Erstmals seit Beginn seiner zweiten Amtszeit verhängt US-Präsident Trump Sanktionen gegen Russland, parallel tritt das 19. Sanktionspaket der EU in Kraft. „Trump und Europa gegen Putin – hat die Ukraine wieder eine Chance?“, fragt Maybrit Illner am Donnerstagabend. Die ZDF-Sendung in der TV-Kritik.
Die Gäste
- Norbert Röttgen (CDU), stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender und Außenpolitiker
- Andrij Melnyk, ständiger Vertreter der Ukraine bei den Vereinten Nationen und ehemaliger Botschafter in Deutschland
- Hannah Neumann (Grüne), Sprecherin für Außen- und Sicherheitspolitik der Grünen-Fraktion im EU-Parlament
- Reinhard Merkel, emeritierter Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg
- Frederik Pleitgen, Journalist bei „CNN“
Trump ist auf einmal Hoffnungsträger
Ist Trump bloß mit dem richtigen Fuß aufgestanden, oder wurde es ihm mit Putin zu bunt? Was auch immer den US-Präsidenten bewogen hat, nach Monaten des Nichtstuns nun Russlands größte Ölfirmen zu sanktionieren – im Studio von Maybrit Illner kommt seine Entscheidung jedenfalls gut an.
„Ich weiß nicht, ob das eine dauerhafte Positionierung ist“, gibt sich CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen anfangs noch etwas zurückhaltend. Dann purzeln die Adjektive nur so: Strategisch, schwerwiegend, hochwirksam und gewaltig nennt Röttgen Trumps Sanktionsentscheidung, in der er einen „Kurswechsel“ erblickt. Zum ersten Mal komme der Westen „aus dem Reaktionsmodus in einen Aktionsmodus hinein“, lobt der CDU-Politiker.
Die Grünen-Europaabgeordnete Hannah Neumann sieht eine „große Chance“, dass die Europäer die USA „mitziehen“ könnten. So unzuverlässig Trump nun einmal sei, „er möchte auch nicht hinter den Europäern zurückbleiben“, behauptet Neumann. Sonderlich plausibel scheint diese These nicht, schließlich hatte Trump bisher stets die Füße hochgelegt, wenn es um Maßnahmen gegen Putin ging.
Deutlich skeptischer zeigt sich CNN-Korrespondent Frederik Pleitgen, ähnlich wie Röttgen ein Talkshow-Stammgast. Trump lasse „wieder ein Hintertürchen offen“, um die Sanktionen zurückzunehmen, sagt Pleitgen. Der US-Präsident hatte nach der Verkündung der Sanktionen sogleich die Hoffnung geäußert, dass diese nicht lange in Kraft bleiben müssten. In Moskau, so Pleitgen, glaube man weiterhin daran, den US-Präsidenten auf seiner Seite zu haben.
Wo ist der Störenfried hin?
Mit von der Partie ist an diesem Abend der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk. Zu Beginn der Sendung blickt er etwas orientierungslos in die Kamera, die ihn im Innern eines Autos zeigt. Da Melnyk im Stau stand und es nicht rechtzeitig ins Studio schaffte, ist er von dort aus zugeschaltet, klärt Illner die kuriose Situation auf.
Melnyk, der Altkanzler Scholz einst als „beleidigte Leberwurst“ bezeichnet und angedroht hatte, sich zu erschießen, sollte Ex-SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich Außenminister werden, gibt sich an diesem Abend diplomatischer denn je.
Man wäre den „europäischen Freunden“ und „auch dem Bundeskanzler“ sehr dankbar, wenn sie eine „kreative Lösung“ fänden, um der Ukraine eingefrorenes russisches Vermögen zur Verfügung zu stellen, sagt Melnyk. Merz „versucht auch, eine Führungsrolle zu spielen“, bemerkt der Ex-Botschafter anerkennend.
Das sind ganz andere Töne, als man sie vom einstigen Störenfried Melnyk gewohnt ist. Offenbar hat sich der mittlerweile als UN-Botschafter tätige Ukrainer zu einem Strategiewechsel entschieden. Selbst gegenüber dem ehemaligen Rechtsprofessor Reinhard Merkel, der in der Sendung die Kriegsführung der Ukraine kritisiert, zeigt sich Melnyk konziliant.
„Ich bin nicht einverstanden mit vielen Konzepten von Ihnen“, sagt er an Merkel gerichtet. In einem habe der Jurist jedoch recht: Es sei angebracht, dass die Europäer selbst ein Konzept für Verhandlungen vorlegten, statt bloß die „Achterbahn der Emotionen“ zwischen den USA und Russland mitzuverfolgen.
Details statt Diskussion
So gesittet wie an diesem Abend geht es in einer Talkshow selten zu. Das liegt zum einen daran, dass die Befürworter einer militärischen Unterstützung der Ukraine klar in der Überzahl sind. Es hat aber auch mit Reinhard Merkel zu tun, dem einzigen Gast, der eine andere Position vertritt.
Als es um das noch nicht umgesetzte Vorhaben der EU geht, in Belgien lagerndes eingefrorenes russisches Vermögen zu nutzen, um der Ukraine finanziell unter die Arme zu greifen, bleibt Merkel beharrlich auf der Sachebene.
Der Rechtswissenschaftler erklärt en detail die Funktionsweise des Mechanismus, mit dem die EU Zugriff auf das Geld bekommen will, anstatt diesen zu kritisieren. Die anderen Gäste befürworten anschließend der Reihe nach die Beschlagnahmung des Vermögens, von Debatte ist noch keine Spur.
Kontrovers wird es erst, als Merkel wieder das Wort erhält. „Noch keine Großmacht in den letzten 50 Jahren“ habe für die von ihr geführten Aggressionskriege Reparationen gezahlt, sagt Merkel – „und Großmächte gewinnen ihre Kriege“. Wenn man Russland trotzdem dazu bringen könne, sei das ein Gewinn für das Völkerrecht.
Aber „der nächste Aggressionskrieg der Amerikaner, mit dem man leider rechnen muss, wird selbstverständlich ohne Reparationszahlungen hinterher stattfinden“, mutmaßt Merkel in Anspielung auf den Irak-Krieg. Dadurch entstünden unterschiedliche Standards für den Westen und den globalen Süden.
Zwischen Atomkrieg und Viehmarkt
„Ich habe ihren Einwand überhaupt nicht verstanden“, hält Röttgen Merkel vor. Der Professor räume Russland ein „Großmachtprivileg“ ein, anstatt das Völkerrecht zu betonen, kritisiert Röttgen. Merkel hält dagegen: Die Wiederherstellung des Völkerrechts sei wünschenswert, aber „aussichtslos“.
Eine weitere Debatte entsteht rund um das Thema Gebietsabtretungen. Merkel lehnt, ebenso wie die anderen Gäste, Gebietsabtretungen der Ukraine etwa im Donbass nach dem Motto „Land gegen Frieden“ ab. Er fragt aber auch, wie lange der Krieg noch dauern solle, um dann einzuwenden: „Man kann aber eine Atommacht nicht besiegen ohne den Preis eines nuklearen Konflikts“.
Statt weiter auf einen militärischen Sieg zu setzen, solle die EU dafür eintreten, die von Russland besetzten Gebiete in einen eigenen Staat umzuwandeln, der mit Sicherheitsgarantien geschützt werde.
Unter welchen Bedingungen man sich auf Verhandlungen einlasse und was dabei herauskomme, könne nicht im Vorhinein entschieden werden, kommentiert Melnyk die Diskussion an anderer Stelle: „Wir sind ja nicht auf einem Viehmarkt.“

vor 16 Stunden
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