Das Bayern-Chelsea-Duell, das zum Klassiker ernannt werden sollte

vor 2 Stunden 1

Die Geschichte des "Finale Dahoam" 2012 ist auserzählt vor dem Wiedersehen zwischen dem FC Bayern und dem FC Chelsea am Mittwochabend. Ein anderes Duell zwischen den Teams verdient es, daran erinnert und zum Klassiker ernannt zu werden.

 Ein glücklicher Franck Ribery nach dem Sieg 2013

Der Spieler des Abends mit dem Pokal: Ein glücklicher Franck Ribery nach dem Sieg 2013 imago images/Sven Simon

Dieses Spiel am 30. August 2013 wäre viel präsenter, hätte es sich um ein Finale der Champions League gehandelt. Stattdessen geht es zwischen dem damaligen Henkelpott-Sieger FC Bayern und Europa-League-Champion FC Chelsea "nur" um den UEFA Supercup im mit 17 686 Zuschauern ausverkauften Eden Park in Prag. Doch was heißt nur mit Blick auf diesen dramatischen Abend und Vorgeschichte?

Schließlich treffen sich diese zwei "Großkopferten" des europäischen Fußballs das erste Mal wieder seit dem 19. Mai ein Jahr zuvor, als der FC Bayern in der heimischen Allianz Arena den Sieg in der Champions League feiern wollte und der FC Chelsea den Partycrasher spielte. Die Erinnerung daran ist frisch, Revanchegelüste bei den Bayern sind vorhanden.

Außerdem gibt es die Trainer, die sich nicht wirklich mögen, nur in inniger Rivalität verbunden sind. Pep Guardiola trainiert seit wenigen Wochen den FC Bayern, José Mourinho den FC Chelsea. Ersterer steht für schönen Fußball in Perfektion, sein Gegenüber für schnöden Pragmatismus, erfolgreich sind beide auf ihre Art. Guardiola hat zuvor den FC Barcelona trainiert, Mourinho Real Madrid, oft genug haben sie in Spanien ihre Duelle um die Vorherrschaft ausgetragen.

Der Supercup mag für die öffentlichen Betrachter seinerzeit ein Stiefkind des europäischen Fußballs sein, für die zwei Trainer ist es dieses Duell gewiss nicht. Ganz nebenbei ist die Trophäe vor jenem Abend die einzige, die dem FC Bayern noch in der Vitrine fehlt. Beim letzten Anlauf davor setzte es nach dem Gewinn der Königsklasse 2001 ein 2:3 in Monaco gegen den FC Liverpool.

Ribery knackt den Riegel ein erstes Mal

Zu Spielbeginn deutet wenig auf Dramatik hin. Die Bayern müssen auf den verletzten Bastian Schweinsteiger sowie Thiago verzichten. Philipp Lahm darf zunächst im Mittelfeld ran, Neuzugang Mario Götze sitzt ebenso auf der Bank wie bei den Engländern John Terry. Dafür darf André Schürrle beginnen. Und wie ein knappes Jahr später im WM-Finale tritt der Deutsche als Vorbereiter in Erscheinung, er legt Fernando Torres das frühe 1:0 in der achten Minute auf.

Anschließend machen die Bayern das Spiel, Chelsea steht jedoch meist sicher, lauert auf Konter. Erwartbar bei diesen Coaches. Kurz nach der Halbzeit knacken die Bayern den Riegel. Franck Ribery, tags zuvor Europas Fußballer des Jahres geworden, zieht aus der Distanz ab, der Ball schlägt im linken Eck von Petr Cech ein, der wie bei Schweinsteigers Elfmeter ein Jahr zuvor mit den Fingern dran ist, dieses Mal jedoch nicht entscheidend.

Die Partie nimmt Fahrt auf. Bayern drückt, Chelsea bleibt gefährlich, versucht es mit Härte. Götze und der angeschlagene Javi Martinez kommen ins Spiel. Vor allem nach Standards, noch eine Analogie zu 2012, droht Gefahr: Ivanovic köpft nach einer Ecke an die Latte (78.), Neuer pariert stark gegen David Luiz (85.). Kurz darauf geht Ramires Götze überhart an, der bereits verwarnte Brasilianer sieht Gelb-Rot, Überzahl Bayern. In den regulären 90 Minuten passiert nichts mehr. Wäre auch schade gewesen, bei dem, was folgt.

Die Bayern verzweifeln an Cech, dann trifft Martinez

Die Partie wird mit jeder Minute besser, die Intensität ist unfassbar hoch, die fußballerische Klasse sowieso. Und Chelsea geht trotz Unterzahl erneut in Führung. Eden Hazard zieht vom linken Flügel nach innen, lässt Jerome Boateng stehen und trifft hart zum 2:1. Vor allem in den zweiten 15 Minuten der Verlängerung entwickelt sich daraufhin ein Powerplay der Münchner, die mit Macht auf das 2:2 drücken und am nun überragenden Cech verzweifeln. Der Tscheche rettet gegen Mario Mandzukic, gegen Martinez, er kratzt einen Freistoß von Ribery aus dem Toreck.

2 in der Verlängerung.

Ins Elfmeterschießen "gerettet": Javi Martinez. imago sportfotodienst

Das war's dann wohl, wieder wird Chelsea, an der Seitenlinie von Mourinho angefeuert, die Oberhand behalten. Nein, dieses Mal nicht. In der Nachspielzeit der Verlängerung, Minute 120+1, segelt die x-te Flanke in den Strafraum, kommt Martinez plötzlich ungehindert zum Schuss. 2:2, Elfmeterschießen. Guardiola schwört seine Männer darauf ein. Bis unters Dach des Stadions ist zu spüren, dass beide Trainer dieses Duell persönlich nehmen, verlieren will niemand.

Wieder Elfmeterschießen wie ein gutes Jahr zuvor, wieder gegen Cech. Guardiola hat weniger Mühe als damals Jupp Heynckes, fünf Schützen zu finden. David Alaba, Toni Kroos, Lahm, Ribery und, mit etwas Glück, Xherdan Shaqiri treffen für die Bayern, David Luiz, Oscar, Frank Lampard und Ashley Cole für die Londoner allerdings auch.

Als Letzter schreitet Romelu Lukaku zum Punkt, damals gerade 20 Jahre alt. Der Belgier entscheidet sich aus seiner Perspektive für rechts unten. Neuer ahnt es, ist zur Stelle, pariert, reckt jubelnd die Faust nach oben. Die Bayern haben diesen Pott, der Jubel fällt so intensiv aus wie das Spiel. Für Guardiola ist es der erste Titel als Bayern-Coach. Und niemand, der live dabei war, wird diesen Abend vergessen. Ein hochklassiges Finale mit zuspitzender Dramatik. Fußballherz, was willst du mehr?

Frank Linkesch

Gesamten Artikel lesen