Donald Trumps Vorliebe für die großen Broadway-Musicals der Achtzigerjahre ist überliefert. Im März begrüßte der US-Präsident die Aufsichtsratsmitglieder des Kennedy Centers mit der Frage, welches Musical das Beste sei – »Phantom der Oper« oder »Les Misérables«. So berichtete es die »New York Times« auf der Basis eines Sitzungsmitschnitts.

Kennedy-Center-Bauwerk: Umkämpfter Hort der Hauptstadtkultur
Foto: nashvilledino2 / iStockphoto / Getty ImagesWomöglich ist die Wahl auf »Les Misérables« gefallen, denn in dieser Woche wurde bekannt, dass Donald Trump im Kennedy Center eine Benefizveranstaltung ausrichten möchte, in deren Mittelpunkt eine Aufführung des auf einem Roman von Victor Hugo beruhenden Musicals stehen soll.
Die vom britischen Theaterproduzenten Cameron Macintosh verantwortete Fassung wurde seit ihrer Broadway-Premiere 1987 ein Riesenerfolg und heißt im amerikanischen Alltagsjargon bloß »Les Miz«. Das Stück wurde mit acht Tony Awards ausgezeichnet, den wichtigsten US-Theaterpreisen.
Nicht vor Trump
Über hundert Millionen Menschen haben das Stück weltweit gesehen. 2012 gab es eine Filmversion, starbesetzt mit Hugh Jackman, Russell Crowe und Anne Hathaway.
Cameron Macintosh lässt seine Musicalfassung durch regionale Theater in den USA touren. Doch die Tourneestation in der Hauptstadt Washington bringt unerwartete Schwierigkeiten mit sich.

»Les Misérables«-Ensemble: Teilnahme freigestellt?
Foto: Matthew Murphy / Bond TheatricalWie zuerst CNN berichtete , wollen zehn der zwölf Ensemblemitglieder die Aufführung am 11. Juni auslassen. Das ist der Termin, zu dem Donald Trump im Kennedy Center erwartet wird, um »Les Miz« zu sehen. Wie die »New York Times« erfuhr , soll den Schauspielerinnen und Schauspielern die Möglichkeit zum Boykott eingeräumt worden sein.
Trump hatte kurz nach seinem Amtsantritt das Kennedy Center, eine der wichtigsten Kulturinstitutionen des Landes, übernommen und mit Vertrauten besetzt. Für den zuvor überparteilich besetzten Aufsichtsrat benannte der Präsident ihm nahestehende Persönlichkeiten. Als Direktor des Hauses ernannte er Richard Grenell, in Trumps erster Amtszeit US-Botschafter in Deutschland.
Grenell behauptete nun in einem schriftlichen Statement, aus dem »Entertainment Weekly« und andere US-Medien zitierten, dass man in der Leitung des Kulturzentrums noch nicht von dem Boykottgerücht gehört habe: »Aber das Kennedy Center wird nicht länger Intoleranz finanzieren.«
VIP-Fotogelegenheit
Vor den »Les Misérables«-Ensemblemitgliedern hatten schon andere Kulturschaffende ihre Zusammenarbeit mit einem von Trump kontrollierten Kennedy Center aufgekündigt. Ein Gastspiel des Musicals »Hamilton« wurde ebenso abgesagt wie ein Auftritt der Musikerin Rhiannon Giddens. Umgekehrt wurden vor Trumps Wiederwahl geplante Pride-Veranstaltungen von der neuen Leitung abgesagt.
Richard Grenell gab sich in seinem Statement kulturkämpferisch. »Kein Künstler wird willkommen sein, der nicht professionell genug ist, um vor Besuchern aller Schichten aufzutreten, egal wie ihre politische Ausrichtung ist«, sagte der von Trump eingesetzte Leiter der Institution. Es sei wichtig, diesen »faden und intoleranten Künstler« öffentlich zu nennen, befand Grennell, damit man wisse, welche Shows »politische Lackmustests« verlangen würden, um sie sehen zu können.

Weggefährte Grennell und Präsident Trump: »Politischer Lackmustest«
Foto: Chip Somodevilla / Getty ImagesBond Theatrical, die veranstaltende Agentur , äußerte sich nicht zur Frage, ob man es dem Cast freigestellt habe, vor Trump zu spielen oder nicht. In einem Statement hieß es bloß, die Produktion werde sicherstellen, dass das Stück während des Gastspiels im Kennedy Center auf die Bühne gebracht werde.
Für den »Les Misérables«-Abend mit Stargast Donald Trump im Publikum will das Kennedy Center nach Angaben des TV-Senders ABC VIP-Tickets verkaufen. Das »Gold«-Angebot für zwei Millionen US-Dollar umfasst unter anderem eine Loge und den Zutritt zu einem Galaempfang für zehn Personen, bei dem es die Gelegenheit für ein Foto mit dem US-Präsidenten geben soll. Mit einem »Silber«-Ticket dürfen nur zwei Personen mit Trump aufs Bild – dafür kostet es auch nur 100.000 Dollar.