Speziell mit der Verbreitung von ChatGPT, Claude und Co. ist der Stromverbrauch stark angestiegen. Darum und weil der Bedarf nach unabhängigen Energiequellen ebenfalls wächst, tüfteln verschiedene Start-ups daran, Strom effizienter zu nutzen und neue Energiequellen zu erschließen oder effizienter zu verwerten. Doch es braucht mehr, um die Unabhängigkeit in der Energieversorgung zu erreichen und wieder mehr Innovationen aus Deutschland auf den Markt zu bringen. Darüber sind sich die Diskutanten auf der Start-up-Konferenz "Hinterland of Things" einig.
Christian Schmierer von Hyimpulse, einem deutschen Luft- und Raumfahrtunternehmen, erklärte im Panel "Power Play: Wie die Energieinfrastruktur Deutschlands globale Technologie-Ambitionen gestaltet", auf der Start-up-Konferenz ", wie er der europäischen Raumfahrtindustrie und dem Militär wieder "einen Zugang zum All" ermöglichen will. Im vergangenen Jahr seien drei von fast 300 Raketen von Europa aus gestartet. Im vergangenen Jahr hatte das Start-up eine deutsche Trägerrakete mit Paraffin als Treibstoff medienwirksam gestartet.
Deutschland idealer Standort für Hightech
Die Produktion ist Schmierer zufolge bisher "nicht besonders energieintensiv". Sobald es allerdings in die Serienproduktion gehe, ändere sich das. "Wir sehen hier das Problem bei Sozialabgaben und so weiter, weil wir besonders viel Personal brauchen und auch Fachkräfte aus dem Ausland [...] Aber insgesamt ist Deutschland natürlich ein idealer Standort für Hightech", so Schmierer. Von der Regierung wünscht er sich verlässliche Rahmenbedingungen. Das Zusammenspiel aus Rechtssicherheit und finanzieller Stabilität sei entscheidend, damit Europa im internationalen Raumfahrtwettbewerb bestehen kann. Sobald etwas entschieden sei, müsse es außerdem zügig umgesetzt werden. Zwar habe die Regierung noch hastig ein Weltraumgesetz durchboxen wollen, allerdings sei das glücklicherweise nicht passiert. Zudem komme ohnehin ein europäisches Weltraumgesetz.
Der Start und die Geschichte dazu seien laut Natalie Kreindlinda von der Kommunikationsberatung "Kekst CNC" ein Paradebeispiel dafür, wie wichtig die öffentliche Wahrnehmung für Start-ups ist, speziell in einer so regulierten Branche wie der Energiewirtschaft. Mit Hyimpuls habe das gut funktioniert, weil sich alle für die "coole Rakete" interessiert haben, die mit Kerzenwachs betrieben wird.
Christian Vollmann von C1 fordert, dass der Staat nicht schon die Lösung für ein Problem vorschreibt, sondern lösungsoffener ausschreibt. C1 haben sich die Produktion von kostengünstigem grünem Methanol zum Ziel gesetzt, einem Stoff, mit dem sich Container- und Kreuzfahrtschiffe betanken lassen. Grünes Methanol soll auch in der Luftfahrt (als SAF) und der chemischen Industrie (als Grundstoff für zahlreiche Produkte) eine Rolle spielen. Dabei ginge es nicht nur um "Grün", sondern auch um Resilienz. "Für jede Tonne, die wir Methanol grün herstellen können aus CO₂, müssen wir weniger Gas und Öl aus dem Ausland importieren und das macht uns unabhängiger, auch im Verteidigungsfall. Und da spielt der Staat natürlich eine entscheidende Rolle", so Vollmann. Jochen Ziervogel von Enpal hingegen wünscht sich komplett smarte, miteinander kommunizierende Stromnetze. Um das in Zukunft zu realisieren, müsse ein gemeinsamer, lösungsorientierter Dialog geführt werden.
Investitionen in die Chipindustrie in Europa
Damit Europa auch in der Halbleiterindustrie eine Chance hat, sind laut Teilnehmern des Panels "Reduzierung von Abhängigkeiten und Risiken: AI Computing made in Europe" höhere Investitionen nötig. Zwar helfen Initiativen wie das europäische Chip-Gesetz, allerdings sei das noch zu wenig. Hierzulande gelten als größte Investitionen insgesamt 40 Milliarden in die Intel-Werke in Magdeburg und in die geplante TSMCs Niederlassung in Dresden (ESMC), für die noch das Gelände vorbereitet wird. In Europa gibt es laut Sebastian Schall von Black Semiconductor gerade einen großen Paradigmenwechsel in der Computertechnik. "Jeder weiß, dass man die Chips anders vernetzen muss, um die Rechenleistung zu steigern – mit optischen Verbindungen", so Schall. In diesem Bereich eröffne sich ein völlig neues Feld, das Europa bedienen könne. Daher seien Investitionen nötig, so auch Aron Kirschen von dem Start-up Semron, das in Dresden gegründet wurde und intelligente KI-Chips entwickelt. In den USA wird viel in die Chipindustrie investiert.
Energie muss bezahlbar bleiben
Die Energiewende braucht mehr Tempo, Pragmatismus und Investitionen, sind sich die Experten auf der Hinterland of Things-Konferenz einig. Das ist auch zentrales Thema des Panels "Von der Energiewende zum Wettbewerbsvorteil: Skalierung sauberer Technologien zur Sicherung der industriellen Zukunft Deutschlands" wurde dies ebenfalls betont: "Die Energiewende hat ja verschiedene Komponenten. Das eine ist tatsächlich die Energieproduktion. [...] die technologische Führerschaft im Bereich Photovoltaik und Wind ist verloren gegangen", so Dr. Hendrik Brandis von der Investment-Firma Earlybirds. Dennoch gebe es "andere Produktionsverfahren von sauberer Energie, die wir brauchen", bei denen sei "die Führerschaft [...] noch nicht klar verteilt" sei. Verschiedene Start-ups liegen im Bereich Kernfusion, vier davon in Deutschland. Dabei nannte er Marvel Fusion, das nach eigenen Angaben von einem Laser spricht, der "den Kraftstoff mit hoher Energie [trifft], um den Fusionsprozess einzuleiten".
"Es gibt weitere Kandidaten für saubere Energieproduktion, dazu gehört tiefe Geothermie", so Brandis. Beim dritten Kandidaten handele es sich um "orbitale Photovoltaik, Hauptthema ist dabei Energietransmission und wie bringe ich die zurück auf die Erde". In all diesen Bereichen besteht laut Brandis das "Potential für technologische Führerschaft, so wie wir sie in der Photovoltaik mal hatten". Neben Methoden wie vom Start-up Greenlyte, das nach eigenen Angaben "CO2 aus der Atmosphäre entfernt und dabei grünen Wasserstoff produziert", nannte er für den Bereich Energiespeicher das Start-up Terralay, das eine Cloud-Plattform für den Energiemarkt bauen will.
Deutschland soll selber bauen
Auf die Frage von Panel-Moderator Uwe Jean Heuser von der Zeit, was Greenlyte von anderen "Direct Air Capture"-Firmen unterscheidet, antwortete Florian Hildebrand von Greenlyte: "Also wir holen CO₂ aus der Luft, reinigen die Luft und erstellen am Ende den chemischen Energiespeicher, der dann zum Beispiel wieder genutzt werden kann, wenn die Sonne nicht mehr scheint". Mit Blick auf die Energiewende in Deutschland gebe es einerseits die Fragen nach dem Aufbau der Energieproduktion und andererseits die Frage, wie von der Wertschöpfung profitiert werden könne. "Und wenn man sich das anschaut, [...] was wir machen, oder die ganzen anderen Firmen, dann ist einfach ein unglaublich hoher Wertschöpfungsbereich im Anlagenbau", so Hildebrand. 60 bis 70 Prozent des entstehenden Wertes liege "im Anlagenbau, in den Komponenten und so weiter. Und die kommen heute noch aus Deutschland und deswegen ist es einfach wichtig, dass wir da auch zeigen, dass wir es machen".
Energiewende braucht Investitionen
Stephan Segbers von Rheinenergie ist sich sicher, dass es mit Katharina Reiche (CDU) als Energie- und Wirtschaftsministerin einen Paradigmenwechsel gibt, weg "von einer eher dogmatischen Energiewende in der vergangenen Legislaturperiode". In die Infrastruktur müsse investiert werden und nicht nur in Abhängigkeit von der amtierenden Regierung. Daher sollte über einen viel längeren Zeitraum Klarheit geschaffen werden. Nur so gelinge die Energiewende. Wichtig sei laut Segbers, beim Energie-Dreieck und das Thema Bezahlbarkeit, "aber auch Versorgung, Sicherheit und Energieautarkie" wieder stärker in den Fokus zu stellen.
Nach den von den Grünen vorangetriebenen 100 Milliarden-Euro-Investitionen für Klima- und Landwirtschaft befragt, antwortete Segbers, dass die Mittel auch für die Entwicklung neuer Technologien investiert werden, etwa "um den ersten Prototyp eines Fusionsreaktors nach Deutschland zu holen [...] es ist an dieser Stelle fast wichtiger, die Basistechnologie zu entwickeln, als noch mehr Geld in das Ausrollen bekannter Technologien, ich meine insbesondere die erneuerbaren, zu kümmern, die, je weiter wir sie ausrollen, einfach Stärke an Effizienz verlieren". Mit der Energiewende hätten auch die Netze besser ausgebaut werden müssen und in Speichertechnologien investiert werden müssen. Zum Vorhaben der Wirtschaftsministerin, wieder Gaskraftwerke bauen lassen zu wollen, erklärte Segbers, dass es eine Übergangslösung sei, solange keine anderen grundlastfähigen Alternativen zur Verfügung stünden, wenn es nicht Kernenergie oder Kohle sein sollen.
Begeisterung für Erneuerbare sinkt bei Konsumenten, weil teuer
Aktuell beobachte Segbers, dass die Begeisterung für erneuerbare Energien abnehme, was mit den Kosten zusammenhänge. Die Produkte müssten für den Kunden ökonomisch attraktiv sein. "Ich glaube, der grüne Impetus hat nicht abgenommen", so Segbers, allerdings habe die Realität gezeigt, dass die "Energiewende, so wie wir sie jetzt betrieben haben, irgendwann unbezahlbar wird [...] Wir [...] wollen Netzentgelte subventionieren und dergleichen. Das kann man vorübergehend machen, aber nicht dauerhaft". Das Thema Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit müsse in den Vordergrund gestellt werden.
Zu den Vorwürfen, dass klassische Energieversorger gerne mal auf die Bremse treten, was neue Technologien angeht, sagte Segbers, dass zu Beginn der Jahrtausendwende häufig geglaubt wurde, dass das nur eine Phase sei. "Und da haben [...] alle sehr, sehr teuer für bezahlt, muss man auch ehrlich sagen, also rein ökonomisch gesehen, aber auch moralisch. Und ich kann das heute gar nicht mehr feststellen", so Segberg. Das könne er inzwischen nicht mehr feststellen. Dabei verwies er auch auf die Batterien mit großer Speicherkapazität, die in Arbeit sind. Alle Energieversorger hätten ein Interesse daran, die Energiewende voranzubringen. Für die Zukunft sei es insgesamt wichtig, sich nicht nur auf einen Aspekt zu konzentrieren, denn dann werde es teuer.
Brandis hofft, dass es in zehn Jahren eine saubere Energiequelle neben den Erneuerbaren gibt. Er wünscht sich, dass der erste Fusions-Prototyp-Reaktor in Deutschland steht. Eine weitere Hoffnung sei, schneller große Stromtrassen auszubauen, "um tatsächlich auch die erneuerbaren Energien effizienter verteilen und nutzbar zu machen". Hildebrand wünscht sich ebenfalls schnellere Genehmigungen, etwa beim Bau einer Wasserstoffanlage in einem Chemiepark. Ebenso setzt er auf die Unabhängigkeit durch die dezentrale Versorgung mit kleineren Netzen. Alle Beteiligten sprachen sich zudem für eine bessere Speicherinfrastruktur aus.
(mack)