"Wie Golf gegen Ferrari": Velbert-Coach Komorowskis anspruchsvolle Aufgabe

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Das Debüt des neuen SSVg-Velbert-Trainers Bogdan Komorowski verlief denkbar ungünstig. Sein Team verlor nicht nur das Spiel mit 0:5, sondern auch einen wichtigen Spieler. Der 39-Jährige erklärt, warum er sich trotz aller Widrigkeiten der Situation stellt und welche Chancen daraus entstehen.

Bogdan Komorowski versammelte nach der klaren Niederlage sein neues Team um sich.

Bogdan Komorowski versammelte nach der klaren Niederlage sein neues Team um sich. IMAGO/Funke Foto Services

Als Leon Jonah Lepper im Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund II nach einem Zweikampf zu Boden ging, wurde es still in der Roten Erde. Minutenlang blieb der Velberter liegen, erst auf der Trage begleitete ihn Applaus. Dass Dortmund da schon 3:0 führte und am Ende 5:0 gewann, war Nebensache. "Das war für alle ein absoluter Schock - so etwas erlebt man selten", sagte Bogdan Komorowski, der sich sein Debüt als Trainer des Schlusslichts SSVg Velbert sicher anders vorgestellt hatte.

Laut Verein erlitt Lepper einen kompletten Außenbandriss im linken Knie; ein MRT soll klären, ob auch das Kreuzband betroffen ist. Selbst im günstigsten Fall rechnet der Klub mit zwei bis drei Monaten Ausfallzeit. Schnelle Hilfe kam fairerweise vom Gegner: Das Dortmunder Ärzteteam richtete das Bein sofort wieder und verhinderte damit wohl Schlimmeres.

Arbeit an der Fehlerquote

Trotz der Sorgen um seinen Spieler blieb der Nachfolger des kürzlich beurlaubten Ismail Jaroui sachlich. Die Niederlage nehme er auf seine Kappe, sagte er - obwohl er das gar nicht müsste. Erst vier Tage im Amt, betonte er sein Prinzip: Verantwortung übernehmen, keine Ausreden. "Fehler entscheiden Spiele. Je weniger einer macht, desto größer die Siegchance." Zugleich stellte er sich vor sein Team: "Die Jungs haben alles gegeben. Das Engagement war da, aber Dortmund war eine Nummer zu groß."

In vielen Bereichen zeigte Velbert Schwächen - vor allem bei Standards. Komorowski will das Thema angehen, ohne es auf körperliche Unterschiede zu schieben. "Körperlich waren sie uns überlegen, aber das wäre mir zu einfach. Es geht um den Kontakt mit dem Gegenspieler. Man kann auch einen Stürmer aus dem Gleichgewicht bringen, wenn man kleiner ist."

Zwischen Beruf und Fußball

Anders als die meisten Regionalligisten trainiert Velbert unter Amateurbedingungen: vier Einheiten pro Woche, meist um 18 Uhr - Alltag zwischen Beruf und Fußball. Für Komorowski ist das kein Hindernis, sondern Realität. "Das ist wie ein Rennen - der eine fährt Ferrari, der andere Golf. Aber das heißt nicht, dass der Ferrari automatisch gewinnt. Die Kunst ist, mit unseren Bedingungen das Beste herauszuholen."

Seine Führungsphilosophie basiert auf Geradlinigkeit und Vertrauen. "Ich lege Wert auf Ehrlichkeit - auf Spieler, die sich mit dem Verein identifizieren und mutig Herausforderungen annehmen. So bin ich selbst auch: offen, direkt, damit jeder weiß, woran er ist."

Kölner Stationen bei Fortuna II und Viktoria

Komorowskis Weg ist geprägt von Disziplin und Beharrlichkeit. Er begann beim SV Bergisch Gladbach als zweikampfstarker Arbeiter: "Mir wurde nichts geschenkt, ich musste mir alles hart erarbeiten." Über Stationen bei Fortuna Köln II und Viktoria Köln verfolgte er den Traum vom Profifußball, wusste aber um seine Grenzen: "Ich komme aus einem bodenständigen Elternhaus. Der Fokus lag auf Schule und Ausbildung."

Mit 21 kam der Einschnitt: Ein Bandscheibenvorfall beim VfL Alfter stoppte seine aktive Laufbahn. "Es war eine harte Zeit, doch als Co-Trainer fand ich die Freude am Fußball wieder. Es hat mir eine ganz neue Perspektive eröffnet."

Noch während seiner Spielerzeit wurde er 2011 Co-Trainer beim VfL Rheinbach (Verbandsliga) und beim VfL Alfter (Mittelrheinliga) und arbeitete bereits parallel als Jugendcoach beim Bonner SC. 2013 übernahm er dort die U 17 in der Bundesliga und formte Spieler wie Blendi Idrizi und Tarsis Bonga, die später Profis wurden. Danach arbeitete er kurzzeitig als Chefscout beim BSC, ehe er sieben Jahre lang als Talentscout für den VfL Wolfsburg tätig war. "Unter Chefscout Rudi Voitovic habe ich unfassbar viel gelernt - vor allem, auf Details zu achten. Das hilft mir heute, Potenziale schnell zu erkennen."

Seit 2013 ist Komorowski zudem bei einem großen Handelsunternehmen in Köln beschäftigt - eine Erfahrung, die seine analytische Denkweise schärfte und ihn im Fußball unabhängiger machte. Wie man mit schwierigen Bedingungen umgeht, lernte er später bei Fortuna Kölns U 23. "Von 85 Spielen hatte ich 83 verschiedene Aufstellungen, musste ständig improvisieren - das hat mich als Trainer geprägt." Mit der Zweitvertretung erreichte er 2023/24 Platz sieben in der Mittelrheinliga - die beste Saison der Teamgeschichte. Ein Jahr später folgte die Krise mit acht Niederlagen in Folge. Komorowski zog selbst die Konsequenz: "Mir war wichtig, dass die Mannschaft die Liga hält. Da scheue ich keine Entscheidung."

Antrieb statt Risiko

Nun also die SSVg Velbert - mit schwieriger Ausgangslage. Sportchef Michael Kirschner betont die bewusste Wahl: "Bogdan bringt viel Erfahrung, hat die UEFA-A-Lizenz, kennt viele Spieler der Regionalliga und überzeugt menschlich wie fachlich." Für Komorowski ist das Engagement kein Risiko, sondern Antrieb: "Ich sehe das als Chance. Es gibt im Leben kein Limit."

Auch auf die nächste Aufgabe gegen Tabellenführer Schalke II am Samstag (14 Uhr) blickt er zuversichtlich: "Schalke ist ein Team mit Erfahrung, Talent, hoher Intensität und viel Selbstbewusstsein im Bauch. Dennoch wollen wir alles raus hauen." Personell bleibt die Lage unverändert - einzig bei Timo Böhm besteht leichte Hoffnung auf ein Comeback.

Jörn Duddeck

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