Der rätselhafte Holzpenis von Ismaning

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Für Provinznester führen viele Wege zum Ruhm. Man trägt zufällig einen seltsamen Namen, wie Elend, Sommerloch oder Engelskirchen – und wird von Touristen und Fanpost geflutet, im letzten Fall adressiert ans Christkind. Oder man spielt wie Elversberg plötzlich um den Aufstieg in die Bundesliga mit.

Die wahrscheinlich sicherste und schnellste Methode zur nationalen Bekanntheit aber geht anders: Man fährt nachts mit einem Transporter los, natürlich maskiert und mit abgeklebtem Kennzeichen, hält irgendwo. Und dann stellt man ihn auf, den Penis. Einen mehr als zwei Meter hohen Penis, fein geschnitzt aus Holz.

So geschehen ist es in der Nacht zum Sonntag in der bayerischen Gemeinde Ismaning im Norden des Landkreises München. Nach Angaben der Polizei waren acht maskierte Männer zwischen 19 und 30 Jahren bei der Aktion beteiligt. Sie stellten die Skulptur vor dem Eingang des privaten Radiosenders Antenne Bayern auf. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes des Senders hatte die Gruppe bemerkt und die Polizei alarmiert. Die rückte mit vier Streifenwagen an.

Akkuschrauber? Oder doch Pistolen?

Die kuriose Situation schien für die Beamten zunächst bedrohlich, berichtet der »Münchner Merkur« : »Anfangs wurden die mitgebrachten Akkuschrauber, die zur Sicherung des Holzpenis mitgebracht wurden, in der Dunkelheit als Waffen vermutet.« Deshalb reagierten die Einsatzkräfte recht energisch. »Die Personen wurden aufgefordert, sich hinzulegen und danach wurden alle überprüft«, teilte die Polizei mit. Aufnahmen von Antenne Bayern zeigen , wie die Männer bei dem Polizeieinsatz bäuchlings auf der Straße halb unter ihrem Transporter liegen.

Zumindest für einen der Männer hatte der Scherz Folgen: Der 29-jährige Fahrer des Wagens musste sich wegen der abgeklebten Kennzeichen verantworten und wurde angezeigt; »Urkundenunterdrückung« heißt so etwas im Juristendeutsch.

Doch der Fall war damit noch nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Er wurde immer bizarrer.

Denn seit Dienstag ist eine mannshohe Penisstatue aus der Kleinstadt Schwabmünchen im Landkreis Augsburg verschwunden, berichtete die »Augsburger Allgemeine«. Die Skulptur hätte dort aus Gründen der Verkehrssicherheit entfernt werden sollen. Doch war das auch dieselbe Skulptur? Das klang naheliegend, blieb aber zunächst ungewiss.

Der Holzpenis in den Alpen

Denn was dagegensprach: In Bayern wimmelt es regelrecht von Penisstatuen. In den vergangenen Jahren waren im Allgäu und in der Bodenseeregion immer wieder große Phallus-Skulpturen aus Holz aufgetaucht. Meist verschwanden diese nach wenigen Tagen wieder. Der erste und bekannteste Holzpenis stand auf dem Berg Grünten in den Allgäuer Alpen.

Besonders pfleglich ging man mit ihm nicht um: Er wurde mehrmals umgeworfen, wieder aufgestellt, entfernt, ersetzt, ja sogar zersägt. Wer die Skulpturen geschaffen hatte, ist bis heute unklar.

 Wanderer genießen die Aussicht neben der zwei Meter hohen Penis-Skulptur auf dem Grat des Grünten im Allgäu, Aufnahme von November 2020

Ungewöhnliche Wegmarke: Wanderer genießen die Aussicht neben der zwei Meter hohen Penis-Skulptur auf dem Grat des Grünten im Allgäu, Aufnahme von November 2020

Foto: Karl-Josef Hildenbrand / dpa
Der ursprüngliche Holz-Penis im Allgäu verschwand mehrmals und wurde immer wieder durch neue Phallus-Skulpturen ersetzt, Aufnahme Dezember 2020

Der ursprüngliche Holz-Penis im Allgäu verschwand mehrmals und wurde immer wieder durch neue Phallus-Skulpturen ersetzt, Aufnahme Dezember 2020

Foto: Davor Knappmayer / dpa

Dagegen ist der Fall um den Penis von Ismaning inzwischen aufgelöst. Denn bald stellte sich heraus: Die Skulptur war für eine Kunstaktion aufgestellt worden. Die Idee war, dass der Radiosender die Schnitzarbeit am Morgen entdecken und dann für einen guten Zweck versteigern würde. Dass dies so geplant war, belege ein ins Holz geschnitzter Spruch, so der »Münchner Merkur«.

Stolz adelte Antenne Bayern die Skulptur auf ihrer Website  schon zum »berühmtesten Phallus Bayerns«. Der Sender werde ihn tatsächlich für einen guten Zweck versteigern und den Erlös über eine Stiftung Menschen zugutekommen lassen, die unverschuldet in Not geraten sind.

Damit konnte sie nicht die acht Maskierten meinen. Belohnt werden aber auch sie – mit Interviews. Pflichtschuldig sagte einer der Männer dem Radiosender schon, er entschuldige sich besonders beim Sicherheitsmann, dem man den Schrecken seines Lebens eingejagt habe.

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