Datenaustausch im Gesundheitswesen: Länder arbeiten an eigenen Projekten

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Zwar ist die elektronische Patientenakte für Politik und am Gesundheitswesen Beteiligte ein Hoffnungsträger in der wachsenden Versorgungsnot, dennoch wird sie aller Voraussicht nach auch Anfang 2025 nicht Herzstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens werden. Ziel und Hoffnung der Delegierten auf dem Deutschen Interoperabilitätstag 2024 sind weiterhin die Vorteile einer funktionierenden Digitalisierung.

In den verschiedenen Bundesländern gibt es Bestrebungen zum Aufbau von interoperablen Kommunikationsplattformen im Gesundheitswesen. Dazu stellte Projektleiterin Dr. Anna Daub die Gesundheitsplattform Rheinland-Pfalz vor und Gudrun Liß, eHealth-Abteilungsleitung bei der Asklepios Service IT GmbH, die Initiative Health Harbor Hamburg H³. In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Vorhaben, beispielsweise in Bayern, Baden-Württemberg oder das Virtuelle Krankenhaus NRW.

Der Hausarzt und Gründer des seit 1999 bestehenden Praxisnetzwerks Goin e.V., Prof. Siegfried Jedamzik, stellte spontan verschiedene in Bayern vor – beispielsweise das interoperable Patientenportal "Mein Krankenhaus Bayern". Oft seien die Daten nur regional verfügbar, die fehlende Interoperabilität in ganz Deutschland problematisch. Beim demografischen Wandel und dem zunehmenden Ärztemangel sei die Digitalisierung jedoch eine Chance, zum Beispiel um Medikationsfehler zu vermeiden.

Insbesondere in den für 2025 zusammen mit der ePA geplanten elektronischen Medikationsplan setzt Jedamzik große Hoffnungen. Bisher seien viele Ärzte jedoch noch nicht ausreichend mit den Technologien vertraut. Daher fordern Experten immer wieder, die Digitalisierung auch in der medizinischen Ausbildung zu verankern.

Daub stellte das Projekt zur Implementierung einer Interoperabilitätsplattform (IOP-Plattform) im Gesundheitsbereich in der Rheinland-Pfalz am Beispiel des teilnehmenden Landeskrankenhauses Andernach vor. Das Landeskrankenhaus Andernach, das sich auf Psychiatrie und Neurologie spezialisiert hat, will die Qualität der Informationen und die Diagnose und Behandlung verbessern und nutzt für die automatische Zuordnung von Patientendaten zu einer eindeutigen Patientenidentität einen einrichtungsübergreifenden Master Patient Index (MPI).

Auf diese Weise soll die Prozess- und Patientensicherheit gesteigert werden. Dabei müssen die Patienten die Freigabe der Daten vorher selbst erteilen. Die Daten sollen dann mit dem eigenen medizinischen Versorgungszentrum getauscht werden, eine weitere Möglichkeit ist der Austausch von DICOM-Bildern mit Krankenhäusern hilfreich, etwa während eines Telekonsils. Wann diese Möglichkeit für die ePA kommt, ist noch nicht absehbar. Bisher müssen Röntgenbilder oft noch auf CDs transportiert werden.

Die Initiative Health Harbor Hamburg besteht aus Krankenhäusern, der Ärztekammer Hamburg, Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung und hat sich 2019 gegründet und will bisher 21 Krankenhäusern einen besseren Datenaustausch ermöglichen, aber auch Arztpraxen in das Projekt einbinden. Aktuell liegt der Fokus auf der Übertragung strukturierter Daten in die elektronische Patientenakte und der Bildung eines telemedizinischen Netzwerks.

Ebenfalls geplant ist der Austausch von Bildern im DICOM-Standard. Mit einer IOP-Plattform samt MPI sei das einfacher. Liß sieht die Sicherung und Finanzierung des Weiterbetriebs der zentralen Plattform nach Ablauf der Förderperiode sowie die Vereinheitlichung der Prozesse in den verschiedenen Kliniken ebenfalls als Herausforderung. Oft scheitere es an der Anschlussfinanzierung, gerade bei Service-Support- und Wartungsverträgen sei das problematisch.

Alle Beteiligten zeigten sich auf der Konferenz offen dafür, mit anderen Bundesländern zu kooperieren, wenn sie es nicht bereits tun. Ebenso gaben die Beteiligten an, dabei auch einen Anschluss an die Telematikinfrastruktur, der Datenautobahn fürs Gesundheitswesen, mitzudenken.

Gerade für Krankenhäuser bringen vielversprechende Projekte wie die elektronische Patientenakte jedoch erstmal nicht den erwünschten Mehrwert, auch wenn sich Ärzte eine interoperable Austauschplattform wünschen, um schnell und sicher Dokumente an Arztpraxen übermitteln zu können, aber auch zur Kommunikation mit Patienten. Das alles soll kommen, doch die Fristen verschieben sich immer wieder.

"Wenn man ehrlich ist, man macht es, weil man es machen muss", sagte Andreas Hempel, Solution-Architekt bei der Asklepios Service IT GmbH. Auf die Krankenhäuser kommen immer mehr Pflichten zu, doch die Ressourcen fehlen. Auch Prozesse rund um die Informationssicherheit, etwa das Thema PDF/A-1 bezeichnete er als "wahnsinnig komplex". Seiner Ansicht nach sei die ePA eher für Arztpraxen gebaut worden und nicht für Krankenhäuser.

Die Medizininformatikerin Prof. Sylvia Thun zeigte sich ungeduldig, dass es mit der Interoperabilität in Deutschland seit 25 Jahren nicht funktioniert. Bei der Charité habe sie bereits Erfahrung mit Software-Herstellern, die sich an internationale Standards halten. Sie würde "jedes Flugzeug am Boden lassen", das sich nicht an die Standards hält, die es bereits lange gibt. Sie sei ein bisschen wütend über die Jammereien.

"Wir gefährden die Patienten, wenn wir so weitermachen", so Thun. Für sie sei unvorstellbar, dass ein Teil der Anbieter von Krankenhausinformationssystemen nicht einmal fünf FHIR-Ressourcen umsetzen kann, die in der ISIK-Spezifikation (für Informationstechnische Systeme in Krankenhäusern) von der Gematik vorgegeben wurden. Andere Länder bekämen es auch hin, die Spezifikationen umzusetzen.

Laut Heike Diebler, vom Deutschen Verband für Interoperabilität im Gesundheitswesen und stellvertretende Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion von Sachsen, brauche es länderübergreifend mehr Klarheit, da sonst ein Stillstand drohe. Mit Reformen im Gesundheitswesen wie der bevorstehenden Krankenhausreform werde sich in Sachsen auch noch viel tun.

(mack)

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