Herculaneum: Röntgenanalyse findet Tinte von Philodem auf verkohltem Papyrus

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Zwei Forscher für maschinelles Lernen von der Universität Würzburg haben Titel und Autor eines antiken Schriftstücks entziffert, das im Jahr 79 vor Christus nach einem Ausbruch des Vesuvs unter Vulkanasche begraben wurde. Der Student Marcel Roth und Micha Nowak, inzwischen bei der US-amerikanischen KI-Firma Gray Swan AI beschäftigt, erhielten dafür diese Woche den ersten Preis der sogenannten »Vesuvius Challenge« . Auch das Wissenschaftsmagazin »Nature«  und der »Guardian«  berichteten darüber.

Roth und Nowak konnten die Tintenschrift entschlüsseln, die einst auf eine inzwischen verkohlte Papyrusrolle geschrieben worden war. Dazu analysierten sie Röntgenscans vom Inneren des Fundstücks mit Computermodellen. So wurden altgriechische Buchstaben sichtbar, die den Philosophen Philodem als Autor ausweisen und das Werk als »Über die Laster«. Vermutlich handelt es sich um den ersten Band der mehrteiligen Schrift, dies sei aber noch nicht bestätigt. An verschiedenen Stellen fiel den Forschern das altgriechische Wort für »Abscheu« auf.

Die Rolle wurde wie viele andere im 18. Jahrhundert in der Römerstadt Herculaneum aus den Ruinen der Villa von Lucius Calpurnius Piso Caesonius geborgen, dem Schwiegervater von Julius Caesar. Lange Zeit hielt man die Fundstücke für Kohlebriketts oder andere profane Haushaltsgegenstände. Erst spät stellte sich heraus, dass auf Bruchstücken Schriftzeichen zu erkennen waren, schwarz auf schwarz.

So kamen Wissenschaftler zu dem Schluss, dass es sich um die Bibliothek des Philodem handeln müsse. Er hatte seine mehr als 1000 Schriftrollen wohl aus Griechenland nach Herculaneum mitgebracht, als er bei Caesar zu Gast war. Offenbar war das Material aus Pflanzenfasern nicht verbrannt, sondern karbonisiert und damit für die Nachwelt erhalten geblieben, als die Vulkanasche mit anscheinend genau der richtigen Temperatur die Villa traf. Der Ausbruch begrub damals auch Pompeji unter Lava und Asche.

Zerbröselnde Schriftrollen

Bei früheren Versuchen, die Papyri aus Herculaneum aufzurollen, zerbröselten sie. Ein Großteil der Sammlung findet sich zersplittert in der Nationalbibliothek in Neapel. Die 2023 ausgelobte »Vesuvius Challenge« soll die Forschung an den noch intakten Rollen beschleunigen, ohne sie zu öffnen. Die nun analysierte Rolle ist mit der Registernummer PHerc. 172 eine von drei aus Herculaneum, die in den Bodleian Libraries in Oxford aufbewahrt werden. Sie wurde im vergangenen Juli im britischen Teilchenbeschleuniger Diamond Light Source nahe der englischen Universitätsstadt gescannt. So ließ sich die Schrift vom Hintergrund unterscheiden, aber noch nicht entziffern.

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