
PSG-Talent Desiré Doué traf doppelt
Foto: Franck Fife / AFPDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Pariser Goldjunge: 20 Jahre ist Desiré Doué alt. Ein Champions-League-Finale entschieden hat der Youngster bereits, spätestens seit dem Einbruch in den Louvre ist Doué das wohl schillerndste Pariser Juwel – und jemand, von dem die Leverkusener Abwehr noch schlecht träumen dürfte. Gerade erst hatte Bayer 04 ausgeglichen, zunächst nach Spielern auf dem Platz, dann nach Toren. 38 Minuten waren gespielt, es schien, als könnte der Bundesligist etwas Momentum in die Halbzeit mitnehmen. Was er stattdessen mitnahm, war ein Drei-Tore-Rückstand: Erst veredelte Doué einen Pariser Konter (41. Minute), dann nutzte Khvicha Kvaratskhelia einen missglückten Leverkusener Klärungsversuch zu einem Kunstschuss, der beide Innenpfosten touchierte und dann ins Tor sprang (43.). Statt des Pausenpfiffes gab es: Noch einmal Doué, diesmal per Schlenzer, für Torwart Mark Flekken niemals zu parieren (45.+3). Wohl dem, der den angeschlagenen Ballon d'Or-Gewinner Ousmane Dembélé so ersetzen kann.
Das Ergebnis: 2:7 (1:4) geht der deutsche Vizemeister Bayer Leverkusen zu Hause gegen Paris Saint-Germain unter. Gerade im Abschluss zeigten die Franzosen, weshalb PSG derzeit auf Europas Thron sitzt. Für Bayer rückt ein Weiterkommen in der Königsklasse in immer weitere Ferne.
Umbruch statt Einbruch: Dabei war die Stimmung in Leverkusen eigentlich längst wieder blendend. Nach den Abgängen von Trainer Xabi Alonso sowie der halben Startelf aus Meister- und Vizesaison hatte die Werkself den August noch als Chaostruppe zugebracht. Alonso-Nachfolger Erik ten Hag legte einen Fehlstart hin und musste wegen interner Spannungen schon nach Liga-Spieltag zwei seine Koffer packen. Seitdem herrschte aber Aufbruchstimmung. Dänemarks Ex-Nationalcoach Kasper Hjulmand überstand seine ersten sieben Spieltage ohne Niederlage, integrierte unerfahrene Zugänge wie Christian Kofane und Ernest Poku in die Startelf. National ist Bayer wieder ein Topklub.

Unerwartet wurde Kasper Hjulmand auf den Leverkusener Trainerstuhl gespült, legte dann aber einen starken Start hin
Foto: Ina Fassbender / AFPKalte Dusche: Und international? »Als Favorit gehen wir vielleicht nicht hier rein«, gab Geschäftsführer Simon Rolfes vor Anpfiff zu Protokoll. »Aber der Fußball hat schon alles erlebt.« Und immerhin, PSG ist national derzeit »nur« Zweiter hinter Olympique Marseille. Doch wer sich ernste Hoffnungen machte, eine Bayer-Überraschung könnte an diesem Abend in der Luft liegen, wurde schnell korrigiert: Als Willian Pacho im Leverkusener Strafraum kurz nach einer Ecke völlig allein gelassen wurde und die Flanke von Nuno Mendes bekam, war das 0:1 nur Formsache (7.).
Komm mir nicht zu nahe: Noch dazu konnte Leverkusen mit dem eigenen Spielglück wenig anfangen. Dass Ilya Zabarnyi dem nachsetzenden Startelfdebütanten Claudio Echeverri nicht standhielt und den Ball im Fallen mit der Hand touchierte, bescherte Bayer einen Elfmeter – aber kein Tor. Alejandro Grimaldo, am Wochenende gegen Mainz noch doppelt erfolgreich (einmal davon per Strafstoß), setzte den Ball vom Punkt an den Pfosten (25.). Öfter trifft der Spanier tatsächlich per Freistoß, von weiter weg, mit einer Mauer auf dem Weg zum Tor, über die es sich schön drüber zirkeln lässt. Doch in seine Komfortzone 20 Meter vor der Torlinie ließen die Pariser Grimaldo auch dann nicht, wenn sie ihre wenigen Fehler einstreuten.

So einfach, dass es schon wieder zu schwierig ist: Alejandro Grimaldo tritt vom Elfmeterpunkt an
Foto: Christopher Neundorf / EPAIm Bärendienst: Dann wurde es wild. Bayer-Kapitän Robert Andrich fuhr den Ellenbogen aus und schien vergessen zu haben, dass sich Doués Kopf in seinem Rücken direkt in der Schwungbahn befand. Referee Jesús Gil Manzano korrigierte ein erstes Gelb nach VAR-Intervention für Rot (33.). Nach einer Herausstellung in der Bundesliga schon der zweite Platzverweis für den eigentlich als erfahrene Stütze eingeplanten Andrich, der einmal mehr in der Abwehrkette statt wie gewohnt im defensiven Mittelfeld gestartet war. »Es gehört zu seiner DNA«, sinnierte Prime Video-Experte Matthias Sammer. »So isser halt.«

Früher Feierabend: Robert Andrich sah glatt Rot
Foto: Thilo Schmuelgen / REUTERSTrügerische Hoffnung: Die letzte kleine Wendung vor dem Dammbruch in der Bayer-Defensive eröffnete erneut Zabarnyi. Diesmal riss der Pariser Innenverteidiger Leverkusens sonst unauffälligen Stoßstürmer Kofane im Strafraum zu Boden – Notbremse, glatt Rot (37.). Die vier Minuten Überzahl hatte PSG also nicht genutzt, stattdessen glich Aleix García aus (38.). Ein Hauch von Augenhöhe vor Doués großem Auftritt.
Messi-Flashbacks: Hälfte zwei reihte gedämpfte Höhepunkte aneinander, die dem Spiel keine neue Richtung mehr gaben: Mendes' 5:1 (50.), ein ansatzloser Kracher Garcías in den Winkel (54.), Dembélés Einwechslung (63.) und das Tor drei Minuten später (66.). Schließlich Vitinhas Schlusspunkt zum 2:7 – ein Ergebnis, das an das Frühjahr 2012 erinnerte. Damals war es der FC Barcelona, der Leverkusen in der K.-o.-Phase 7:1 zerlegte, Lionel Messi traf seinerzeit fünffach.
Die Luft wird dünner: Ob Bayer in diesem Jahr überhaupt die Ligaphase der Königsklasse übersteht, ist indes ungewisser denn je. In der Tabelle rangiert der Werksklub hinter vermeintlichen Exoten wie dem FC Pafos aus Zypern, als nächstes warten Benfica, Manchester City und Newcastle United. Immerhin: Schwerer als gegen dieses PSG kann es kaum werden.