Amerikas Late-Night-Komiker sind sich einig in ihrem Urteil über Präsident Trumps erste hundert Tage im Amt. Bei ABC befand Jimmy Kimmel: „Es waren historische hundert Tage, manche würden sagen: prähistorisch.“ NBCs Jimmy Fallon bemerkte, das Weiße Haus feiere den Meilenstein als Siegerrunde – „jetzt braucht er nur noch einen Sieg“. Und Jordan Klepper von der „Daily Show“ sagte: „Wir befinden uns auf Reiseflughöhe, das Anschnallzeichen ist ausgeschaltet, und der Pilot steuert genau auf den Berghang zu.“
Aber in den Medien klaffen, je nach politischer Orientierung, die Realitäten mal wieder weit auseinander. „Hundert Tage Inkompetenz“ titelt der „New Yorker“ über die ersten drei Monate von Trumps zweiter Amtszeit. Trump habe ohne erkennbaren Zweck Europa, Japan, Mexiko und Kanada vor den Kopf gestoßen, schreibt der Chefredakteur David Remnick. Trump habe Wladimir Putin noch deutlicher seine Zuneigung erklärt, seinem Wohltäter Elon Musk erlaubt, mit der Kettensäge Chaos in Bundesbehörden anzurichten, und mehr als 200 Menschen in einen „salvadorianischen Gulag“ deportiert. Und er habe als „womöglich größtes Eigentor der Geschichte“ die Weltwirtschaft mit seinen Tarifen destabilisiert, eine Einschüchterungskampagne gegen Universitäten, Juristen und kommerzielle Institutionen gefahren und präsidiale Korruption normalisiert.
Die erfolgreichsten ersten 100 Tage in der Geschichte
Bei Fox News heißt es derweil: „Trump-Wähler lieben seine ersten 100 Tage.“ Die Einschätzung von Trumps Amtsauftakt als Desaster sei Augenwischerei durch „die liberalen Medien“, die ihn „seit einer Dekade unterschätzen und falsch darstellen“. Die schlagzeilenträchtige Umfrage des Siena College Research Institute in Zusammenarbeit mit der „New York Times“, die Trump mit historisch niedrigen Zustimmungswerten von 42 Prozent zeigte, sei „verzerrt“ und „zu ignorieren“. Stattdessen verweist Fox News auf ein Republikaner-nahes Institut, das Werte von 48 Prozent erhoben hat. Und zur Konjunkturschwäche zitiert man den Bank-of-America-Chef Brian Moynihan mit den Worten: „Die Konsumenten kaufen noch.“ Dabei ist das Verbrauchervertrauen laut dem unabhängigen Consumer Confidence Board auf dem niedrigsten Stand seit 2020; die Wirtschaftserwartungen der US-Bürger sind so pessimistisch wie seit 2011 nicht.
Dessen ungeachtet, befindet der „American Conservative“, Trumps Zölle seien ein „erster Schritt in ein Goldenes Zeitalter Amerikas“. Auch der „Washington Examiner“ spricht von einem Goldenen Zeitalter für Amerikas Arbeiter und schreibt, Trump habe die „Identitätskrise und die Führungskrise“ des Landes behoben. Der rechte Nachrichtensender Newsmax zitiert gleich Trump selbst mit seiner Behauptung, die erfolgreichsten ersten 100 Tage in der Geschichte hingelegt und eine „Revolution des gesunden Menschenverstands“ bewirkt zu haben.
„Den Status quo aufbrechen“
Die „USA Today“ veröffentlicht einen konservativen Kommentar, in dem es heißt, Präsident Trump habe in seinen ersten hundert Tagen mehr Gutes für Amerika getan als Joe Biden in vier Jahren – „auch wenn die Mainstream-Medien seine Präsidentschaft als chaotisches Desaster hinstellen und ihn mit Schmutzkampagnen überzogen, verhöhnt und als Autokraten bezeichnet haben“. Tatsächlich aber funktioniere, was Trump anstieß – nämlich, den Status quo der immer weiter steigenden Staatsausgaben und der ausufernden Bürokratie aufzubrechen. Bundesangestellte müssten sich jetzt rechtfertigen – „genau wie die meisten normalen amerikanischen Arbeiter“. Es gebe Anzeichen, dass Trumps Zölle heimische Investitionen zur Folge hätten. Firmen wie Novartis und Honda kündigten an, ihre Produkte in den USA herstellen zu wollen. Zu den Umfragewerten heißt es, Trump sei immer noch populärer, als Biden es je gewesen sei.
Anderswo lässt man Zahlen und Diagramme sprechen: „Präsidiale Erlässe rauf, S&P 500 und Trumps Zustimmungswerte runter“, titelt die „Washington Post“ und illustriert den Rückgang des Tourismus in die USA und Trumps Golfklub-Besuche in Graphen. Die „New York Times“ veröffentlicht acht Schaubilder im Vergleich Trumps zu anderen Präsidenten, die zeigen, dass Regierungsgelder für medizinische Forschung schwinden und Trump sich mit weit mehr bundesstaatlichen Klagen herumschlagen muss als andere Präsidenten, dass der Dollar und auch die Popularität Trumps einen stärkeren Verfall hinnehmen mussten als unter seinen Vorgängern. NPR notiert „Zehn Schlüsselzahlen, die Trumps erste 100 Tage zusammenfassen“, darunter: Zehntausende Entlassungen in den Bundesbehörden, historische Tiefststände bei illegalen Grenzübertritten aus Mexiko, die Begnadigung von 1500 nach dem Kapitolsturm vom 6. Januar 2021 Angeklagten und Verurteilten. NBC bemüht seinen Datenanalytiker Steve Kornacki, um Trumps Zustimmungswerte im Hinblick auf bestimmte Themen zu illustrieren. Daraus geht hervor, dass vor allem Trumps Umgang mit Lebenshaltungskosten (61 zu 37 Prozent) und Zöllen (59 zu 38 Prozent) weit mehr Menschen ablehnen als billigen.
Ein paar Publikationen wagen differenzierte Einschätzungen. Die „New York Post“ meint, Trump habe „praktisch über Nacht die Krise an der Grenze zu Mexiko beendet“, den „aufbrandenden Judenhass“ an amerikanischen Unis bekämpft und die „Klima-Alarmisten“ zum Schweigen gebracht. Er mache, sofern er sich „zusammenreißt“, Hoffnung auf „phantastische Entwicklungen in der Zukunft“. Aber in Sachen Wirtschaft verdiene seine Leistung „niedrigere Noten“. Sein Hin und Her mit den Zöllen habe „zu Chaos und Verunsicherung geführt und Amerikas Ansehen in der Welt geschadet“.
Das „Wall Street Journal“ bemerkt, dass der Präsident sogar unter Leuten, die mit seinen Zielen einverstanden sind, angesichts seiner Methoden Unterstützer verliere. Trump müsse sich neu orientieren, wenn er seine verbleibende Zeit vor den wirtschaftlichen und außenpolitischen Schocks retten wolle, die er ausgelöst habe und die „seine Präsidentschaft versenken könnten“.