Für Donald Trump und seine Untergebenen ist der Fall klar: Mit dem US-Angriff auf iranische Anlagen vor einer Woche ist das Atomprogramm des Landes Geschichte – oder mindestens um »Jahrzehnte« zurückgeworfen. Doch nach dem ersten Triumphgeheul aus dem Weißen Haus und dem Pentagon werden immer mehr Zweifel an dieser Lesart laut.
Sehr zu Trumps Ärger hatten US-Medien zuletzt unter Berufung auf einen vorläufigen Geheimdienstbericht gemeldet, die Angriffe hätten das iranische Atomprogramm nur um einige Monate zurückgeworfen. Für diese Interpretation sprechen auch abgefangene Unterhaltungen zwischen hochrangigen Offiziellen in Iran selbst. Diese Gespräche liegen den USA laut der »Washington Post« vor. Die Zeitung beruft sich auf vier Personen, die mit dem Informationsstand der US-Geheimdienste vertraut sind.
In den privaten Unterhaltungen spekulieren iranische Regierungsvertreter demnach darüber, warum die US-Schläge weniger vernichtend ausgefallen sind als befürchtet. Dies betrifft laut der Zeitung sowohl den Umfang der Luftschläge als auch die angerichteten Schäden.
Die Trump-Regierung bestreitet nicht, dass diese privaten Gespräche abgefangen wurden. Dennoch fällt die Reaktion scharf aus: »Es ist schändlich, dass die ›Washington Post‹ Informationen ohne Kontext verbreitet und damit Leuten dabei hilft, Straftaten zu begehen«, erklärte Sprecherin Karoline Leavitt. »Es ist Unsinn zu behaupten, unbenannte iranische Offizielle wüssten, was unter dem Schutt liegt. Das Atomprogramm ist beendet.«
Grossi hatte nach den Angriffen Zugang zu den beschädigten Anlagen gefordert, um die iranischen Bestände an angereichertem Uran überprüfen zu können. Die Regierung in Teheran lehnt dies ab. Der iranische Außenminister Abbas Araghchi verurteilte die »boshaften Absichten« Grossis.
Trotz der scharfen Kritik geht von Iran aber nach eigenen Angaben keine Gefahr für Rafael Grossi, aus. »Nein, es gibt keine Bedrohung« für die Inspektoren oder den Generaldirektor, sagte der iranische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Amir Saeid Iravani, am Sonntag in einem Interview mit dem US-Sender CBS. Die Inspektoren in Iran seien »in Sicherheit«.
Der Botschafter antwortete auf eine Frage zur Forderung der ultra-konservativen Zeitung »Kayhan« nach der Hinrichtung des IAEA-Chefs. Die Zeitung hatte Grossi beschuldigt, »Spion des zionistischen Regimes« zu sein. »Es muss auch offiziell gesagt werden, dass (Grossi) bei seiner Ankunft in Iran wegen Spionage für den (israelischen Geheimdienst) Mossad und wegen Beteiligung an der Ermordung des unterdrückten Volkes unseres Landes vor Gericht gestellt und hingerichtet wird«, drohte die Zeitung.
Iran besteht auf Atomnutzung für friedliche Zwecke
Trump hatte beim Nato-Gipfel in der vergangenen Woche neue Gespräche mit Iran für diese Woche angekündigt, allerdings keine Details genannt. Iran selbst macht eine Wiederaufnahme der Gespräche mit den USA über sein Atomprogramm von einem Verzicht Washingtons auf weitere Angriffe abhängig.
Die USA müssten weitere Angriffe auf Iran ausschließen, wenn sie die diplomatischen Gespräche wieder aufnehmen wollen, sagte Irans stellvertretender Außenminister Majid Takht Ravanchi dem britischen Sender BBC. Die Regierung von US-Präsident Trump habe über Vermittler mitgeteilt, dass sie zu Verhandlungen zurückkehren wolle, aber »keine klare Position« zur »sehr wichtigen Frage« weiterer Angriffe bezogen.
Iran werde darauf bestehen, Uran für friedliche Zwecke anreichern zu dürfen, sagte Takht Ravanchi der BBC und wies Vorwürfe zurück, Iran arbeite heimlich an der Entwicklung einer Atombombe. Sein Land sei »vom Zugang zu nuklearem Material« für sein Forschungsprogramm ausgeschlossen worden. »Über das Niveau kann man reden, über die Kapazität kann man reden, aber zu sagen, dass ihr keine Anreicherung haben dürft, null Anreicherung, und wenn ihr nicht einverstanden seid, werden wir euch bombardieren – das ist das Gesetz des Dschungels«, sagte der stellvertretende iranische Außenminister.
Indirekte Drohung aus Teheran gegen Trump
Verhandlungsbereitschaft hatte zuvor auch Irans Uno-Botschafter Amir Saeid Iravani signalisiert: Im Fall einer Einigung sei Iran bereit, unter bestimmten Bedingungen seine Vorräte an 60- und 20-prozentig angereichertem Uran in ein anderes Land zu überstellen, zitierte ihn die Nachrichtenseite Al-Monitor am Donnerstag. Das stelle keine rote Linie dar.
Alternativ könne das Uran unter Aufsicht der Atomenergiebehörde IAEA in Iran gelagert werden. Nicht aufgeben wolle man aber das Recht auf inländische Produktion von Uran – was die USA ablehnen.
Parallel zu dieser vorsichtigen Verhandlungsbereitschaft kommen aber auch weiterhin sehr scharfe Töne aus Teheran. Iran hat US-Präsident Trump indirekt mit dem Tode gedroht. Der Ajatollah Nasser Makarem Schirasi nannte Trump zwar nicht direkt beim Namen, wies aber in einer religiösen Stellungnahme darauf hin, Drohungen gegen den iranischen Führer Ali Chamenei würden als Fluch und Sünde gelten und im Islam mit dem Tod bestraft werden.
Trump hatte vor knapp zwei Wochen Chamenei indirekt gedroht und gesagt, dieser sei ein leichtes Ziel. »Wir werden ihn nicht ausschalten (töten!), zumindest nicht im Moment.«