Luna Möbius, Rednerin auf CSD-Demo:
»Es geht nicht darum, ob 'ne scheiß Flagge auf dem Bundestag hängt. Das interessiert mich persönlich nicht. Natürlich fände ich es nett. Aber es geht darum, dass wir hier alle in Freiheit und in Frieden sicher leben können.«
Ein CSD unter Polizeischutz. Am Sonntag gingen rund viertausend Menschen beim dritten Christopher Street Day in Bautzen auf die Straße.
Jonas Löschau, Mitorganisator des CSD:
»Wir wollen queere Sichtbarkeit im ländlichen Raum stärken. Und dass wir ein mutiges, lautes, buntes Zeichen aus Bautzen senden und zeigen können: Bautzen kann bunt, Bautzen kann solidarisch sein.«
Und es wurde laut in Bautzen. Und bunt: Regenbogenflaggen, Glitzer, Seifenblasen. Und Livemusik von Kraftklub.
Aber nicht überall in Bautzen war es am Sonntag so bunt. Dem CSD liefen auch gut 450 Rechtsextreme und Neonazis hinterher. Statt Partystimmung: Hassparolen. Und das trotz musikalischer Einlage einer rechtsextremen Rap-Crew. Oder gerade deswegen.
Schon vor einem Jahr gab es hier in Bautzen zeitgleich zum CSD einen rechtsextremen Aufmarsch. Die CSD-After-Show-Party musste damals aus Sicherheitsgründen abgesagt werden. Laut Polizei kam es schon bei der Anreise zu Gewalt und Übergriffen.
Es folgten rechtsextreme Demos in ganz Deutschland, immer wieder zeitgleich zu CSDs. Die gemeinnützige Organisation Cemas zählte im vergangenen Jahr in 27 deutschen Städten Anti-CSD-Demos, organisiert von rechtsextremen Jugendgruppen und neonazistischen Parteiorganisationen. Anderen Auswertungen zufolge liegt die Zahl noch höher.
Laut Bundeskriminalamt nimmt auch die Hasskriminalität gegen queere Menschen zu. So musste etwa im Mai dieses Jahres in Gelsenkirchen der CSD wegen einer »abstrakten Bedrohungslage« abgesagt werden. In Regensburg wurde im Juni die Route umgeplant. Und in Wernigerode soll ein 20-Jähriger mit einem Angriff auf den CSD gedroht haben.
Alles Gründe, warum am Sonntag auch antifaschistische Demonstrierende aus ganz Deutschland zum CSD nach Bautzen gekommen sind. So auch Kleo, die in Berlin beim Bündnis »Widersetzen« aktiv ist.
Kleo, »Widersetzen« Berlin:
»Wir sind eine Gruppe von Menschen, denen es einfach wichtig ist, auch in kleineren Städten und in ländlichen Regionen, vor allem in Ostdeutschland, zu zeigen, dass die queeren Menschen, die hier leben, nicht allein sind, dass sie sich auch ein bisschen auf die stabilen Leute aus der Stadt verlassen können.«
Die sorgen hier zum Beispiel für Sichtschutz gegen rechte Streamer – oder auch einfach für die nötige Gegenakustik.
Kleo, »Widersetzen« Berlin:
»Es ist ganz klar, dass wir hier Kante zeigen müssen, dass wir zeigen müssen: Hey, ihr seid nicht mehr, ihr kommt hier nicht durch. Und wir sind gegen alles, wofür die Rechten stehen, wofür die AfD steht. Deshalb sind wir heute hier, um, ja, uns auch hier dem Faschismus zu widersetzen.«
Der Faschismus, wie Kleo es nennt, zeigt sich vor allem in Form von Parolen und aggressivem Verhalten, wie etwa hier.
Parolen:
»Wir kriegen euch alle! Wir kriegen euch alle!«
Dabei geht es rassistisch, queerfeindlich und nationalistisch zu.
Parolen:
»Nazi-Kiez! Nazi-Kiez!«
»Ohne Polizeischutz wärt ihr gar nicht hier!«
Doch es kamen deutlich weniger Rechtsextreme als im vergangenen Jahr. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sich etliche zentrale Figuren der Szene wegen Gewalttaten im vergangenen Jahr vor Gericht verantworten müssen.
Auf CSD-Seite mit acht- bis zehnmal so vielen Teilnehmenden dagegen ist die Motivation an diesem Sonntag groß. Eine Gruppe lässt sich zeitweise auf der Route nieder und bremst den rechten Aufmarsch aus, während auf dem Kornmarkt Redebeiträge den Zweck dieser Demo auf den Punkt zu bringen versuchen:
Luna Möbius, Rednerin auf CSD-Demo:
»Eine Bitte an die ganzen Menschen die das jetzt hier sehen und die denken: Das kann mir egal sein oder die schlimmstenfalls dahinten stehen und denken: Menschen wie ich sind daran schuld, dass es ihnen schlecht geht. Lasst euch doch nicht einreden, dass 'ne Person, die Klamotten anzieht, die euch nicht gefallen, dass die daran Schuld ist, dass ihr keinen Job habt. Das ist doch Quatsch.«
Für die Veranstalter des CSD war der Tag ein voller Erfolg:
Jonas Löschau, Mitorganisator des CSD
»Die ganze Vorbereitungszeit war natürlich mit ganz vielen Sorgen verbunden. Und das heute zu sehen, dass so viele Menschen unserem Aufruf gefolgt sind, so viele Menschen hier sind, um mit uns gemeinsam solidarisch zu sein, die feiernde Menge, so viel Spaß, so viel Freude und einfach zu sehen: Wir sind hier nicht allein. Sondern es gibt ganz viele Menschen, die uns unterstützen, mit dem was wir hier tun. Das ist einfach ganz ganz toll und ein riesengroßes Signal.«
Während die Angereisten aus den Großstädten am Sonntagabend wieder nach Hause fahren können, bleibt die rechte Präsenz für queere Menschen in Bautzen eine konstante Bedrohung. Zach, die lieber anonym bleiben möchte, beschreibt das so:
Zach, queere Person aus Bautzen:
»Ob man mit 'ner großen Masse durch die Straßen zieht und dann von 700 Neonazis bedroht wird, oder ob man allein durch die Straßen geht und von zehn Neonazis bedroht wird, die jederzeit eine größere Gruppe dazu rufen können – ich finde, da ist der Unterschied gar nicht so groß. Man lebt hier als queere, antifaschistische Person einfach wie ein Schaf im Wolfsrudel.«
Es wird vermutlich nicht der letzte CSD in Bautzen gewesen sein. Aber es wird sicher auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Rechtsextreme dagegen aufmarschieren.