
Alexander Zverev: Der Deutsche muss eine weitere Chance abhaken, auf dem Belag, der seinem Spiel am meisten entgegenkommt, seinen ersten Grand-Slam-Titel zu gewinnen
Foto:Yoan Valat / EPA
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Szene des Matches: Es gab nicht den Ballwechsel in dieser Partie, obwohl das Viertelfinale zwischen Alexander Zverev und Novak Djokovic viele großartige Rallys hervorbrachte. Die Szene, die dieses Match auf den Punkt brachte, war eine immer wiederkehrende: Djokovic, der den Rhythmus des Deutschen mit einem Stoppball brach und, wenn es noch sein musste, am Netz den Punkt machte. Immer wieder streute der Altmeister aus Serbien den kurzen Ball ein, dieses variable Spiel machte am Ende den Unterschied gegen einen starken, aber mitunter überforderten Zverev.
Das Ergebnis: 4:6, 6:3, 6:2 und 6:4 für Djokovic, der nach 3:17 Stunden ins Halbfinale der French Open einzog.
Die Machtverhältnisse: Zverev steht in der Weltrangliste auf Platz drei, Djokovic auf sechs. In ihren direkten Duellen hatten sie sich zuletzt mit den Siegen abgewechselt, Djokovic ging mit einer 8:5-Kopf-an-Kopf-Führung in die Partie. Für beide war es das erste Wiedersehen seit dem Halbfinale der Australian Open im Januar, als Djokovic nach einem Satz verletzt aufgeben musste. »Wir haben uns viele harte Kämpfe geliefert. Ich habe eine Menge großartiger Siege gegen ihn errungen. Ich habe auch viele harte Niederlagen gegen ihn erlebt«, hatte Zverev vor dem Match gesagt. Dieses Spiel fällt in die zweite Kategorie.

Zverev am Netz: Immer wieder nach vorn gelockt
Foto: Yoan Valat / EPADie Form: Der Serbe ist immer noch einer der besten Spieler der Welt, auch in Paris zeigte er das in diesem Jahr schon vor dem Viertelfinale immer wieder. Aber der 38-Jährige verliert inzwischen immer wieder auch mal gegen Spieler außerhalb der Top 30. Früher undenkbar. Bei 16 Siegen und sieben Niederlagen stand seine Bilanz für 2025 bisher, zuletzt allerdings hatte Djokovic im Mai das Turnier in Genf gewonnen. Zverev hatte nach dem verlorenen Australian-Open-Finale ein hartes Frühjahr mit vielen frühen Niederlagen. In München gelang ihm ein Turniersieg. In Hamburg, beim letzten Wettkampf vor Paris, schied er virusgeschwächt aus. Er kam mit einer 25:10-Bilanz nach Paris.
Duell unter Freunden: Beide Spieler kennen sich gut – und schätzen sich sehr. Nach seinem Sieg über Djokovic in Melbourne im Januar bat Zverev auf dem Platz um Nachsicht für den verletzten Serben. Bitte buht keinen Spieler aus, der verletzt aufgeben muss, sagte er. Später schilderte er, wie Djokovic ihm in schweren Phasen seiner Karriere immer wieder Ratschläge gegeben habe. Zuletzt scherzten sie auf Social Media darüber, dass Zverev Djokovic ausspioniert habe. Zverev hatte am Rande der French Open ein Foto mit dem Champions-League-Pokal gemacht, nebenan spielte gerade Djokovic. »Sag die Wahrheit«, kommentierte Djokovic unter Zverevs Instagram-Post, »den Pokal anzugucken war doch nur eine Ausrede«.
Der erste Satz: Zwei Breakbälle gab es im ersten Satz. Den ersten nutzte Zverev zur 1:0-Führung. Beide brachten in der Folge jeweils ohne große Mühe ihre Aufschlagspiele durch. Ein Satz, der nach Routine klingt, dabei zeigten beide Sandplatztennis auf Weltklasseniveau, machten wenig Fehler, trafen immer wieder die Linien, fanden Winkel, die den Gegner unter Druck setzten und streuten Stoppbälle ein. Dann kam Breakball Nummer zwei, diesmal für den Serben beim Stand von 3:4 aus seiner Sicht. 29-mal flog der Ball hin und her, das Publikum stöhnte auf, als Djokovic mit einem Schlag die Linie blank wischte, die Spieler stöhnten auch, vor Anstrengung, weil diese Rally kein Ende zu finden schien. Dann flog ein Djokovic-Ball ins Aus, Zverev ballte die Faust, Breakball abgewehrt. Kurz danach ging der erste Satz 6:4 nach 49 Minuten an den Deutschen.

Djokovic: Artistisch wie eh und je
Foto: Yoan Valat / EPADer zweite Satz: Ging ähnlich weiter, auch wenn beide etwas mehr Fehler machten und sich auch schwerer taten als im ersten Durchgang, ihre Aufschlagspiele durchzubringen. Beides galt noch mehr für Zverev denn für Djokovic, der Deutsche fluchte mehrmals vor sich hin und gestikulierte in Richtung seines Teams. Beim Stand von 2:1 nutzte Djokovic seinen zweiten Breakball. Eine Führung, die er nicht mehr abgeben sollte. Das Beste (des Satzes) kam am Ende (des Satzes): Eine Rally über 23 Schläge, garniert mit Stopps, Gegenstopps, Netzrollern. Den letzten Stopp bekam Zverev nicht mehr weggekratzt, mit 6:3 ging der Satz nach 53 Minuten an Djokovic.
Der dritte Satz: Das Muster aus Satz zwei setzte sich fort. Djokovic war der etwas variablere und präzisere Spieler. Zverev schaffte es zu selten, die Ballwechsel so lang zu gestalten, dass seine bessere Fitness zu tragen kommen konnte. Djokovic schaffte zur Begeisterung des Pariser Publikums das Break zum 3:2 – und legte kurz danach zum 5:2 nach. Zum ersten Mal im Match war ein Spieler klar besser. Zverev machte nun teils leichteste Fehler, zum Beispiel als er gleich den nächsten Ballwechsel seinen Stoppversuch völlig falsch kalkulierte und ins Netz schlug. Zu null brachte Djokovic das Spiel durch, 6:2 nach nur 34 Minuten.
Der vierte Satz: Brachte beim Stand von 3:2 und 30:40 aus Sicht von Djokovic den längsten und besten Ballwechsel der Partie. 41 Schläge, mehrere Stopps, Gegenstopps, artistische Rettungsaktionen zeigten die beiden Spieler, am Ende triumphierte wieder Djokovic. Das Publikum skandierte minutenlang »Novak! Novak!«. Kurz darauf brachte der Grand-Slam-Rekordchampion das Aufschlagspiel durch. Damit war Zverevs letzter Hoffnungsschimmer weggewischt wie roter Staub von der Grundlinie. 6:4 gewann Djokovic den letzten Durchgang.

Jannik Sinner: Der Überspieler des Turniers bisher
Foto: Yoan Valat / EPADie Erkenntnis: Trotz seiner 38 Jahre rollt Novak Djokovic wie auf Schienen durch dieses Turnier, das allein ist schon eine enorme Leistung. Dass er dabei gegen deutlich jüngere Spieler nur einen Satz abgegeben hat (den gegen Zverev), macht es noch beeindruckender. Zverev hingegen muss eine weitere Chance abhaken, auf dem Belag, der seinem Spiel am meisten entgegenkommt, seinen ersten Grand-Slam-Titel zu gewinnen.
Der Ausblick: Zverev dürfte erst bei den US Open im Spätsommer wieder realistische Chancen haben, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen, der Rasen von Wimbledon liegt ihm trotz seiner Aufschlagwucht nicht. Weiter als ins Achtelfinale hat er es dort nie geschafft. Djokovic darf weiter von seinem 25. Grand-Slam-Titel träumen. Doch es ist ein kühner Traum. Im Halbfinale am Freitag wartet der Weltranglistenerste Jannik Sinner, der in Über-Form aus seiner durch eine Dopingsperre bedingte Pause zurückgekommen ist und im Eiltempo durch dieses Turnier rauscht. Djokovic hat gegen ihn eine 4:4-Bilanz, doch die letzten drei Duelle gingen an Sinner. Im zweiten Halbfinale treffen der Italiener Lorenzo Musetti und Carlos Alcaraz aus Spanien aufeinander. Man kann sagen, die Sandplatzelite ist unter sich.