Ausländerrecht Online-Heirat schützt nicht vor Abschiebung
Kann ein Migrant durch eine per Videotelefonie geschlossene Ehe mit einer EU-Bürgerin seine Abschiebung verhindern? Nein, urteilte nun das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Final geklärt ist die Sache aber nicht.
04.06.2025, 14.46 Uhr

Verwaltungsgericht Düsseldorf: Klage abgewiesen
Foto: Stanislav Belicka / imagebroker / IMAGODieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Eine nach dem Recht des US-Bundesstaates Utah von Deutschland aus per Videotelefonie geschlossene Ehe eines Türken und einer Bulgarin ist in Deutschland unwirksam – und zwar selbst dann, wenn die Ehe vom EU-Mitgliedstaat Bulgarien anerkannt worden ist. Das hat jetzt eine Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf entschieden und damit die Klage eines Türken abgewiesen, der unter Berufung auf diese Online-Heirat eine Aufenthaltskarte als Ehegatte einer EU-Bürgerin bekommen und sich so vor einer Abschiebung in die Türkei schützen wollte.
Was sich im ersten Moment bizarr anhört, kam in den vergangenen Jahren immer wieder vor. Zumindest mit ausgelöst wurde dies möglicherweise durch einen Beitrag im Deutschlandfunk im Jahr 2021 und einen damaligen Hinweis auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes, wonach in Utah online geschlossene Ehen in Deutschland anerkennungsfähig seien. Das machte jedenfalls der Duisburger Anwalt Klaus Spiekermann vor Gericht geltend, der den Kläger in diesem Fall und auch schon andere in deren Verfahren vertreten hat.
Immer gleiches Muster
Das Muster war immer das gleiche: Ein in Deutschland lebender männlicher Migrant mit unsicherem Aufenthaltsstatus schließt eine Ehe mit einer EU-Bürgerin, oft aus Bulgarien. Um sich zumindest die in Deutschland üblichen Formalitäten und die damit verbundenen Kosten und Wartefristen zu ersparen, wird die Ehe nur online geschlossen, per Videotelefonie, vor einer ausländischen Behörde. Nach deutschem Recht wäre eine solche »Online-Eheschließung« unwirksam, nicht so aber nach dem Recht des US-Bundesstaats Utah. Und diese online in Utah geschlossene Ehe sollte, wegen eines sowohl von den USA als auch Deutschland ratifizierten Abkommens, auch in Deutschland anerkannt werden.
Anschließend, so die Erwartung, könnte sich der Mann aufgrund seiner Ehe mit einer EU-Bürgerin auf ein Freizügigkeitsrecht berufen und damit rechtmäßig in Deutschland aufhalten, ohne eine Abschiebung befürchten zu müssen.
Auf diese Weise schloss auch der Mann aus der Türkei im April 2021 eine Ehe mit einer Bulgarin. Immerhin war das Paar bei der Online-Eheschließung in Deutschland und hielt sich in einem Raum auf. Als die Stadt Krefeld gegen den Mann später eine Abschiebungsandrohung aussprach, wehrte er sich dagegen vor Gericht, unter Berufung auf die Online-Heirat.
Ist die Anerkennung durch einen anderen EU-Staat bindend?
Verwaltungsgerichte haben bislang teils unterschiedlich entschieden: Während eine andere Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf schon in einem früheren Fall die Anerkennung der Ehe versagte, ebenso wie im Februar eine Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin , gab noch im März dieses Jahres eine andere Berliner Kammer der Klage statt. Denn diese in Utah ebenfalls online geschlossene Ehe – vor einem Geistlichen der Stadt Draper – hatte die Stadt Varna in Bulgarien in ihr Eheregister eingetragen und eine entsprechende Urkunde ausgestellt. Wenn ein EU-Mitgliedstaat eine im Ausland geschlossene Ehe als wirksam anerkenne, diese in sein nationales Personenstandsregister eintrage und eine Eheurkunde ausstelle, dann sei diese Ehe-Anerkenntnis »für deutsche Behörden bindend«, so die 29. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin.
Zwar hat der Bundesgerichtshof im vergangenen September höchstrichterlich entschieden, dass »eine Eheschließung durch von Deutschland aus per Videotelefonie« vor einem Trauungsorgan im Ausland abgegebene Erklärungen »unwirksam« ist. In dem BGH-Fall war es allerdings um Nigerianer gegangen, damit hatte kein anderer EU-Mitgliedstaat die Ehe anerkannt. Wenn das aber der Fall ist, muss diese Eheschließung hierzulande womöglich doch als wirksam angesehen werden? Denn nach der EU-Verordnung über die Anerkennung ausländischer Urkunden müssen deutsche Innenbehörden, Justizorgane und Notare die von der Verordnung erfassten Urkunden aus allen EU-Mitgliedsländern ohne weiteren Echtheitsnachweis akzeptieren, und dazu zählen auch Heiratsurkunden.
Verweis auf Heirat nach deutschem Recht
Die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf folgte nun der Linie der Berliner Entscheidung vom Februar: »Aus dem Umstand, dass im vorliegenden Fall der EU-Mitgliedstaat Bulgarien die Eheschließung nach bulgarischem Recht anerkannt hatte«, ergebe sich für die Rechtslage in Deutschland nichts anderes. Vor allem bestehe »keine Pflicht zur Anerkennung der Ehe nach EU-Recht«. Eine solche Pflicht käme zwar an sich in Betracht, »wenn ein EU-Bürger sein Familienleben anderenfalls innerhalb der EU nicht weiter fortsetzen kann«. Eine solche besondere Härte liege hier aber nicht vor: Es stehe dem Kläger »frei, seine bulgarische Lebensgefährtin in der Bundesrepublik unter Einhaltung der deutschen Ehevorschriften zu heiraten«.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann beim Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen beantragen, dass dieses eine Berufung zulässt.