Die Wiener Würstelstände gelten nun offiziell als immaterielles Unesco-Kulturerbe. Seit Mittwoch steht die „Wiener Würstelstandkultur“ in dem Verzeichnis, das für Österreich insgesamt 172 Einträge umfasst.
Wie die Österreichische Unesco-Kommission in ihrer Begründung schreibt, legten die sogenannten „Bratlbrater“ mit dem Verkauf warmer Würstel zu Beginn des 18. Jahrhunderts den Grundstein für die Wiener Würstelstandkultur. „Die sich daraus entwickelnden frei stehenden Würstelstände sind seither nicht nur für das Stadtbild, sondern auch als Ort der sozialen Zusammenkunft und für den Sprachgebrauch in Wien prägend“, heißt es weiter. Typisch für die Würstelstände seien neben dem frei stehenden Stand das Sortiment, die ungezwungene Atmosphäre und der Wortschatz, der sich darum gebildet hat.
„Eitrige“ und „Krokodü“
In einer Pressemitteilung der Wiener Stadtverwaltung sagte Bürgermeister Michael Ludwig: „Der Wiener Würstelstand ist nicht nur ein Ort der kulinarischen Genüsse, sondern auch ein lebendiges Symbol der Wiener Lebensart.“ Seine Ernennung zum immateriellen Kulturerbe ehre die Tradition, die Gastfreundschaft und die Vielfalt der Stadt.
Die Mitteilung hebt hervor, die Stände seien mit Begriffen wie „Eitrige“ und „Krokodü“ sowie dem charmanten Wiener Schmäh tief in der lokalen Kultur verankert. „Eitrige“ sind im Würstelstandjargon geräucherte Brühwürste mit einem Käseanteil. „Krokodü“ steht für eine als Beilage gereichte Gurke.
Neben dem Würstelstand drei weitere Kulturgüter aufgenommen
Die Würstelstände hätten neben ihrer kulinarischen Funktion auch einen Platz in der Popkultur gefunden, heißt es weiter. So tauchten sie in literarischen Werken wie Friedrich Torbergs „Tante Jolesch“ und HC Artmanns „Im Schatten der Burenwurst“ auf und seien in Elisabeth T. Spiras „Alltagsgeschichten“ gewürdigt.
Neben den Würstelständen wurden der Liste des Österreichischen immateriellen Kulturerbes gestern drei weitere Einträge hinzugefügt. Aus Tirol ist dort nun die Praxis der Neujahrsentschuldigungskarten vertreten, die ihre Käufer von den gesellschaftlich verpflichtenden Neujahrswünschen entheben. Das „Schifferlsetzen“ aus der Steiermark ist eine Tradition, bei der Kinder kleine Papierschiffe basteln, die am Nikolaustag mit Süßigkeiten, Nüssen und anderen Kleinigkeiten gefüllt werden. Der vierte Eintrag ist die Seitelpfeife, ein traditionelles Holzblasinstrument mit sechs Grifflöchern.
Das immaterielle Kulturerbe umfasst Traditionen, darstellende Künste, Rituale, Feste, traditionelle Handwerkstechniken. Es wird seit 2003 vom Abkommen Kulturerbe erfasst und geschützt. Die Verwendung des Begriffes Welt(kultur)erbe ist in diesem Kontext falsch, da es sich beim Welterbe um ein gänzlich anderes völkerrechtliches Instrument handelt, das in Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Menschheit von 1972 beschrieben ist.