USA: Donald Trump, Südafrika und die Mär vom weißen Genozid

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Collage mit Foto eines privaten Mahnmals in Südafrika für angeblich von Schwarzen getötete weiße Farmer

Collage mit Foto eines privaten Mahnmals in Südafrika für angeblich von Schwarzen getötete weiße Farmer

Foto: [M] DER SPIEGEL; Per-Anders Pettersson / Getty Images

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Na, heute schon gegrokt?

Sie wissen schon: Grok, die künstliche Intelligenz der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter). Nein, noch nicht?

Nun, ist vielleicht auch besser so. Denn immer wieder macht die KI mit kuriosen Antworten auf sich aufmerksam – zuletzt lenkte sie über Stunden hinweg und ungefragt Gespräche auf einen vermeintlichen »weißen Genozid«. Demnach würden in Südafrika weiße Bauern Opfer systematischer Verfolgung und Ermordung durch die Schwarze Bevölkerung.

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Die Entwicklerfirma von Grok namens xAI gab später in einer Pressemitteilung bekannt, ein Mitarbeiter habe eine »unautorisierte Modifikation« am Code vorgenommen, die wieder rückgängig gemacht wurde.

Aber machen wir uns nichts vor: Auch ohne Grok ist die Erzählung vom weißen Genozid auf X dauerhaft präsent. User*innen teilen Fotos und Videos als »Beweise« für die angeblich rassistische Verfolgung und gezielte Ermordung weißer Südafrikaner – inklusive Leichensäcken und Grabfeldern, auf denen Tausende weiße Kreuze stehen.

Ebendiese Fotos und Videos zeigte auch jüngst der US-amerikanische Präsident Donald Trump in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa. Vor den Kameras der anwesenden Journalistinnen und Journalisten lieferte er so live die Begründung ab, warum er wenige Tage zuvor einer Gruppe von 49 weißen Farmern aus Südafrika Asyl gewährt hatte.

 Falsche Belege

US-Präsident Donald Trump (r.) mit Cyril Ramaphosa: Falsche Belege

Foto:

Jim Lo Scalzo / EPA

Während die US-Regierung ansonsten mit größter Härte gegen Asylsuchende und Migrantinnen vorgeht – teilweise wahllos und auch bisweilen rechtswidrig abschiebt – machte sie hier eine Ausnahme: Den südafrikanischen »Flüchtlingen« wurde in einem beschleunigten Verfahren Asyl gewährt, sie dürfen nun arbeiten und haben zudem Anspruch auf gewisse Sozialleistungen.

Wenn sich Täter zu Opfern stilisieren

Die Behauptung, weiße Farmer würden in Südafrika gezielt verfolgt und ermordet, ist dabei nicht neu. In dieser Form wird sie seit dem Ende des Apartheid-Regimes 1994 verbreitet – eine verheißungsvolle Umkehrung der tatsächlichen Geschichte.

Mit der Rassentrennung sicherte sich die weiße Minderheit gegenüber der Schwarzen Mehrheit in Südafrika jahrzehntelang die Macht. Die »Apartheid«, also »Getrenntheit« fußte auf rassistischen Gesetzen und der gewaltvollen Unterdrückung der indigenen Bevölkerung durch die weißen Siedler, die sich selbst als »Afrikaaner« bezeichneten.

Foto:

Peter Rigaud

Leonie Schöler, geboren 1993, ist Journalistin und Historikerin. Auf Instagram und YouTube ist sie als Heeyleonie aktiv. 2024 erschien ihr Buch »Beklaute Frauen«. In »Hidden History« bei SPIEGEL.de schreibt sie alle zwei Wochen darüber, welche historischen Wurzeln und Parallelen aktuelle Phänomene haben.

Auch hier war die Opfer-Täter-Umkehr bereits ein fundamentaler Bestandteil des Selbstverständnisses. Denn um sich das Land als Bauern verfügbar machen zu können, musste die Schwarze Bevölkerung zunächst vertrieben und enteignet werden. Sie ergab sich diesem Schicksal aber nicht kampflos. Die Verteidigung wurde als Angriff umgedeutet – und diese Mentalität lebt bis heute in den Köpfen vieler Afrikaaner: Man sei Opfer, nicht Täter.

Es ist kein Geheimnis, dass die Kriminalität in Südafrika im weltweiten Vergleich sehr hoch ist. Jeden Tag werden dort im Durchschnitt 72 Menschen Opfer eines Mordes. Doch nur 0,2 Prozent aller jährlichen Morde stehen überhaupt in Verbindung zu Farmen oder landwirtschaftlichen Betrieben. Insgesamt zählt eine aktuelle Kriminalitätsstatistik 36 Opfer in einem halben Jahr – die meisten davon sind Schwarze.

Aber was ist dann mit den Fotos und Videos, die Trump und seine Anhänger als Beweise vorbringen?

Nun, das Bild mit den Leichensäcken stammt eigentlich aus einem Video der Nachrichtenagentur Reuters aus der Demokratischen Republik Kongo. Aufgenommen wurden die Fotos und Videos am 3. Februar 2025 in der Metropole Goma nach Kämpfen zwischen der kongolesischen Armee und M23-Rebellen.

Auch die Aufnahmen der weißen Kreuze zeigen keine tatsächlichen Grabstätten, sondern ein »Mahnmal«, das als Warnung vor dem vermeintlich »weißen Genozid« errichtet wurde. Ein argumentativer Fallstrick also.

Dass die Republikaner um Donald Trump trotzdem an der Erzählung festhalten, liegt nicht (ausschließlich) an fehlender Medienkompetenz oder der Nähe zu Elon Musk, der als Südafrikaner bereits seit Jahren auf seiner Plattform X die Behauptung von systematischem Rassismus und Gewalt gegen Weiße in seiner Heimat teilt.

Dahinter steckt vielmehr ein politisches Kalkül. Es ist nichts Neues, dass viele MAGA-Anhänger dubiosen Verschwörungsmythen anhängen: Covid war ein Fake; Hillary Clinton eine Echse; die Erde eine Scheibe; die Demokraten entführen Kinder, um sich durch ihr Blut zu verjüngen. Die Liste könnte fortgeführt werden. Donald Trump hat sich das immer wieder zunutze gemacht und greift solche Narrative auf, um seine irrwitzige Politik durchzusetzen.

Die Geschichte des weißen Genozids ist dabei mehr als eine ulkige Echsen-Story: Sie ist ein Grundpfeiler der Erzählung des großen Austauschs, auf die sich die Trump-Regierung ideologisch stützt.

Demnach würden die weißen Bevölkerungen in westlichen Ländern gezielt durch nicht weiße Migrantinnen und Migranten ersetzt – gesteuert von »globalen Eliten«, gern mit antisemitischem Unterton. Trump greift dieses Narrativ regelmäßig auf, wenn er etwa vor einer angeblichen »Invasion« an der mexikanischen Grenze warnt oder von »blutigen Migranten« spricht.

Trumps rassistische Migrationspolitik basiert somit auf der Begründung, mit der er jetzt der Gruppe weißer Südafrikaner Asyl gewährt hat. Die Bilder ihrer Ankunft sind ein medialer Stunt mit Symbolcharakter: Die Zweiklassengesellschaft nach Hautfarbe ist in den USA wieder Staatsräson.

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