Die Däninnen und Dänen werden von 2040 an länger arbeiten müssen als die anderen Europäer: Das Parlament in Kopenhagen beschloss am Mittwoch mit großer Mehrheit, das gesetzliche Renteneintrittsalter sukzessive auf 70 Jahre anzuheben.
Die Entscheidung vom Donnerstag ist eine Folge der sogenannten Wohlfahrtsregelung, einer Sozialreform aus dem Jahr 2006, bei der eine breite Mehrheit des dänischen Parlaments eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung beschloss. Momentan gehen diejenigen Däninnen und Dänen, die ihr Leben lang gesund geblieben sind, mit 67 Jahren in Rente. 2030 wird das Renteneintrittsalter auf 68 erhöht, 2035 auf 69. Und wer nach dem 31. Dezember 1970 geboren wurde, der kann nun nach dem aktuellen Beschluss des Parlaments erst 2040, also mit dem Erreichen des 70. Lebensjahres staatliche Rente beziehen.
Vor dem Parlament protestierten Demonstranten aus allen Gewerkschaften
Immerhin, nach dieser Anhebung soll Schluss sein mit der immer neuen Alterskorrektur nach oben. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Fredriksen hatte schon im vergangenen Jahr versprochen, der Renteneintritt könne nicht ewig weiter verschoben werden, eher müsse man den Sozialtarifvertrag neu verhandeln. Vor der Abstimmung im Folketing betonten mehrere ihrer Parteigenossen, mit 70 sei „endgültig die Höchstgrenze erreicht“, wie es der Bürgermeister von Horsens, Peter Sørensen, ausdrückte. Auch Frederiksen versprach am Donnerstag nochmals, dass die Sozialdemokraten nun zum letzten Mal für die automatische Erhöhung des Rentenbeginns stimmen würden.
Dennoch gab es vor der Abstimmung große Proteste gegen die Anhebung. So versammelten sich am Donnerstag auf dem Schlossplatz vor dem Parlament Demonstranten aus allen Gewerkschaften. Jesper Ettrup Rasmussen vom Dänischen Gewerkschaftsbund sagte, es sei unverständlich, dass Dänemark mit seiner boomenden Wirtschaft „das höchste Renteneintrittsalter der EU“ habe. Die Anhebung treffe vor allem Menschen mit einer kurzen Ausbildung, die schwere körperliche Arbeit leisten müssen. „Wir wissen aus Studien, dass diese Menschen früher sterben als der Durchschnitt. Sie verlieren ihr Recht auf ein würdiges Leben im Alter.“ Dem widersprach die Wirtschaftsministerin Stephanie Lose, indem sie auf die sogenannte Arne-Rente hinwies, die die Möglichkeit bietet, bei körperlichen Beschwerden bis zu drei Jahre vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in den Ruhestand zu gehen. Allerdings muss man über 40 Jahre gearbeitet haben, um diese Klausel in Anspruch nehmen zu können.
Ihr antwortete Palle Smed, Direktor der Seniorenorganisation Faglige Seniorer, es müssten jetzt schon „viel, viel mehr Senioren auf dem Arbeitsmarkt bleiben, wenn anderen der Wunsch nach einem vorzeitigen Ruhestand ermöglicht werden soll.“ Die Regierung müsse deshalb „eine Vorreiterrolle bei der positiven Darstellung des Arbeitsmarktes für Senioren einnehmen“. Wenn Dänemark seinen Wohlstand sichern wolle, „müssen wir es attraktiver machen, länger zu bleiben. Nicht durch Zwang, sondern durch Flexibilität und Respekt“.
Auch viele Abgeordnete der Opposition stimmten für die unpopuläre Neueregelung
Auffällig ist, dass von den 102 anwesenden Parlamentsabgeordneten 81 für die Anhebung des Renteneintrittsalters stimmten und nur 21 dagegen. Was bedeutet, dass auch viele Abgeordnete der Opposition dieser nicht sonderlich populären Neuregelung zugestimmt haben.
Dänemarks Bevölkerung ist in den vergangenen 25 Jahren von 5,3 auf 5,8 Millionen gewachsen. Allerdings ist das stetig leichte Wachstum vor allem auf Zuzug aus dem Ausland zurückzuführen. Da Dänemark aber mittlerweile eine der strengsten Asylgesetzgebungen Europas hat, kommen mittlerweile kaum noch Menschen aus nichteuropäischen Ländern dazu. Das Statistikamt geht davon aus, dass die Geburtenrate, die sich mittlerweile bei 1,5 Kindern pro Frau eingepegelt hat, in den kommenden Jahren nicht nennenswert steigen wird. Dem Land drohen also ähnliche Überalterungsprobleme wie vielen anderen europäischen Gesellschaften.
Rune Lindahl-Jacobsen, Professor für Demografie an der Universität von Süddänemark sorgte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen, als er berechnete, dass die dänische Bevölkerung bei gleichbleibender Geburtenrate bis zum Jahr 2100 von 5,8 auf 2,5 Millionen schrumpfen werde. „In meiner Welt der Zahlen und Grafiken ist das ziemlich wild“, so Lindahl-Jakobsen damals.
In Dänemark gilt seit 1986 die 37-Stunden-Woche. Alle Versuche, die Wochenarbeitszeit zu erhöhen, sind bislang gescheitert. Dafür wurde aber vor zwei Jahren ein gesetzlicher Feiertag, der „Große Tag des Gebets“, abgeschafft.