
Angreifer Ousmane Dembélé: »Die beste Entscheidung der Saison«
Foto:Franco Arland / Getty Images
PSG-Star in der Champions League Ist Ousmane Dembélé der beste Spieler der Welt?
Er flog aus dem Pariser Kader. Ein halbes Jahr später gilt Ousmane Dembélé als Ballon-d’Or-Kandidat und Trumpf gegen Arsenal im Champions-League-Halbfinale. Das liegt an einem einzigartigen Talent – und einer Entscheidung.
07.05.2025, 17.24 Uhr
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Marcus Thuram musste nicht lange überlegen. »Der beste Spieler der Welt ist Franzose«, legte sich Inter Mailands Mittelstürmer fest. »Und der zweitbeste auch.« Der TV-Sender Canal Plus hatte Thuram eigentlich auf Lamine Yamal angesprochen, das 17 Jahre alte Wunderkind des FC Barcelona, mit dem sich Thurams Nerazzurri gerade einen denkwürdigen 3:3-Schlagabtausch im Halbfinalhinspiel der Champions League geliefert hatte.
Ein Spektakel auf der größten Bühne, aber ohne die größten Spieler. Denn das, so Thuram, »sind Ousmane Dembélé und Kylian Mbappé. Danach kommt vielleicht Yamal.«
Nun ist es wenig verwunderlich, dass ein französischer Fußballspieler einem französischen TV-Kanal gegenüber seine Nationalmannschaftskollegen lobt. Wohl aber, welchen Spieler Thuram zuerst nannte: nicht etwa Mbappé, den Kapitän der Équipe Tricolore, der im WM-Finale 2022 dreimal traf. Der Mbappé, bei dem schon einmal Frankreichs Präsident Emmanuel Macron persönlich vorstellig wurde, um Mbappés Wechsel zu Real Madrid hinauszuzögern.
Sondern Dembélé.
Auch der 27-Jährige spielte mal auf Barcelonas rechtem Flügel, war quasi Yamals Vorgänger. 2017 ließ sich Barça Dembélés Dienste 135 Millionen Euro kosten. Bei Borussia Dortmund war Dembélé damals in Trainingsstreik getreten, um in Katalonien den Superstar Neymar zu beerben. Doch die Zeit bei Barça war ein Desaster: 119 Spiele verpasste der Franzose verletzt. War er doch mal fit, ließ Dembélé sein enormes Talent zwar aufblitzen, tauchte aber auch immer wieder unpünktlich zum Training auf.

Ousmane Dembélé im Trikot des FC Barcelona 2021: Vermeintlich auf dem Weg zum ewigen Talent
Foto: PAU BARRENA / AFPNach sechs enttäuschenden Jahren sollte der Angreifer 2023 erneut Neymars Nachfolge antreten, diesmal bei Paris Saint-Germain. Dort erlebt Dembélé nun die beste Phase seiner Karriere. 21 Tore in der Ligue 1, acht Treffer in der Champions League: Dembélé ist so gefährlich wie noch nie. Sein Tor in der Königsklasse sicherte PSG den Hinspielerfolg im Halbfinale gegen den FC Arsenal. Am Abend kommt es zum Rückspiel (21 Uhr/DAZN).
Suspendierung als Wendepunkt
Noch im Herbst war mit Dembélés Hauptrolle in der Pariser Erfolgsgeschichte nicht zu rechnen gewesen. Bereits damals, in der Ligaphase der Königsklasse, traf PSG auf Arsenal. Im Spieltagskader fehlte Dembélé.
Das hatte disziplinarische Gründe. Dembélé habe nach einer kritischen Ansprache Enriques überreagiert, hieß es. »Wenn Spieler die Anforderungen nicht erfüllen, kommen sie für mich nicht infrage«, begründete der PSG-Trainer seine Entscheidung. »Aber wenn sie ihren Verpflichtungen nachkommen, dann sind sie bereit.«
Damals, Anfang Oktober, verlor Paris ohne Dembélé 0:2 gegen Arsenal. Trotzdem nennt Enrique die Nichtberücksichtigung seines Topspielers heute die »beste Entscheidung der Saison«. Einer Spielzeit, in der PSG bereits französischer Meister ist, das nationale Pokalfinale erreicht hat und 90 Minuten davon entfernt ist, ins Endspiel der Champions League einzuziehen.

PSG-Trainer Luis Enrique: Erziehungsmaßnahmen für den Starspieler
Foto: Andrew Couldridge / Action Images / ReutersEnriques Erziehungsmaßnahme endete nicht mit der Strafe. Spieler und Trainer setzten sich zusammen und arbeiteten am gemeinsamen Erfolg. Sonderschichten auf dem Trainingsplatz, Videostudium. Und vor allem: eine neue Position.
Wechsel ins Zentrum
Seit Herbst spielt Dembélé nicht mehr auf der Außenbahn, die den Großteil seiner Karriere über sein sportliches Zuhause gewesen war. Stattdessen läuft Dembélé als Mittelstürmer auf – und trifft wie nie zuvor. Mit seinen 1,78 Meter Körpergröße braucht Dembélé das flache Zusammenspiel, ist umtriebig im Stile einer »falschen Neun«, holt sich die Bälle auch mal im Mittelfeld.
Im direkten Duell ist Dembélé mit seiner Dribbelstärke schwer zu stellen. Oft bindet er mehrere Gegenspieler. Die Räume, die so entstehen, nutzen die Pariser Flügelangreifer. Bradley Barcola, Khvicha Kvaratskhelia und Désiré Doué kämpfen um zwei Plätze, selbst nach der Umschulung Dembélés hat Enrique auf den Außenbahnen ein Luxusproblem.
Sein Tempo und seine Ballbehandlung im Strafraum machen Dembélé unberechenbar. Seine ungewöhnlichste Fähigkeit ist die Beidfüßigkeit: Neun seiner Ligatore erzielte Dembélé mit links, zehn mit rechts, zwei mit dem Kopf. Selbst Standards schießt Dembélé mal mit links und mal mit rechts.
Kommt er im Strafraum in eine Abschlussposition, muss er sich den Ball nicht auf den starken Fuß legen – er hat zwei davon. Auf Weltklasseniveau ist das eine einzigartige Begabung.
Auch seine Verletzungsanfälligkeit scheint Dembélé allmählich in den Griff zu bekommen. Er arbeitet mit Ernährungsberatern, lässt sich medizinisch eng begleiten. Als nach dem Hinspiel in London von Oberschenkelproblemen die Rede war, befürchtete manch PSG-Anhänger schon Schlimmstes. Am Montag war der einstige Dauerpatient dann bereits wieder im Teamtraining dabei.
Ballon-d’Or-Rennen gegen Barcelona-Stars
Aber ist Dembélé nun wirklich der beste Fußballspieler des Planeten?
In Frankreich mag man das bejahen, eine Publikumsumfrage der »L'Équipe« sah den PSG-Star im März als Favoriten auf den Ballon d’Or. Die meisten Buchmacher räumen den Barcelona-Stars Yamal und Raphinha allerdings bessere Chancen ein. Die üblichen Verdächtigen, Mbappé oder Manchester Citys Erling Haaland, dürften aufgrund der dürftigen Saisons ihrer Klubs in diesem Jahr keine Rolle spielen.
In England glaubt man sogar noch an Liverpools Mohamed Salah. Der beste Spieler der Premier League muss auch international der Beste sein, klar. Nur: In der Champions League war für den LFC gegen Paris Schluss. PSG ins entscheidende Elfmeterschießen schoss: Ousmane Dembélé.
Noch zwei solche Auftritte und Thurams steile These könnte europaweit vielleicht wirklich Konsens werden.