Die geopolitischen Turbulenzen der vergangenen Wochen haben offenbar zu einem Umdenken in deutschen Unternehmen geführt. Vorstände erwägen insbesondere aufgrund der vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump am 2. April angekündigten Zolloffensive, wieder mehr in Deutschland zu investieren. Das ist das Ergebnis der Frühjahrsumfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte unter 200 Finanzvorständen deutscher Unternehmen.
»Geo- und handelspolitische Themen dominieren zunehmend Märkte und damit die Aussichten von Unternehmen«, sagt Alexander Börsch, Chefökonom bei Deloitte. Vor allem der von Trump so bezeichnete »Liberation Day« hat aus Sicht der Unternehmenslenker offenbar einschneidende Folgen. Vor dem 2. April, als Trump unter anderem Zölle von 20 Prozent auf Importe aus der EU ankündigte, gaben 73 Prozent der von Deloitte befragten Finanzvorstände an, mittelfristig ihren Investitionsschwerpunkt in Deutschland zu sehen, danach lag ihr Anteil bei 80 Prozent.
Dagegen sank der Anteil der Unternehmen, die ihren Investitionsschwerpunkt in Nordamerika sehen, nach dem 2. April von 25 auf 19 Prozent. Auch die Investitionspläne für Asien sind leicht rückläufig.
Handelskonflikt trübt Geschäftsaussichten
Besonders Firmen aus exportorientierten Branchen wie dem Maschinenbau wenden sich von den USA ab. Vor der Zolloffensive wollten jeweils etwa die Hälfte der Exportchampions vorrangig in Nordamerika und in Deutschland investieren, danach sahen nur noch 38 Prozent jenseits des Atlantiks ihren Investitionsschwerpunkt und 62 Prozent in Deutschland.
Dabei war es Trumps erklärtes Ziel, mit den Zöllen Importe zurückzudrängen und mehr Produktion in die USA zu holen. Die Rechnung scheint nicht aufzugehen. Allerdings könnte sich die Stimmung auch wieder drehen, zumal Trump mittlerweile einen Teil der angekündigten Zölle für 90 Tage ausgesetzt hat. Und einzelne Unternehmen denken durchaus darüber nach, Produktion in die USA zu verlagern, um die dortige Nachfrage weiterhin kostendeckend bedienen zu können.
So prüft der Autohersteller Audi den Bau eines Werks in den USA. Die VW-Tochter produziert bislang nicht in dem Land, sondern liefert vor allem aus Mexiko dorthin. Konkurrent Mercedes prüft, einzelne Modelle künftig in den USA zu produzieren, die bislang aus Deutschland in die USA verschifft werden.
Insgesamt trübt die Eskalation des Handelskonflikts die Geschäftsaussichten der Unternehmen. Etwa ein Viertel der Befragten geben an, dass ein potenzieller Handelskrieg zwischen den USA und Europa starke Auswirkungen auf ihre Absatzmärkte haben werde, 17 Prozent sehen gravierende Folgen für die Lieferketten.
Die Verunsicherung der Unternehmen spiegelt sich auch darin, dass sie der Umfrage zufolge künftig vor allem in die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen investieren wollen (34 Prozent) sowie in die Digitalisierung (49 Prozent), was häufig auf eine Senkung der Kosten abzielt. Dagegen gibt jeder fünfte befragte Finanzvorstand an, weniger in die Ausweitung der Produktion investieren zu wollen. In der Autoindustrie gilt dies sogar für jedes zweite Unternehmen.
Hoffen auf die neue Regierung
Um sich auf die unsichere geopolitische Lage einzustellen und widerstandsfähiger zu werden, versuchen Unternehmen, sich weniger von einzelnen Beschaffungs- oder Absatzmärkten abhängig zu machen. So plant in der Automobilbranche fast jedes zweite befragte Unternehmen (47 Prozent), Standorte zu verlagern oder neu zu bewerten.
Allerdings spiegelt sich in der Umfrage auch, dass die Unternehmensvorstände einige Hoffnungen auf die neue Bundesregierung setzen und ihre Investitionen wieder erhöhen könnten. Das von CDU und SPD angekündigte Maßnahmenpaket für Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung würde ein Drittel der Unternehmen dazu motivieren, zuletzt aufgeschobene Investitionen wieder aufzunehmen. Vor allem das verarbeitende Gewerbe verspricht sich davon viel.
Würden bürokratische Hemmnisse beseitigt, könnten sich sogar drei Viertel der befragten Unternehmen vorstellen, wieder mehr zu investieren.