Ukraine-Gespräche in Istanbul: Putin soll hochrangige Delegation nach Istanbul entsenden

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Selenskyj hat Putin zu einem Treffen in der Türkei aufgefordert. Dieser will dem offenbar nicht nachkommen – plant aber laut Berichten, enge Vertraute zu entsenden.

Aktualisiert am 14. Mai 2025, 9:23 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE,

 Russlands Außenminister Sergej Lawrow und Wladimir Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow neben Putin auf einer KOnferenz in Kasachstan im November 2024
Russlands Außenminister Sergej Lawrow und Wladimir Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow neben Putin auf einer KOnferenz in Kasachstan im November 2024 © Gavriil Grigorov/​Astana Kazakhstan/​imago images

Russlands Staatschef Wladimir Putin hat sich laut übereinstimmenden Medienberichten auf seine Delegation für die geplanten Gespräche mit der Ukraine in Istanbul festgelegt. Wie die Washington Post und das exilrussische Onlineportal Agentstwo unter Berufung auf kremlnahe Quellen berichten, soll die russische Delegation von Außenminister Sergej Lawrow sowie Juri Uschakow, dem langjährigen außenpolitischen Berater Putins, angeführt werden.

Damit plane Putin nicht, für die am Donnerstag geplanten Gespräche selbst in die Türkei zu kommen. Dazu hatte ihn am Wochenende der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj aufgefordert, nachdem Putin in der Nacht zum Sonntag einer Wiederaufnahme direkter Gespräche zwischen der ukrainischen und russischen Regierung zugestimmt hat. Auf Selenskyjs Aufforderung, persönlich zu erscheinen, um in der Türkei mit dem ukrainischen Präsidenten zu verhandeln, reagierte Putin bislang nicht eindeutig. 

Sollten Lawrow und Uschakow die Delegation anführen, wäre es die ranghöchste Besetzung der russischen Seite, für die sich Putin entscheiden könnte, ohne selbst in die Türkei zu fliegen. Vor der Washington Post und Agentstwo hatte auch die staatliche russische Zeitung Komsomolskaja Prawda berichtet, die beiden Spitzendiplomaten sollten für die Gespräche nach Istanbul kommen. Den entsprechenden Bericht hatte die Komsomolskaja Prawda allerdings offenbar kurz darauf wieder gelöscht. Das berichtet das oppositionelle russische Portal iStories und verweist dabei auf einen archivierten Telegram-Post auf dem Kanal der staatlichen Zeitung. Der inzwischen gelöschte Post ist auf Dienstagmittag datiert.

Selenskyj will nur Putin persönlich treffen

Selenskyj hatte seinerseits angekündigt, er wolle sich nur mit Putin persönlich treffen. Sollte der russische Präsident allerdings tatsächlich eine hochrangige Delegation entsenden, könnte Selenskyj allerdings ebenfalls Vertraute mit den Gesprächen beauftragen – beispielsweise seinen einflussreichen Stabschef Andrij Jermak oder Außenminister Andrij Sybiha. Vor allem die US-Regierung drängt auf die Aufnahme direkter Gespräche zwischen der Ukraine und Russland, die auf dieser Ebene zuletzt im Frühjahr 2022 in Belarus und Istanbul stattfanden. 

US-Präsident Donald Trump hatte in Aussicht gestellt, womöglich ebenfalls anzureisen – allerdings nur, falls Putin nach Istanbul komme. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, will Trump seinen Sondergesandten für Russland Steve Witkoff sowie seinen Ukrainebeauftragten Keith Kellogg entsenden. Zudem kündigte er an, dass Außenminister Marco Rubio an den Gesprächen teilnehmen soll.

Das konkrete Ziel der Gespräche ist allerdings unklar. Selenskyj sagte, er wolle zunächst vor allem eine mindestens 30-tägige Waffenruhe erwirken. Die USA und die Ukraine fordern dies bereits seit Monaten, allerdings lehnte Putin seitdem mehrfach ab. Mehrere europäische Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz, forderten am Samstag bei einem Kyjiw-Besuch, die Waffenruhe solle bereits an diesem Montag beginnen. Andernfalls drohten sie mit Sanktionen, die auch die Rückendeckung der USA hätten. US-Präsident Trump sagte nach Putins Vorschlag einer Wiederaufnahme direkter Gespräche allerdings, er wolle die Sanktionen gegen Russland verschärfen, falls die Gespräche nicht zustande kommen – und entkräftete so die europäische Drohung.

Neben einer Waffenruhe will Selenskyj nach eigenen Angaben auch einen großen Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland erzielen, bei dem beide Kriegsparteien alle ihre Kriegsgefangenen gegeneinander austauschen sollten. Das sagte der ukrainische Präsident am Dienstag dem Spiegel.  

Trump als Adressat des Treffens

Weniger klar sind die russischen Ziele bei den Gesprächen. Putin und weitere russische Regierungsvertreter sagten immer wieder, sie wollen anstelle einer Waffenruhe eine "langfristige Lösung", welche die "ursprünglichen Gründe" für den "Ausbruch des Ukrainekonflikts" beseitigten. Gemeint ist damit die Erfüllung der russischen Forderungen an die Ukraine, die bereits bei den letzten Gesprächen in Istanbul im Frühjahr 2022 aufgestellt wurden, sowie neuer Forderungen, die Putin im vergangenen Jahr erhob. 

Letztere beziehen sich auf Gebiete, die von Russland annektiert, aber nicht erobert wurden, und aus denen sich die Ukraine zurückziehen solle. Die Ukraine schließt das ihrerseits jedoch kategorisch aus. Auch lehnt die Regierung in Kyjiw die 2022 erhobenen Forderungen, insbesondere eine umfassende Demilitarisierung des Landes, vehement ab. 

Unter Beobachtern gilt daher als unwahrscheinlich, dass die Ukraine von diesen von ihr als "rote Linien" bezeichneten Grundsätzen abrücken wird – ebenso, wie dass Putin die Forderungen aufgibt. Das eigentliche Ziel des Treffens in der Türkei dürfte daher sein, einen von den USA angedrohten Ausstieg aus den Gesprächen zu verhindern: Die Ukraine will mutmaßlich die militärische und geheimdienstliche Unterstützung der USA nicht verlieren, Putin eine Abwendung der Trump-Regierung von ihrem moderaten Kurs gegenüber Russland verhindern.  

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