Zum Tod von Cleo Laine: Ein Hauch von Britishness

vor 4 Stunden 1

Wer die bessere Hälfte in dieser Verbindung war, ist längst nicht ausgemacht. Verfechter der reinen Jazzlehre würden vielleicht den Saxophonisten Johnny Dankworth in dieser Rolle sehen. Wem musikalische Abgrenzungen nichts bedeuten, für den steht dagegen fest, der Sängerin Cleo Laine gebührt eine solche Position. Befragt nach ihrer Beziehung, die mehr als ein halbes Jahrhundert Bestand hatte, meinte Cleo Laine diplomatisch, sie und Johnny Dankworth seien untrennbar an der Hüfte zusammengewachsen.

Ihre Laufbahn als Jazzsängerin hatte Cleo Laine zwar im Septett von Johnny Dankworth begonnen. Aber als sie einige Jahre später den Bandleader heiratete, verließ sie wohlweislich die Gruppe offiziell, um ihre breiter gefächerte eigene Karriere als Sängerin zwischen Jazz, Klassik und Popmusik sowie als Schauspielerin auf Theaterbühnen und auf der Leinwand zu verfolgen.

Gleichwohl sind beide Künstler immer wieder zusammen aufgetreten, spielten zahlreiche Schallplatten ein, gründeten und betrieben gemeinsam das Kulturzentrum „The Stables“ an ihrem Wohnort in Wavendon, Buckinghamshire, und verhalfen nicht zuletzt ihren beiden Kindern Jacqui und Alec Dankworth zu respektablen eigenen Jazzkarrieren. In England blieben sie, beide von der Queen geadelt, bis zum Tod von Johnny Dankworth im Jahr 2010 das „Royal Couple“ der Musik.

Interesse für alle erdenklichen Ausdrucksformen

Cleo Laine, Tochter eines Jamaikaners und einer Engländerin, verfügte über eine außerordentlich flexible, sinnliche Altstimme mit stratosphärischen Höhen und mystischen Tiefen, dazu ein waches Interesse für alle erdenklichen künstlerischen Ausdrucksformen, womit sie sich große Anerkennung über das Jazzgenre hinaus erwarb. Mit ihrem phänomenalen musikalisch-darstellerischen Talent gelang es ihr auch ohne akademische Ausbildung, extrem unterschiedliche Rollen in Schönbergs „Pierrot Lunaire“, Jerome Kerns „Show Boat“ oder Kurt Weills „Die sieben Todsünden“ auszufüllen. Zudem stand sie mit ihrer klaren Diktion als Ibsens Hedda Gabler auf der Theaterbühne, zelebrierte mit Ella Fitzgerald im New Yorker „Birdland“ raffinierten Scat-Gesang und versah Gedichte englischer Autoren mit Jazz-Konturen: „Shakespeare And All That Jazz“.

Damit nicht genug, spielte sie als Partnerin von Ray Charles die Oper „Porgy and Bess“ ein, umgab Frank Sinatra im Jahr 1992 bei seinem fünftägigen Auftritt in Londons Royal Albert Hall mit einem elegant-coolen Flair an Britishness, trat in Musicals am Broadway und regelmäßig in der Carnegie Hall von New York auf. Ihre Filmrollen, TV-Shows und mehr als hundert Einspielungen muss man da gar nicht detailliert aufzählen.

Apropos Britishness: Cleo Laine war elegant, cool, sophisticated und besaß einen ansteckenden Humor. Über ihre Ehe mit Johnny Dankworth meinte sie lakonisch, er habe sie geheiratet, um preiswert eine Sängerin zu bekommen, habe sich aber eine teure Ehefrau eingehandelt. Im Übrigen soll Dankworth bei ­Laines Vorsingen im Jahr 1952 gesagt haben: „Ich glaube, sie hat etwas.“ Worauf sein Trompeter Jimmy Deuchar erwiderte: „Ich glaube, sie hat alles.“ Er sollte recht behalten. Am 24. Juli 2025 ist Cleo Laine, die noch im hohen Alter auf der Bühne stand, mit 97 Jahren gestorben.

Gesamten Artikel lesen