Debatte um Parteiverbot für die AfD: „Wegregieren“ statt „wegverbieten“

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Die Spitze der Unionsfraktion lehnt ein Verbotsverfahren gegen die AfD vehement ab. Thorsten Frei, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, sagte am Dienstag, es gebe zwar sieben Unionsabgeordnete, die einen Antrag auf ein Verbotsverfahren unterstützen. Zu ihnen gehört der ehemalige Staatssekretär und Ostbeauftragte Marco Wanderwitz. CDU und CSU stellen insgesamt jedoch 196 Abgeordnete. In der Unionsfraktion gebe es beim Thema AfD-Verbot eine „maximale Zurückhaltung“, sagte Frei. Man habe nicht nur große rechtliche Bedenken, es gebe auch starke politische Argumente gegen ein Verfahren.

Ein wichtiges politisches Argument sei, dass bei der NPD das Verbotsverfahren mehr als vier Jahre gedauert habe. Bei der AfD wäre das Verfahren „um ein Vielfaches schwieriger, komplizierter, herausfordernder“ und würde deshalb vermutlich länger dauern. Die AfD könnte sich also sogar bei einem am Ende erfolgreichen Verbotsverfahren noch an der nächsten Bundestagswahl beteiligen, sich dabei als „Märtyrer“ in Szene setzen und mit der Behauptung antreten, dass das „die letzte freie Wahl ist“. Es sei ein Trugschluss, dass man der AfD mit rechtlichen Mitteln beikommen könne, man müsse sie stattdessen politisch bekämpfen, sagte Frei. Dafür sehe er „die allerbesten Aussichten“. Man müsse dafür aber „von der Symptombekämpfung wegkommen hin zu Ursachenbekämpfung“.

Ein Argument: Die AfD würde sich nur in ihrer selbst gewählten Opferrolle inszenieren

Frei verwies auf Altbundespräsident Joachim Gauck. Dieser hatte der Funke-Mediengruppe vor einigen Tagen gesagt, sein „Bauchgefühl würde der Partei das Verbot herzlich gönnen“. Als Demokrat, der die offene Gesellschaft schätze, rege es ihn total auf, dass die AfD über die Parteienfinanzierung auch noch Geld erhalte, „aber in der Politik darf man nicht nur fühlen“. Mit einem Verbotsverfahren würde man die Wählerschaft der AfD ja nicht abschaffen. Vielmehr würde man „noch mehr Wut und noch mehr Radikalität erzeugen – und das wäre politisch schädlich“.

Alexander Dobrindt, er ist als Vorsitzender der CSU im Bundestag auch erster Stellvertreter von Unionsfraktionschef Friedrich Merz, sagte am Dienstag, seines Wissens sei unter den Unterstützern eines AfD-Verbotsantrag kein einziger CSU-Abgeordneter. Er habe zwar keine Zweifel, dass es in der AfD radikale und extremistische Kräfte gebe. Man könne die AfD aber „nicht wegverbieten“, man könne sie „nur wegregieren“. Deswegen sei der geplante Verbotsantrag „vollkommen falsch und kontraproduktiv“.

Dobrindt sagte, er glaube, dass so ein Verbotsantrag Wasser auf die Mühlen der AfD-Erzählung wäre, dass diese Partei mit politischen Mitteln nicht bekämpft werden könne und die etablierten Parteien deshalb jetzt versuchen würden, die Auseinandersetzung mit einem Verbot auf eine andere Ebene zu ziehen. „Wir sollten dem Narrativ der AfD hier nicht auch noch Nachschub verleihen und sie nicht auch in dieser selbst gewählten Opferrolle sich inszenieren lassen, in der sie dann möglicherweise sogar noch zusätzliche Unterstützung gewinnen kann“, sagte der CSU-Landesgruppenchef. „Wir müssen die AfD mit besserer Politik kleinkriegen und nicht mit einem Verbotsantrag.“

Und Friedrich Merz? Der CDU-Vorsitzende machte es bei seinem gemeinsamen Auftritt mit Dobrindt vor Beginn der Unionsfraktionssitzung kurz. Auf die Frage, was er von einem AfD-Verbotsantrag halte, antwortete er nur, er sehe es „genau so“ wie der CSU-Landesgruppenchef. Und auf die Bitte zu erklären, warum er das so sehe, sagte Merz lediglich: „Aus den Gründen, die Alexander Dobrindt gerade vorgetragen hat.“

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