Verwaltungsgericht Berlin: Bundesregierung muss Afghanen Visa erteilen

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Die Bundesregierung muss nach einer Gerichtsentscheidung einer afghanischen Staatsangehörigen und ihrer Familie Visa zur Einreise nach Deutschland erteilen, nachdem entsprechende Zusagen gemacht wurden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin im Eilverfahren im Streit über das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen entschieden, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte.

Die Bundesregierung habe sich »durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmebescheide rechtlich zur Aufnahme gebunden«, erklärten die Richter zur Begründung. »Von dieser freiwillig eingegangen Bindung« könne sich Deutschland nicht lösen.

Auswärtiges Amt zum sofortigen Handeln verpflichtet

Damit war der Eilantrag der Frau und ihrer 13 Familienangehörigen, die in Pakistan auf Visa warten, in erster Instanz erfolgreich. Das Auswärtige Amt ist nach der Entscheidung laut Gerichtssprecherin verpflichtet, sofort zu handeln. Gegen den Beschluss kann jedoch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden. Sollte die Behörde das tun, könnte es zu Verzögerungen kommen.

Die Richter betonen in ihrem Beschluss, dass die Bundesregierung frei darüber entscheiden kann, ob sie das Aufnahmeverfahren für afghanische Staatsangehörige beenden will – oder unter welchen Voraussetzungen eine Fortsetzung denkbar ist. Auch könne sie von neuen Aufnahmezusagen absehen. Im vorliegenden Fall könnten sich die Betroffenen jedoch auf die gemachten Zusagen berufen.

Bei der Frau und ihrer Familie seien Aufnahmezusagen bestandskräftig geworden, so die zuständige Achte Kammer. Zudem erfüllten die Betroffenen die Voraussetzungen für ein Visum: Es seien keine Sicherheitsbedenken ersichtlich, und die Identität der Menschen sei geklärt. Der Familie droht nach eigenen Angaben die Abschiebung aus Pakistan nach Afghanistan, wo ihr Leben unter der Herrschaft der radikalislamischen Taliban gefährdet sei. Dies wurde aus Sicht des Gerichts glaubhaft dargestellt.

Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurden verschiedene Aufnahmeverfahren für Menschen aus Afghanistan eingerichtet. Die neue Bundesregierung von Union und SPD stoppte die Programme Anfang Mai. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes vom 20. Juni warten rund 2.400 Menschen in Pakistan darauf, dass sie ein Visum bekommen.

Betroffen davon sind nach den Angaben beispielsweise Menschen, die sich für Gleichberechtigung und Demokratie eingesetzt haben. Auch Richter, Journalistinnen oder Künstler zählten zu den Betroffenen.

Weitere Klagen liegen vor

Mit zahlreichen Klagen will die Organisation »Kabul Luftbrücke« die Fortsetzung des Aufnahmeprogramms für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen erzwingen. Die Betroffenen hätten ihre Heimat verlassen im Vertrauen auf deutsche Versprechen, erklärte Sprecherin Eva Beyer im Juni, als die ersten 26 Verfahren in Berlin eingereicht wurden.

Dem Gericht liegen nach eigenen Angaben schätzungsweise etwa 40 Fälle als Eilanträge und Klagen zu der Thematik vor. Diese seien aber unterschiedlich gelagert, erklärte die Gerichtssprecherin. Über die Verfahren müssten jeweils unterschiedliche Kammern entscheiden. Es sei unklar, wann dies geschehe. Offen ist auch, ob die anderen Richterinnen und Richter die gleiche Auffassung vertreten wie aktuell die Achte Kammer.

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