»Es ist nicht übertrieben, von einem Akt kulturferner Ignoranz zu sprechen«, so Weimer. Die simple Gleichung, weibliche Nacktheit sei per se sexistisch und habe in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, wirke wie das Credo eines jakobinischen Bildersturms. »Sein modernes Pendant, der Shitstorm, gehört mittlerweile zum festen Inventar radikal-feministischer, postkolonialer, öko-sozialistischer Empörungskultur.«
»In einem gesellschaftlichen Klima, dessen Taktung von linkem Alarmismus vorangetrieben wird, scheint vorauseilender Gehorsam, Bevormundung und Sprachwächtertum die Ultima Ratio zu sein«, schrieb Weimer. »Aber auch die rechten und rechtsradikalen bis rechtsextremen Kulturkampfreflexe lassen nichts an Engstirnigkeit vermissen.« Als Beispiel nannte er die Entlassung einer Lehrerin in Florida, die ihren Schülern den unbekleideten David von Michelangelo gezeigt habe.
»Sowohl linke als auch rechte Eiferer trauen weder der Freiheit der Kultur noch der Kompetenz des Bürgers, sich in aller Freiheit ein eigenes Urteil zu bilden«, glaubt der Kulturstaatsminister: »Wenn die Künste im Namen eines neuen Tugendterrors kanonisiert werden, gängelt man ja nicht nur die Künstler, vor allem bevormundet man die Adressaten.«
Die liberale Antwort laute, keinen politischen Einfluss zu nehmen, sondern die Freiheit der Kunst zu verteidigen. »Die Korridore des Sagbaren, Erkundbaren und Darstellbaren möglichst weiten, anstatt sie zu verengen«, meinte Weimer.