Warum gibt es so viele Champions-League-Kantersiege wie nie?

vor 1 Tag 1

6:1, 7:2, 5:1: Nicht zum ersten Mal kam es in dieser Woche zu einer Flut hoher Champions-League-Siege. Zwei Erklärungen bieten sich an - beide haben mit der Europapokal-Reform zu tun.

Hohe Siege scheinen in der Champions-League-Vorrunde immer normaler zu werden.

Hohe Siege scheinen in der Champions-League-Vorrunde immer normaler zu werden. imago images (6)

Eintracht Frankfurt macht international regelmäßig da weiter, wo es national aufgehört hat: mit purem Spektakel. 19:18 beträgt das Torverhältnis der Hessen nach sieben Bundesliga-Spieltagen, 7:11 nach drei Champions-League-Spieltagen. Nur neun der 36 Teams haben häufiger getroffen, mehr Gegentore kassierte keines. Mit ihren bisherigen Resultaten - 5:1, 1:5, 1:5 - liegt die Eintracht hingegen voll im Trend.

Denn das Gefühl, das einen nach dieser Champions-League-Woche beschleichen konnte, trügt nicht. Im wichtigsten Europapokalwettbewerb gibt es so viele Kantersiege wie nie. Am Dienstag hatte der FC Barcelona Olympiakos mit 6:1 abgefertigt, Paris Saint-Germain Leverkusen mit 7:2, Eindhoven Neapel mit 6:2, Arsenal Atletico mit 4:0, Inter Union Saint-Gilloise ebenso. 24 Stunden später fügten sich Bayerns 4:0 gegen Brügge, Chelseas 5:1 gegen Ajax und Frankfurts 1:5 gegen Liverpool ins Bild. Was ist da los?

Seit der Reform kommt es fast in jedem fünften Spiel zum Kantersieg

Bei der Suche nach Erklärungen kommt man nicht an der Champions-League-Reform im Sommer 2024 vorbei. Seitdem endeten 38 der 198 Partien in der neuen Ligaphase mit mindestens vier Toren Differenz - das sind satte 19,2 Prozent. Zum Vergleich: In den Gruppenphasen der beiden Spielzeiten zuvor lag dieser Wert noch bei 10,4 Prozent (20 von 192) und damit bei knapp der Hälfte; im Zehnjahreszeitraum von 2014/15 bis 2023/24 bei 11,8.

Der Verdacht liegt nahe, dass der neue Modus zwar womöglich der Spannung zuträglich ist, nicht aber der Qualität. Bei 36 statt 32 Mannschaften sind nun mal noch mehr Underdogs im Rennen, noch mehr Klubs, die schlicht nicht mithalten können. 2024/25 holten Slovan Bratislava (7:27 Tore) und der BSC Young Boys (3:24) nicht einen einzigen Punkt, RB Salzburg (5:27), der FC Girona (5:13) und RB Leipzig (8:15) verloren sieben von acht Spielen.

Weil gleichzeitig die Schere zwischen den Topteams und der zweiten und dritten Reihe in Europa finanziell immer weiter auseinandergeht - was die "neue" Champions League ebenso fördert wie ein Elite-Wettbewerb wie die Klub-WM -, kommt es zwangsläufig zu immer mehr ungleichen Duellen.

Auch wenn die UEFA gerade das durch den neuen Modus zu bekämpfen versuchte, indem jedes Team auch aus dem eigenen Lostopf zwei Gegner zieht: Die Klassenunterschiede sind teils riesig. Überraschungsteams wie Stade Brest in der vergangenen oder Qarabag Agdam in dieser Saison sind willkommene Ausnahmen, aber eben Ausnahmen.

Die Tordifferenz wird wichtiger - siehe Abschlusstabelle 2024/25

Das erklärt aber noch lange nicht, warum Napoli in Eindhoven untergeht oder Atletico bei Arsenal. Sind das "normale" Ausreißer, die es auch früher schon gab? Vielleicht. Womöglich spielt aber selbst hier der neue Modus eine Rolle. Weil bei Punktgleichheit an erster Stelle die Tordifferenz über den Tabellenplatz entscheidet und alle Teams in derselben Tabelle geführt werden, ist jeder Treffer wertvoll. Heißt: Wer sich zu früh auf einer Führung ausruht, könnte bestraft werden, selbst wenn er gewinnt.

Nach Abschluss der Ligaphase 2024/25 waren 30 von 36 Mannschaften mit mindestens einem Konkurrenten punktgleich. Auch die Frage, wer als 24. und letztes Team in die K.-o.-Phase einzieht, wurde - zugunsten von Club Brügge - über die Tordifferenz beantwortet. Dazu kommt, dass jeder Platz weiter oben bares Geld bringt. Der Spitzenreiter kassiert aus dem UEFA-Topf 36-mal 275.000 Euro (9,9 Millionen Euro), das Schlusslicht einmal 275.000 Euro. Auch für die Eintracht kann es sich also noch rächen, gegen Atletico und Liverpool nicht einfach nur verloren zu haben.

Jörn Petersen, vol

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