Es war zunächst keine ungewöhnliche Meldung: Eine rechtsextreme Person muss wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung eineinhalb Jahre ins Gefängnis.
Aufsehen erregte der Fall, weil Marla-Svenja Liebich im vergangenen Jahr vom Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) Gebrauch gemacht hatte. Rechtlich ist Liebich eine Frau. Und entsprechend wurde Liebich zum Haftantritt in die Frauen-JVA Chemnitz geladen.
Wie ernst es Liebich mit der Änderung des Geschlechtseintrags war, darf aber in Zweifel gezogen werden. Noch 2022 bezeichnete Liebich queere Menschen auf einem CSD als „Parasiten der Gesellschaft“, ein Jahr später sprach Liebich von „Transfaschismus“.
Eines der bekanntesten Gesichter des deutschen Rechtsextremismus, das potenziell Zugang zu einem Frauengefängnis erhält?
Über die Motivation Liebichs lässt sich nur spekulieren. Die unwahrscheinlichste Erklärung: Liebich ist tatsächlich trans. Ziemlich sicher versucht Liebich so das Selbstbestimmungsgesetz lächerlich zu machen. Und vermutlich zielte Liebich auf die erwartbare Reaktion des Innenministers Alexander Dobrindt (CSU).
Zumindest spielt dieser das Spiel der queerfeindlichen Rechten mit, wenn er sagt, das SBGG müsse nun vor Missbrauch geschützt werden. Dass eine Novelle nicht zulasten der Rechte von trans Personen geht, ist unwahrscheinlich. Es ist schwer vorstellbar, wie eine staatliche Überprüfung der Transidentität ohne Aufgabe des Prinzips der Selbstbestimmung vonstattengehen soll. Die Leidtragenden wären erneut trans Personen, die Politik der Kotau vor Neonazis.
Vor allem aber unterschlägt Dobrindt, dass der Schutz vor Missbrauch des SBGGs längst besteht.
In welchem Gefängnis Liebich die Haftstrafe tatsächlich verbringen wird, ist nämlich noch nicht gesetzt. 2024, noch vor Inkrafttreten des SGBBs, reformierte Sachsen das Strafvollzugsgesetz. Vom Prinzip, nach dem Männer und Frauen grundsätzlich getrennt unterzubringen sind, darf abgewichen werden, wenn „die Bedürfnisse der Gefangenen, der Erreichung des Vollzugsziels sowie der Sicherheit und Ordnung der Anstalt, einschließlich der Bedürfnisse der übrigen Gefangenen“ dies erfordern.
Erst nach einem Aufnahmegespräch entscheidet die JVA, in welchem Gefängnis Liebich untergebracht wird, und die Sicherheit der anderen Inhaftierten wie auch Liebichs gewährleistet sind.
Dobrindt täte gut daran, nicht in den Kulturkampf der Rechtsextremen einzusteigen
Ohnehin ist die Vorstellung, cis Männer nutzten das Selbstbestimmungsgesetz, um in sichere Frauenräume einzudringen, eine Nebelkerze. Cis Männer verüben Gewalt an Frauen, ganz ohne sich davor einen bürokratischen Stempel abgeholt zu haben.
Gegenüber der juristischen Nachrichtenseite „Legal Tribune Online“ erklärte die JVA Chemnitz, man habe „jahrelange Erfahrung“ mit der Unterbringung von trans, inter und nichtbinären Personen. Gerade in einem Bereich, in dem sensible Sicherheits- und Persönlichkeitsrechte ausgehandelt werden, täte Alexander Dobrindt gut daran, dieses institutionelle Wissen zu stärken, statt in den Kulturkampf der Rechtsextremen einzusteigen.