US-Kongress: Warum die Kongresswahl für den neuen US-Präsidenten so wichtig ist

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Im November wählen die USA einen neuen Präsidenten – und einen Teil des Kongresses. Welche Macht hat das US-Parlament? Kann das Staatsoberhaupt an ihm vorbei regieren?

Aktualisiert am 9. Oktober 2024, 14:32 Uhr

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 Die politische Polarisierung in den USA prägt auch die beiden Parlamentskammern.
Die Kuppel des US-Kapitols in Washington: Die politische Polarisierung in den USA prägt auch die beiden Parlamentskammern. © BRENDAN MCDERMID/​Reuters

Am 5. November wird in den USA nicht nur ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin gewählt, sondern auch das Repräsentantenhaus. 34 der 100 Senatorinnen und Senatoren in der zweiten Parlamentskammer stehen ebenfalls zur Wahl. Vom Ausgang der Kongresswahl hängt auch die Machtfülle des künftigen Staatsoberhaupts ab – denn die Parlamentskammern können Gesetzesvorhaben verzögern oder blockieren. Welche Rolle Repräsentantenhaus und Senat im politischen System der USA spielen:

Alle Fragen im Überblick:

Was ist der US-Kongress und wie wird er gewählt?

Der US-Kongress ist die gesetzgebende Gewalt in den USA, also die Legislative. Er besteht aus zwei Kammern: Repräsentantenhaus und Senat. Seinen Sitz hat der Kongress im Kapitol in Washington, D.C. 

Das Repräsentantenhaus hat 435 Abgeordnete, die von den Bürgern in ihrem jeweiligen Wahlbezirk alle zwei Jahre gewählt werden. Seine Funktion ähnelt jener des Bundestags: Die Abgeordneten stimmen über Gesetze ab und üben eine Kontrollfunktion gegenüber dem Präsidenten aus. Zuletzt wurde das Repräsentantenhaus während der sogenannten Midterms im November 2022 neu gewählt. Die nächste Wahl der Abgeordneten erfolgt parallel zur Präsidentschaftswahl am 5. November.

Die Sitze im Repräsentantenhaus teilen sich proportional nach dem Bevölkerungsanteil der einzelnen Bundesstaaten auf. Bevölkerungsärmere Bundesstaaten wie Montana oder Alaska haben nur einen Vertreter im Repräsentantenhaus, in bevölkerungsreichen Staaten wie Kalifornien oder Texas wählen die Menschen nach relativem Mehrheitsrecht mehrere Abgeordnete. 

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Der Senat vertritt die Interessen der Bundesstaaten und ist daher eher mit dem Bundesrat vergleichbar – hat aber deutlich weitreichendere Befugnisse. Das liegt auch daran, dass die US-Kammer auf andere Weise legitimiert ist als die zweite Parlamentskammer in Deutschland: Die 100 Senatorinnen und Senatoren – zwei pro Bundesstaat – werden direkt von den Wahlberechtigten nach dem Prinzip der Mehrheitswahl gewählt. Im Amt bleiben die Abgeordneten im Senat für jeweils sechs Jahre. Ihre Wahl findet jeweils rotierend statt: Alle zwei Jahre steht jeweils ein Drittel der Sitze in der Kammer zur Wahl.

Wie ist die Sitzverteilung im Repräsentantenhaus?

Seit den Midterm-Wahlen im November 2022 dominieren die Republikaner das Repräsentantenhaus. Derzeit verfügen sie über 221 der 435 Sitze. Mit dieser relativ knappen Mehrheit kann die Partei Gesetzesvorhaben des Präsidenten blockieren und politische Konflikte etwa in der Haushaltspolitik eskalieren lassen. 

Doch die Fraktion der Republikaner ist selbst gespalten: in einen moderaten und einen radikalen, größtenteils Trump-loyalen Flügel. Deutlich wurde dieser Bruch schon unmittelbar nach Zusammentreten der neuen Kammer im Januar 2023, als eine Gruppe radikaler Republikaner die Wahl von Kevin McCarthy zum sogenannten Speaker of the House verhinderte und damit auch den Beginn der parlamentarischen Arbeit verzögerte. Im 15. Anlauf wurde McCarthy schließlich doch noch gewählt – um neun Monate später durch eine innerparteiliche Revolte gestürzt zu werden. 

Seit Oktober 2023 ist der von Ex-Präsident Trump unterstützte Republikaner Mike Johnson Vorsitzender des Repräsentantenhauses. Seine Wahl zeigt auch, dass sich der Rechtsaußen-Flügel der Republikaner in der Fraktion inzwischen durchgesetzt hat. Johnson selbst gehört einer radikalen christlichen Bewegung an. Seine Wahl zur drittmächtigsten Person im Staat beschrieb er bei seiner Antrittsrede als göttliche Fügung

Welche Rolle spielt der Senat im US-Kongress?

Auch der Senat hat eine Kontrollfunktion gegenüber dem Präsidenten. Darüber hinaus stimmt er über die Ernennung von Ministerinnen und Ministern sowie der obersten Richterinnen und Richter ab. Auch die Ratifizierung internationaler Verträge fällt in den Verantwortungsbereich des Senats.

Anders als im Repräsentantenhaus konnten die Demokraten ihre dominante Position im Senat nach den Midterms im November 2022 festigen. Auf die demokratische Fraktion entfallen derzeit 51 Sitze in der Kammer, auf die Republikaner 49 Sitze. Eine komfortable Mehrheit bedeutet dies für die Demokraten indes nicht – vor allem, wenn es um Abstimmungen geht, bei denen eine einfache Mehrheit nicht ausreicht. Das zeigte etwa die Eskalation des innenpolitischen Streits über weitere Finanzhilfen für die Ukraine sowie Israel. Ein parteiübergreifend ausgehandelter Kompromiss, der die Hilfen mit mehr Geld für den Grenzschutz verknüpfen sollte, scheiterte monatelang an einer von Trump geforderten Blockade der Republikaner im Senat. Erst im April dieses Jahres stimmte das Repräsentantenhaus einem Hilfspaket schließlich zu.

Wer hat die besseren Chancen bei der Kongresswahl?

Insbesondere der Ausgang der Wahl zum Repräsentantenhaus lässt sich schwer voraussagen – auch, weil vergleichsweise viele Abgeordnete angekündigt haben, nicht erneut zu kandidieren. Beim Senat wiederum wird es für die Demokraten schwierig, ihre knappe Mehrheit zu verteidigen: Bei zwei Dritteln der zur Wahl stehenden Mandate muss der jeweilige demokratische Inhaber seinen Sitz verteidigen.

Was bedeuten fehlende Mehrheiten im US-Kongress für den Präsidenten?

Für Joe Biden waren die Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus in den vergangenen zwei Jahren ein Problem. Nicht nur, weil die Kammer Gesetzesvorhaben des Präsidenten blockieren und die Regierungsgeschäfte in einem sogenannten Shutdown sogar zum Erliegen bringen kann. In den Kompetenzbereich des Repräsentantenhauses fällt es auch, Untersuchungsausschüsse gegen Regierungsmitglieder anzustrengen – bis hin zum Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. 

Ermittlungen zu einem solchen Impeachment gegen Biden hatten die Republikaner im Repräsentantenhaus unter dem damaligen Sprecher McCarthy Ende 2023 begonnen. Die Untersuchung lief letztlich ins Leere. In ihrem Abschlussbericht erhoben die Republikaner im August dieses Jahres zwar schwere Vorwürfe gegen Biden und seine Familie, gaben aber keine Empfehlung für ein Impeachment ab. 

Große öffentliche Aufmerksamkeit erzeugte vor allem die Untersuchung der Republikaner zum Sohn des Präsidenten, Hunter Biden, der sich in diesem Jahr in einem Prozess wegen illegalen Waffenbesitzes schuldig bekannte und außerdem wegen Steuerdelikten vor Gericht steht. Die Republikaner suggerierten wiederholt, unter Bidens Regierung sei es zu Justizbehinderung gekommen. Beweise dafür gibt es nicht.

Kann der Präsident den US-Kongress umgehen?

Joe Biden gilt als kompromissorientierter Politiker. Ins Amt gewählt wurde er mit dem Versprechen, das Land zu vereinen; nach den Midterm-Wahlen 2022 bot er den Republikanern eine Zusammenarbeit an. 

Kompromisse zwischen den beiden politischen Lagern sind jedoch schwieriger denn je: Schon im noch von den Demokraten dominierten Repräsentantenhaus vor den Midterms 2022 hatten die Republikaner sich häufig in demonstrativer Geschlossenheit gegen den Präsidenten gewandt. Egal, ob es um Corona-Hilfen ging oder um Milliardeninvestitionen in Klima und Gesundheit – für seine Kernvorhaben erhielt Biden keine einzige republikanische Stimme im Repräsentantenhaus. Die zweite Hälfte von Bidens Amtszeit war von Blockaden seiner Politik durch das Repräsentantenhaus geprägt.

Dass sich nach Midterm-Wahlen die Mehrheitsverhältnisse zuungunsten des Präsidenten ändern, gehört in den USA aber fast schon zur Normalität. Mit Blockaden durch den Kongress hatten vor Biden schon andere Präsidenten zu kämpfen, allen voran Barack Obama. In dessen zweiter Amtszeit erlangten die Republikaner in beiden Kongresskammern eine Mehrheit. Um wichtige Vorhaben trotzdem durchzusetzen, regierte Obama am Ende seiner Amtszeit vielfach per Dekret. Das Problem: Dekrete eines Präsidenten können von dessen Nachfolger ebenso leicht außer Kraft gesetzt werden. Das zeigten sowohl Donald Trump als auch Joe Biden, indem sie die Klimapolitik ihrer jeweiligen Amtsvorgänger rückgängig machten.

Ein weiteres wirkmächtiges Instrument für den Präsidenten ist sein Vetorecht. Den präsidialen Einspruch kann nur eine Zweidrittelmehrheit in beiden Parlamentskammern überstimmen – von einer solchen sind derzeit beide politische Lager weit entfernt.

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