Kunst lebt von Kontroverse. Und das gilt auch, wenn es vielleicht nur um Schnappschüsse geht, in denen jemand anderes etwas ganz Anderes als die Momentaufnahme sieht. Und ein bisschen kontrovers sind auch die Meinungen in unserer Redaktion zur vor zwei Wochen vorgestellten Fujifilm X-HF1 alias "X half". Die arbeitet zwar digital, lässt sich aber samt technisch nicht notwendigem Transporthebel wie eine analoge bedienen, und fotografiert nur im Halbformat, also hochkant – so, wie die meisten jungen Menschen mit dem Smartphone Bilder machen.
Während der Kolumnist – und auch die meisten Kommentatoren im Heise-Forum vor zwei Wochen – die X half recht kritisch beäugt, hatte meine Kollegin Christine Bruns dagegen viel Spaß, als sie die Kamera in dieser Woche in Hamburg ausprobieren konnte. Es scheint, als hätte Fujifilm die Idee der, sagen wir, Analogigkeit, wirklich konsequent zu Ende gedacht. Christine schreibt:
Mit der X half um die Elphi
"Die Fujifilm X half ist eine winzige Kamera für alle die gern fotografisch experimentieren wollen. Der Sensor ist allerdings kein Halbformat, was ja einem APS-C entsprechen würde, sondern ein 1-Zoll-Sensor, also weniger als die Hälfte davon. Das ist aber bei der angestrebten Zielgruppe eher unproblematisch, denn neben Instax-Nutzern, die gern mehr wollen, als Sofortbilder sind hier vor allem junge Menschen im Fokus: Smartphone-Nutzer, Fans kleiner Retro-Digitalkameras und solche, die gern analog fotografieren, aber Zeit und Kosten für die Filmentwicklung dauerhaft scheuen. Für diese Zielgruppen ist die kleine X half ein spielerisches Gesamtpaket. Fujis Filmsimulationen werden durch Filter ergänzt, die Spiegelungen, Unschärfen, Farbränder oder Vignetten ins Bild bringen. Übertriebene Kontraste, poppige Farben, wer spielerisch die Welt entdecken und festhalten möchte, kann sich mit dem kleinen Leichtgewicht austoben.
Und wer sich lieber überraschen lässt, der legt einen virtuellen Film ein. So kann man beispielsweise Fujis Etherna-Film mit 32 Bildern verwenden. Einmal eingelegt lässt er sich nicht mehr wechseln, man muss ihn durchfotografieren. Auslösen, Transporthebel betätigen, neues Motiv suchen. Eine Rückschau gibt es nicht, denn ein Film muss ja erst entwickelt werden. Dafür wird die Kamera mit dem Smartphone verbunden, wo die X-half-App als digitaler Entwickler fungiert. Der Film wird ausgewählt und abgegeben, dann kann der Nutzer zusehen, wie ein Bild nach dem anderen auf dem digitalen Negativfilm in ein Positiv verwandelt und ausgegeben wird. Anschließend können die Bilder geteilt oder gedruckt werden.
Ein nettes Szenario hat sich Fujifilm da ausgedacht, was für manche erfahrene Fotografen jedoch nicht ernstzunehmen sein dürfte. Die Crux liegt im Sensor, der kein Raw liefert und dazu sehr klein ist. Starke Vergrößerungen oder hohe ISO-Werte halten die Bilder nicht aus. Wer sie aber auf seinem Instax-Drucker ausgibt und an den Kühlschrank hängt, wird Freude daran haben, falls ihn die 800 Euro für die kleine Kompaktkamera nicht abschrecken."
Soweit ein erster Erfahrungsbericht, ein vollständiger Test erscheint demnächst auf der Seite der c't Fotografie. Was Christine da am Ende erwähnt, sehe auch ich als den größten Kritikpunkt der X half: den Preis. 800 Euro sind allein für ein Lernspielzeug viel zu viel, und für die gebotene Bildqualität erst recht. So manches Smartphone kommt zum ähnlichen Preis auch mit 1-Zoll-Sensor daher – auch wenn der dann hochkant nicht voll genutzt wird – und kann neben Fotografieren noch viel mehr. Das analoge Feeling gibt es, etwa auf dem Gebrauchtmarkt, für kleineres Geld, klar: Da muss man dann wirklich länger aufs Entwickeln warten und das, ebenso wie die Filme, auch bezahlen. Vielleicht hat Fuji da aber wirklich eine neue Kategorie geschaffen, eben analoge Bedienung mit digitalem Endergebnis.
13 Cine-Festbrennweiten von Sigma
Eine etablierte, aber für die meisten Fotografen ebenso exotische Kategorie bedient demnächst Sigma: Die "Large Format Cine-Objektive", also das sündteure Glas, mit dem anspruchsvolle Kinofilme ihren typischen Look erhalten. Minimale Schärfentiefen, natürlich manuell fokussiert, bei Bedarf knackige Schärfe, die auf der großen Leinwand jeder Pore im Gesicht einer Person zeigt. Und, auch das gehört für Viele dazu: Sensorrauschen oder Lens Flares werden gnadenlos ins Endergebnis transportiert.
Dem Namen der japanischen Region ihrer Herstellung, Aizu, verdankt die neue Objektivlinie auch ihre Bezeichnung. Ganze 13 Geräte will Sigma anbieten, alle technischen Daten hat das Unternehmen bereits größtenteils veröffentlicht. Die Brennweiten reichen von 18 bis 125 Millimeter, und die Anfangsblendenöffnung liegt bei allem Optiken bei T1,3. Das braucht viel Glas, schon bei 25 Millimetern sind es 1,7 Kilo, aber: Durch die einheitliche Konstruktion schwankt von dieser Brennweite bis zu 75 Millimetern das Gewicht nur um jeweils 100 Gramm – wichtig für Gimbals und Kräne, die dann nur leicht nachjustiert werden müssen.
Die Objektive werden für Sonys E-Mount und das PL-Bajonett angeboten, übermitteln dort auch Daten an die Kamera (Zeiss Extended-Data per PL), und kommen in zwei Wellen auf den Markt: Die ersten acht Modelle mit 25 bis 75 Millimeter Ende des Sommers 2025, die fünf weiteren später – wann, sagt Sigma noch nicht genau. Und auch die Preise behält das Unternehmen noch für sich, gemunkelt wird, dass sie bei etwa 8000 US-Dollar beginnen. Das ist in diesem Segment keine überzogene Forderung, falls die Optiken in ihrer Qualität wirklich mit etwa Arri oder Zeiss konkurrieren können.
Warum die Nikon F so erfolgreich wurde
Bis zum Z-Mount der spiegellosen Nikons arbeitete ein halbes Jahrhundert fast jede Systemkamera der Marke mit dem F-Mount. Und auch auf die Z-Kameras lassen sich die F-Objektive adaptieren. Dieses Bajonett wurde mit der Nikon F bereits 1959 eingeführt, die Kamera selbst dann ganze 14 Jahre lang gebaut – das schafft heute wohl kein noch so innovatives Gerät mehr. Warum die Nikon F, entgegen dem üblichen Klischee, nicht nur als Reportagekamera so erfolgreich war und Maßstäbe setzte, hat Knut Gielen in unserem Artikel "Kameraklassiker Nikon F – Beginn einer Ära" wunderbar erklärt. Daher ist das Stück auch die Empfehlung für einen Long Read zum Pfingstwochenende.
(nie)