Die Erwartung, dass Gerichte den Machthunger von Donald Trump bremsen würden, hat am Freitag einen schweren Dämpfer erlitten. Die konservative Mehrheit am Supreme Court hat die Befugnisse unterer Gerichts-Instanzen, Verfügungen des Präsidenten zu blockieren, empfindlich eingeschränkt.
Kurz nach der Veröffentlichung des Urteils des Obersten Gerichtshofs berief Trump eine kurzfristige Pressekonferenz ein, auf der er triumphierend von einem „monumentalen Sieg“ sprach. „Dank dieser Entscheidung können wir nun weitermachen mit zahlreichen Entscheidungen“, sagte er im Weißen Haus. Als Beispiele nannte er die Flüchtlings- und die Migrationspolitik sowie Operationen für Transgender-Personen.
Betroffene Schwangere müssten jetzt Klage einreichen
Im konkreten Fall ging es um das Geburtsrecht. Babys, die auf amerikanischem Boden geboren werden, erhielten bisher die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten, unabhängig davon, ob auch ihre Eltern Bürger sind. Selbst Kinder von illegal im Land anwesenden Personen hatten deshalb Anspruch auf einen US-amerikanischen Pass. So zumindest wurde der 14. Verfassungszusatz von 1868 seit mehr als einem Jahrhundert ausgelegt.
Am ersten Tag im Amt jedoch erließ Donald Trump eine Präsidentenverfügung, mit der er dieses Geburtsrecht abschaffte. Umgehend verboten mehrere Bundesgerichte die Anwendung dieses Erlasses im ganzen Land, weil er offensichtlich verfassungswidrig sei. Die Frage, ob diese richterlichen Verbote zulässig waren, kam nun am Freitag vor das Oberste Gericht.
Der Supreme Court erklärte die nationalen richterlichen Verbote für ungültig und schickte die Fälle zur Neubeurteilung zurück an die unteren Instanzen. Damit kann Trumps Präsidentenverfügung in 30 Tagen in Kraft treten. Das gilt zwar nur vorübergehend: Im Herbst will sich der Supreme Court mit der Frage befassen, ob Trumps Vorgehen überhaupt zulässig war. In der Zwischenzeit aber muss jede einzelne betroffene Person laut Supreme Court selbst vor einem Gericht um ihr Recht kämpfen; im konkreten Fall müssten alle betroffenen Schwangeren Klage einreichen, um den US-Pass für ihr Kind zu erstreiten. Offen ließ das Oberste Gericht eine Reihe anderer Möglichkeiten, etwa Sammelklagen, sowie richterliche Verfügungen, die sich auf einzelne Bundesstaaten beschränken.
Generelle, landesweit gültige richterliche Verfügungen hingegen überschritten sehr wahrscheinlich die Befugnisse, die der Kongress den Bundesgerichten gewährt habe, befanden die sechs konservativen Richter am Supreme Court. „Wenn ein Gericht zum Schluss kommt, dass die Exekutive illegal handelt, darf die Antwort darauf nicht sein, dass auch das Gericht seine Kompetenzen überschreitet“, heißt es im Urteil, das Amy Coney Barrett verfasste, eine von Trump eingesetzte Richterin. Der Präsident lobte sie an seiner Medienkonferenz namentlich – eine unübliche Reaktion des Vertreters der Regierungsgewalt gegenüber der Justiz.
Von Demokraten eingesetzte Richterinnen sprachen von einer „Bedrohung des Rechtsstaats“
Alarmiert erhob eine Minderheit Einspruch – jene drei Richterinnen am Supreme Court, die von Demokraten eingesetzt worden waren. Die Mehrheit „erlaubt dem Präsidenten, die Verfassung zu verletzen gegenüber allen, die noch keine Klage eingereicht haben“, schrieb Ketanji Brown Jackson, von Joe Biden nominiert. Sie hält das Urteil für „eine existenzielle Bedrohung des Rechtsstaats“. Beschnitten würden damit die Rechte von Personen, die ohnehin schon benachteiligt seien, weil sie seltener die Ressourcen besitzen, um vor Gericht zu ziehen.
Die Macht der Richter, den Präsidenten zu bremsen, wird in den USA seit Jahren kontrovers diskutiert. Sowohl Demokraten als auch Republikaner im Weißen Haus überschritten ihre Kompetenzen; Barack Obama bei der Besetzung seines Kabinetts oder bei der Durchsetzung von Umweltvorschriften, Joe Biden beim Erlass von Studentenschulden. Kein Präsident in der jüngeren Geschichte hat die Macht des Weißen Hauses aber derart ausgedehnt wie Trump in seiner zweiten Amtszeit. Der Supreme Court hat ihm nun einen weiteren Hebel in die Hand gegeben – nachdem es ihm schon Straffreiheit zugesichert hatte für sämtliche Entscheidungen, die er als Präsident fällt.
Auf der Pressekonferenz am Freitag rief plötzlich jemand „Trump 2028“ – eine Anspielung auf eine dritte Amtszeit des Präsidenten, von der Verfassung verboten. Die Antwort von Donald Trump: „Wer ist dieser Typ? Ich mag ihn.“