"Wir spielen, wo wir leben": Bolivien und sein umstrittenes Stadion auf 4150 Metern

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Wer Bolivien in der WM-Qualifikation schlagen möchte, muss hoch hinaus. In ein Stadion auf 4150 Metern, das Gegnern aufgrund der dünnen Höhenluft Probleme bereitet und deshalb in der Kritik steht.

 Das Estadio Municipal in El Alto.

Hoch hinaus: Das Estadio Municipal in El Alto. imago images/Agencia EFE

Wer im Estadio Municipal in El Alto auf den Rängen sitzt, kann gar nicht anders, als die Besonderheit an diesem Spielort zu erkennen. "4150 Meter" prangt in großen Buchstaben auf dem Rasen der Spielstätte, in der am Donnerstag die bolivianische Nationalmannschaft ihrem Gegner mal wieder das Leben schwer machen möchte - im wahrsten Sinne.

Denn das Stadion ist neuerdings die offizielle Spielstätte Boliviens und stellt aufgrund seiner Lage inmitten der Anden auf ebenjenen 4150 Metern und der dünnen Luft, die dort herrscht, sämtliche Gegner vor große Herausforderungen. Anfang September bekam Venezuela im Rahmen der WM-Qualifikation die Höhenluft schmerzhaft zu spüren, mit 0:4 kam der Favorit in El Alto unter die Räder. Daran konnten weder Atemübungen noch eine Vorbereitung in Sauerstoffkammern etwas ändern.

Schon zuvor auf über 3500 Metern

Bislang hatte Bolivien seine Pflichtspiele stets in La Paz ausgetragen, auf 3637 Metern im höchstgelegenen Nationalstadion der Welt. Schon das war umstritten. Dass es das Team nun noch deutlich höher hinaus zieht, hat laut Oscar Villegas einen einfachen Grund: Weil das frisch renovierte Stadion im nur wenige Kilometer entfernten El Alto so schön und der Rasen so gut sei, so der Nationaltrainer. Oder, weil das einen enormen Vorteil bringt, wie viele Gegner sagen?

"Se juega donde se vive", lautet die trotzige Antwort der Bolivianer, die unter der Höhenmarke auf dem Rasen steht. "Wir spielen da, wo wir leben", heißt das frei übersetzt. Doch der Verband hätte durchaus auch andere Möglichkeiten. Santa Cruz de la Sierra, mit fast zwei Millionen Einwohnern die größte Stadt des Landes, liegt auf nicht einmal 500 Metern, das größte Stadion dort bietet 38.000 Plätze.

Immer wieder Überraschungen - und Kritik

In der WM-Qualifikation hat das Team dort aber seit fast 40 Jahren nicht mehr gespielt - aus gutem Grund: Während Bolivien bis zum 2:1-Sieg in Chile (auf lediglich knapp 600 Metern) zuletzt auswärts 30 Jahre lang ohne Sieg in der Quali blieb, gab es daheim Überraschungen wie gegen Argentinien 2009 (6:1) und 2017 (2:0) oder das 2:1 gegen Brasilien Ende 2009.

Bolivien empfängt Kolumbien

Ein neues Phänomen sind die Diskussionen um Boliviens vermeintlichen Heimvorteil nicht. Schon 2006 hatte die FIFA Partien auf über 2500 Metern verboten, der Aufschrei im Anschluss war groß. Der damalige Präsident Evo Morales sprach von Diskriminierung und einer "Fußball-Apartheid", sein Freund Diego Maradona reiste an und trat mit immerhin 47 Jahren noch einmal gegen den Ball, um die Botschaft zu senden: Wenn ich das kann, können andere das auch. Wenig später hob die FIFA ihr Verbot auf.

Messi übergab sich wegen der Höhe in der Kabine

Die Kritik indes blieb. Brasiliens Superstar Neymar nannte die Bedingungen in La Paz 2007 "unmenschlich" und veröffentlichte ein Foto, auf dem seine Teamkollegen nach Schlusspfiff mit Sauerstoff versorgt wurden. Argentiniens Superstar Lionel Messi soll sich einst in der Kabine übergeben haben. 2019 brach ein Schiedsrichter bei einem Ligaspiel in El Alto zusammen und starb. Wegen der Höhe? Unklar.

Inmitten der bolivianischen Anden liegt El Alto.

Inmitten der bolivianischen Anden liegt El Alto. IMAGO/Dreamstime

Nun muss also Kolumbien die schwierige Reise in die Anden antreten. Seit Tagen befindet sich die Mannschaft um Liverpools Luis Diaz und James Rodriguez schon in Bolivien, versucht sich im auf 2500 Metern gelegenen Cochabamba zu akklimatisieren und auf die widrigen Bedingungen vorzubereiten. Das ist auch nötig, spielt man zuhause doch für gewohnt auf Meereshöhe.

Trainer Nestor Lorenzo hat vorgesorgt und für die anstehenden zwei Partien (am 15. Oktober geht es zuhause gegen Chile) einen Riesenkader mit 29 Spielern nominiert. Darunter befinden sich vermehrt Akteure als gewohnt, die mit ihren Klubs beispielsweise in Mexiko auf besonderer Höhe spielen. Auf über 4000 Metern ist aber noch keiner von ihnen angetreten.

kmx

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