William F. Buckley: Dieser Mann hat Amerika nicht nur Reagan gegeben, sondern auch Trump

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Es gibt immer wieder Konservative, die Bremsen lockern, in voller Fahrt ultrarechts abbiegen und am Ende aus der Kurve fliegen. In Deutschland war dies in den Siebzigerjahren Armin Mohler, in den Vereinigten Staaten William F. Buckley. So wegweisend Mohler in Richtung AfD war, so antreibend war Buckley für den radikalen Rechtsschwenk der Republikaner bis zur heutigen MAGA-Bewegung. Eine Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie als Publizisten Einfluss nahmen und nie politische Ämter bekleideten, wobei Buckley das einmal anstrebte und als Moderator einer politischen Fernsehshow ein größeres Publikum erreichte. Während Mohler, der mit dem Etikett Faschist kokettierte, also ein der breiteren Öffentlichkeit unbekannter Außenseiter blieb, war Buckley trotz seiner radikalen Allüren (und elitären Marotten) ein TV-Star.

Die Etappen seines Aufstiegs kann man stichwortartig auflisten: Geboren 1925 als Sohn eines Ölmagnaten, katholisch erzogen und Befürworter der lateinischen Messe, musikalisch und sportlich begabt; Wehrdienst im Krieg, Yale-Absolvent mit Auszeichnung, CIA-Agent, Anhänger des Senators Joe McCarthy und seiner Hetzjagd auf tatsächliche und vermeintliche Kommunisten; 1955 Gründer der bis heute bestehenden Zeitschrift „National Review“, die an sich gegensätzliche Strömungen des Traditionalismus, Libertarianismus und Antikommunismus amalgamierte; 1964 Unterstützer der Präsidentschaftskandidatur des ultrarechten Senators von Arizona, Barry Goldwater, 1965 gescheiterter Bürgermeisterkandidat der Conservative Party in New York, 1966 bis 1999 Host des am längsten ausgestrahlten politischen Magazins „Firing Line“ bei PBS, Verfasser unzähliger Kolumnen und passionierter Debattenredner (u. a. gegen Gore Vidal und James Baldwin); Unterstützer von Ronald Reagan (und wie er ein Entertainer); Netzwerker in allen konservativen Milieus und gelegentlicher Freund liberaler Intellektueller, darunter Kommunisten; Verfasser mehrerer Memoiren und Objekt mehrerer Biographien.

In der über tausend Seiten starken Biographie von Sam Tanenhaus mit dem Titel „Buckley. The Life and the Revolution That Changed America“ wird die Präsidentschaft des heute noch (und wieder) populären Reagan als der „Goldklumpen“ dargestellt, welcher der Sage nach am Ende des Regenbogens zu finden ist. Buckley und Co. hatten ihn gegen den liberalen Zeitgeist ausgesandt, jetzt scheint mit Donald Trump die noch radikalere Rechtswende der Republikaner erreicht zu sein.

Das Skript für Trumps Überfall auf die akademische Freiheit

Buckley, im persönlichen Umgang mit schwarzen Bediensteten jovial, befürwortete die Jim-Crow-Segregationsgesetze in den Südstaaten. Zugleich verachtete er den ultrarechten Demokraten und Gouverneur von Alabama, George Wallace. 1967 fragte er rhetorisch, „ob die weiße Gemeinschaft im Süden das Recht hat, Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um in Gebieten, in denen sie zahlenmäßig nicht überwiegt, politisch und kulturell die Oberhand zu gewinnen. Die ernüchternde Antwort lautet: Ja – die weiße Gemeinschaft ist dazu berechtigt, weil sie derzeit die fortschrittliche Rasse ist.“

 „Buckley“. The Life and the Revolution That Changed America.Sam Tanenhaus: „Buckley“. The Life and the Revolution That Changed America.Random House

Im Übrigen war Buckley ein fanatischer Antisemit wie Charles Lindbergh, der Atlantik-Flieger und Erfinder von „America first“, der gegen den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg war – und wenn, dann eher an der Seite Hitlers gegen Stalin. Buckleys erstes, sogleich skandalfähiges Buch „God and Man at Yale“ ist mutatis mutandis das Skript für Donald Trumps und J.D. Vance’ Überfall auf die akademische Freiheit, und seine lebenslange Rechtfertigung des McCarthyismus ist die Blaupause für die wüsten Säuberungen von Elon Musks DOGE.

Was das historische Urteil über den Heißblütler stets mildert, sind seine Einladungen zu Debatten mit exponierten Gegnern wie Eldridge Cleaver und Muhammed Ali. Buckley war ein konservativer Performer, der mit seinen Auftritten den Konservatismus in Zeiten liberaler Hegemonie am Leben hielt. Dann aber flog er, wie eingangs angedeutet, aus der Kurve. Schon die Debatten mit James Baldwin (auf fremdem Terrain in Cambridge, UK) und mit Gore Vidal (1968 in ABC News) hatte er nach unabhängigem Urteil haushoch verloren. Später nahm er einige seiner Maßlosigkeiten zurück und war nicht länger eine Marke in der öffentlichen Debatte.

­Buckley klopfte an den Eingang zur Hölle

Das hat mit dem Medienwandel der letzten Jahrzehnte zu tun, die an einer nicht zuletzt von Buckley unter Beweis gestellten Streitkultur keinerlei Interesse mehr zeigt, schon wegen der radikal geschrumpften Aufmerksamkeitsspanne, des Subtilitätsverlusts der Sprache und der Marginalisierung anspruchsvoller Printmedien und TV-Debatten. Im ­MAGA-Lager gibt es kaum eine seriöse Literatur zur konservativen Weltanschauung, auch Liberale und Linke goutieren lieber die eigene Identität stärkende Häppchen und buhen Außenseiter und Grenzgänger aus.

Dennoch: Buckley hat Amerika nicht nur Reagan gegeben, sondern auch Trump. Denn er befürwortete (wie Peter Thiel und andere Tech-Milliardäre) die Elitendemokratie, die Ungebildeten kein Recht auf Beteiligung zuspricht. Er sympathisierte mit der südafrikanischen Apartheid und bekämpfte „schwarzen Rassismus“ (in der Spielart von Elon Musk), und er hielt (wie derzeit der Yale-Absolvent J.D. Vance) an seiner im Yale-Buch geäußerten Weltsicht fest: „Ich glaube, dass das Duell zwischen Christentum und Atheismus das wichtigste in der Welt ist. Ich glaube auch, dass der Kampf zwischen Individualismus und Kollektivismus derselbe Kampf ist, der sich auf einer anderen Ebene abspielt.“

Das ist der Boden des Neo-McCarthyismus der Säuberungen an US-Universitäten und der disruptiven Entbürokratisierung Trumps, der Ronald Reagans Diagnose, der Staat sei nicht die Lösung, sondern das Problem, nun mit der Kettensäge umsetzt. Der in Harvard lehrende Historiker Louis Menand hat Buckleys Leben und Werk im „New Yorker“ so bilanziert: „Da die Demokratie so ziemlich die Essenz des amerikanischen Experiments ist, kann man wohl sagen, dass Buckley im Grunde antiamerikanisch war. Das ist oft der Fall bei Leuten, die eine große Show des Patriotismus veranstalten. Wir können ‚Amerika wieder groß machen‘ – wenn wir nur den ordentlichen Prozess, die gerichtliche Überprüfung, die Gewaltenteilung, das Recht auf Staatsbürgerschaft oder die Pressefreiheit abschaffen. Wir könnten großartig sein, wenn wir einige oder alle diese Dinge abschaffen würden. Aber wir wären nicht mehr Amerika.“

Man kann es auch so formulieren: ­Buckley klopfte an den Eingang zur Hölle. Zu Amerika gehört auch, dass die Öffentlichkeit solchen intellektuellen Außenseitern Eskapaden erlaubt, genau wie diese mit einiger Virtuosität ihre provokante Prominenz ausspielen. Im Vergleich dazu blieb ein Armin Mohler eher ein Outlaw, der sich selbst in seiner Gastgeberrolle in der Münchner Siemens-Stiftung wie ein geheimniskrämerischer Sektierer gerierte, die populäre TV-Kultur verachtete und der breiteren Öffentlichkeit Verachtung zollte. Doch führen auch seine Epigonen mit ihrem „Deutschland über alles“ ans Tor zur Hölle, an dem ähnlich wie in den USA gewaltbereite Prepper, rachsüchtige Putschisten und „sympathische Gesichter des Nationalsozialismus“ ihre Fratzen zeigen.

Sam Tanenhaus: „Buckley“. The Life and the Revolution That Changed America. Penguin Random House, New York 2025. 1040 S., geb., 24,– €.

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