosija verpflichtete neben Faye noch Adiele Eruogo vom nigerianischen Klub Enyimba Aba, Junior Sunday Jang von der ghanaischen Smart Sports Academy, der bereits nach sechs Wochen zu Zweitligist NK Bijelo Brdo weitergereicht wurde, und Rodolfo Aloko von Abomey in Benin. Unklar ist, wieviel ihre Ausbildungsstätten in Afrika erhielten, Kustosija beantwortet einen Fragenkatalog zu dem Gesamtkomplex nicht.
Rentiert hat sich in jedem Fall der Deal mit Baye Coulibaly, der in sozialen Medien angibt, von Niagara Sports beraten zu werden. Er kam im Februar 2024 von Etoiles Mande in Mali zu Kustosija und wurde im Januar 2025 für satte 1,95 Mio. Euro zu Crown Legacy in die USA verkauft, das ist das Farmteam von MLS-Klub Charlotte FC. Hier variieren die Angaben über die Ablöse, die Kustosija an Etoiles Mande bezahlt haben soll. Von angeblichen 500.000 Euro, die in Kroatien kolportiert werden, will eine Quelle in Mali nichts wissen. Sie spricht von lediglich 50.000 Euro. Das deckt sich mit entsprechenden Recherchen, wonach auch im FIFA-Transfer-Management-System lediglich 50.000 Euro aufgeführt sind. Das und auch die Faye-Sache legen den Verdacht nahe, dass vor allem die Agenten profitieren und Kustosija.
Drittligist bezahlt 3,8 Millionen Euro an Spielerberater
Kürzlich publizierte der Drittligist, dass er 2024 3,8 Millionen Euro an Beraterhonoraren gezahlt habe. Üblicherweise werden Berater mit 10 bis 15 Prozent der Transfersummen respektive der Gehälter ihrer Profis honoriert. Beträge von 3,8 Mio. Euro sind in einer derart finanzschwachen Liga exorbitant hoch - zum Vergleich: ähnliche Summen zahlten in Deutschhland 2023/24 beispielsweise der Hamburger SV (3,4 Mio.) oder der 1.FC Köln (4,0 Mio.), wobei die Jahresumsätze beider Klubs deutlich im dreistelligen Millionenbereich lagen. Kustosija dagegen setzte laut Finanzbericht 2024 ohne Spielertransfers nicht einmal 500.000 Euro um.
Schon jetzt findet das Afrika-Modell Nachahmer, sagt eine gut informierte Persönlichkeit aus dem kroatischen Fußball, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte: "Kroatien war nie ein Ziel für junge Afrikaner, das hat sich mittlerweile verändert. Vor allem in den unteren Ligen sieht man immer mehr junge Afrikaner. Gerade die kleinen Klubs können sich die lokalen Talente kaum leisten, schwenken dann auf günstigere Spieler aus Afrika um." Seit etwa zwei Jahren gebe es diesen Trend, und weiter: "Baras Geschäfts-Modell hat die Klubs auf diese Idee gebracht, zudem gibt es Nachahmer-Agenten, denn diese kleinen Vereine haben keine Scouts in Afrika." Es sei ähnlich wie unter Zdravko Mamic, dem Paten des kroatischen Fußballs, der vor Jahren nach Bosnien floh, um sich seiner drohenden Verhaftung wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung zu entziehen: "Als er öffentlich über seine hohen Transfereinnahmen sprach, begannen andere, sein Modell zu kopieren."
Es gibt auch Lob für Bara: "Für mich war Kustosija extrem wichtig"
Explizit Erwähnung finden sollen an dieser Stelle allerdings auch die positiven Folgen für Spieler, die zu Kustosija gekommen sind. Etwa Jahnoah Markelo, dessen stockende Karriere in Kroatien wieder in Fahrt kam und den man mittlerweile als durchaus in der Ersten Schweizer Liga etablierten Jungprofi bezeichnen darf. "In Kroatien habe ich sehr viel gelernt, sogar in der 3. Liga. Für mich war NK Kustosija extrem wichtig, man hat mir dort sehr geholfen", erklärte der 22-Jährige vom FC Zürich in einem Interview und lobte dabei vor allem auch Andy Bara.
Mittlerweile fungiert ein Vertrauter Baras als Präsident bei Kustosija: Branimir Majdak. Majdak taucht immer wieder im Dunstkreis der Agentur Niagara Sports auf. Er war es auch, der dem Vater des minderjährigen Portugiesen Cardoso Varela in einer Papierfabrik in einem Vorort von Zagreb einen Job gegeben hat, um den Jungen vom FC Porto nach Kroatien zu bringen. Um Cardoso Varela hat sich ein Transferskandal entsponnen, er sollte als U-17-Vize-Europameister bei einem Viertligisten namens NK Odranski Obrez registriert werden, was sportlich kaum Sinn ergeben hätte. Als Porto dies mit Hilfe der FIFA verhindert hat, lotste ihn Bara zu Dinamo Zagreb. Mittlerweile steht ein Millionen-Transfer des 16-jährigen Varela im Raum: zum FC Barcelona, wohin Bara bereits Olmo, Garcia und indirekt auch Faye gebracht hatte.
MFI und Niagaras Montenegro-Tochter mit gleicher Adresse
Weder Bara, der im Vorfeld der Recherche darauf verwies, dass er viele junge Talente in Afrika finanziell unterstütze und dort massiv investiere, noch Borislav Dvorzak beantworten einen Fragenkatalog zu dem Geschäftsmodell. Dafür kommt von Seada Dvorzak eine scharfe Antwort. Das ist Dvorzaks Frau, die Haupteignerin des Finanzinstituts MFI. Sie schreibt von "Medienmanipulation und der Verbreitung von Unwahrheiten", das MFI sei lediglich ein Mikrokreditinstitut, das maximal 5000 Euro verleihen dürfe und weder in Unternehmen noch juristische Personen investiere. Doch warum dann Dvorzaks mit Millionen vergütete Vermittlertätigkeit etwa bei Faye?
Fakt ist: Am Firmensitz von MFI in Berane residiert auch die montenegrinische Niederlassung von Niagara Sports. Im Jahr 2022 wurde sogar eine Kooperationsvereinbarung mit der Gemeindeverwaltung von Berane aufgesetzt, um den lokalen Klub FK Berane unter dem Management von Niagara Sports zu professionalisieren. "Das Bestreben beider Parteien besteht darin, dass FK Berane ein Standardmitglied der Ersten Montenegrinischen Fußballliga wird", heißt es in dem Schriftstück. Je nach Ligazugehörigkeit sollten die Kommune und die Agentur zwischen 150.000 und 200.000 Euro jährlich zur Verfügung stellen, ein gemeinsamer Ausschuss das Management überwachen. Unklar ist, ob die Vereinbarung je unterzeichnet wurde. Aber der Vorgang erweckt den Eindruck, dass Niagara ähnlich wie im Fall Kustosija womöglich einen Verein unterwandern wollte, um auch hier Talente aus anderen Kontinenten in Europa einzuführen. 2024 stieg der Klub in die 3. Liga ab, immerhin gelang nun der direkte Wiederaufstieg.
Robert Kovac hält 28,55 Prozent am Finanzinstitut in Montenegro
Und dann wäre da noch ein ziemlich prominenter Name, der beim offiziell Seada Dvorzak zuzurechnenden Finanzinstitut MFI eine Rolle spielt: Robert Kovac, 84-facher Nationalspieler Kroatiens, als Profi unter Vertrag bei Spitzenklubs wie Bayer Leverkusen, dem FC Bayern, Juventus Turin, Borussia Dortmund und, zum Karriereausklang, bei Dinamo Zagreb. Heute ist der 51-Jährige Assistenztrainer seines Bruders Niko bei den Profis des BVB, dem zweitgrößten Verein in Deutschland. Und: Anteilseigner bei MFI, Kovac hält laut montenegrinischem Registerauszug hinter Seada Dvorzak mit 28,55 Prozent den zweitgrößten Anteil.
Ob er weiß, dass Borislav Dvorzak dick im Geschäft mit Talenten aus Afrika ist, dass er mutmaßlich Deals für Klubs vorfinanziert, um am Ende als Berater entlohnt zu werden? Der BVB beantwortet einen an Kovac gerichteten Fragenkatalog nicht. Die Konstellation aber wirkt insgesamt heikel: Da ist Kovac, der Co-Trainer eines deutschen Spitzenklubs, der mit Seada Dvorzak eine gemeinsame Finanzfirma hält, deren Mann Borislav wiederum eng mit Andy Bara zusammenarbeitet, der Top-Profis berät, die vielleicht auch einmal für Kovacs Arbeitgeber interessant werden können.
Das Beispiel Lovro Majer zeigt eine realistische Zwickmühle
Der renommierte Wirtschaftsstrafrechtler Prof. Dr. Ingo Bott sieht in dieser Konstellation einen potenziellen Interessenkonflikt und warnt: "So etwas kann schnell auch strafrechtlich relevant werden. Zu denken ist etwa an den Vorwurf der Untreue, der immer dann im Raum steht, wenn jemand etwas umsetzt, was er zwar rechtlich nach außen kann, nach innen wegen seiner Verpflichtung gegenüber einer Gesellschaft oder einem Verein aber nicht darf."
Wie realistisch eine solche Zwickmühle ist, zeigt das Beispiel Lovro Majer. Am 16. August 2023 holte der VfL Wolfsburg den Kroaten von Stade Rennes für satte 25 Millionen Euro. Trainer bei den Niedersachsen damals: Niko Kovac, gemeinsam mit seinem Bruder und Assistenten Robert. Majers Berater ist Andy Bara - offiziell abgewickelt hat den Deal allerdings der Italiener Marco Busiello, Stade Rennes hatte ihn beauftragt. Busiellos Agentur trägt den Namen Firs1. Und führt eine Partnerschaft mit: Niagara Sports.

Dieses Projekt wurde mit Unterstützung von Journalismfund Europe durchgeführt. Journalismfund Europe
Diese Story ist Teil einer größeren gemeinsamen Recherche von kicker, The Sports and Crime Briefing und Público, die das globale System aufdeckt, das die Ausbeutung und den Handel mit jungen afrikanischen Fußballern ermöglicht. Dieses Projekt wurde mit Unterstützung von Journalismfund Europe durchgeführt.
Benni Hofmann