Kaum Wasser, kaum Futter, kein Auslauf: Die 69 trächtigen Zuchtrinder, aufgeteilt auf zwei Transporter, stehen schon fast einen ganzen Monat im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Bulgarien. Es geht weder weiter noch zurück. Die beiden Lkw-Fahrer, deren Tour nur fünf Tage hätte dauern sollen, versorgen die Tiere so gut sie können, und doch sind die Zustände untragbar, als das Kamerateam des ZDF nach einem Monat im Zollbereich ankommt.
Der Grund für dieses Tierleid ist, dass die Transporter aus Brandenburg kommen, das zu diesem Zeitpunkt Tierseuchengebiet ist. Obwohl die Rinder nach der Ankunft im Zollbereich alle auf das Blauzungenvirus getestet wurden und alle Ergebnisse negativ ausfielen, durften die Fahrer das Zollgebiet nicht verlassen. Futter für die Tiere mussten sie aus ihrer eigenen Tasche zahlen, und Wasser war Mangelware. Je länger es nicht weiterging, desto schlimmer wurde es für die Tiere, die eingesperrt in den Transportern stehen. „Ich könnte wirklich heulen“, sagt Heinrich A., einer der beiden Fahrer. „Immer wieder hieß es, heute geht es weiter, und dann ist wieder nichts passiert.“
Die Tiere leiden, stehen nach 30 Tagen fast knietief in ihren eigenen Exkrementen. Einige der Kühe haben unter diesen Umständen bereits Kälber geboren. Die Kamera ist bei jeglichen schrecklichen Szenen dran, sehr nahe dran, und zeigt den unendlichen Schmerz. An Tag 31 nach der Abfahrt aus Deutschland sterben die ersten Mutterkühe und Kälber und bleiben am Boden des Transporters liegen, bedeckt von einem Schlamm aus Stroh und Exkrementen.
Erschreckende Zustände
Tierschützer, die hinter der Grenze in der Türkei warten, setzten alle behördlichen Hebel in Bewegung, um zu helfen. Leider vergeblich. Obwohl das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das Auswärtige Amt, die deutsche Botschaft in der Türkei und die Europäische Union kontaktiert wurden, durften die Transporter weder in die Türkei noch zurück nach Bulgarien fahren. Um die Tiere nicht weiterhin leiden zu lassen, ordnete das Veterinäramt des Landes Brandenburg die Euthanasie an. Die Bilder sind schwer auszuhalten.
Braucht es solch grausame Bilder, um das Leid der Tiere zu zeigen? Der Filmemacher Manfred Karremann, der seit Jahrzehnten auf Tierleid hinweist, erspart es den Zuschauern nicht. Seit 1989 beschäftigt er sich mit dem Tierschutz, seine Filme zu Tiertransporten durch ganz Europa sind legendär. Er arbeitet mit mehreren Tierschutzorganisationen zusammen und ist selbst Gründer der Organisation „Animal Network e.V.“. In dieser Reportage kommt er so nahe an die Tiertransporter im Zollbereich heran wie kaum jemand sonst.
Im Interview mit der F.A.Z. sagte er einmal, dass man den Menschen die Dinge nur in Ansätzen zeigen könne. Gleichwohl sind die Bilder in dieser Reportage teils so furchtbar, dass man sich nicht ausmalen möchte, welche Dinge nicht gezeigt wurden. Und es geht hier nicht um einen Einzelfall.
Die 37°-Reportage Tiertransporte: Gefangen zwischen Grenzen ist heute Abend um 22.15 Uhr im ZDF zu sehen.