Zwischen Memorial Day Ende Mai und Labor Day Anfang September ist in den USA Sommer; im August macht der Kongress Pause, die Menschen machen Urlaub. Der politische „summer lull“ von früher fällt unter Donald Trump zwar aus, weil die Nationalgarde gerade in der Hauptstadt patrouilliert, ICE-Angestellte Einwanderer durch die Straßen jagen und sich viele Menschen fragen, ob jemals mehr Licht in die Beziehung zwischen Trump und dem toten Investor Jeffrey Epstein kommt.
Sommerbedingt, später
Ein wenig dürfte die allgemeine Aufmerksamkeit sommerbedingt aber abgenommen haben. Dass gleich zwei die Welt bewegende Gipfel auf amerikanischem Boden stattfanden, dass am Montag sogar Bewegung in die Verhandlungen zwischen Trump, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu kommen schien, hob diese vermeintliche Ruhe dann wieder auf.
Dass die Amerikaner alles andere als desinteressiert sind am Schicksal der Ukraine, belegen Umfragen. Demnach verfolgen dreieinhalb Jahre nach dem russischen Überfall mehr als 80 Prozent von ihnen die Berichterstattung über den Krieg. Und der Anteil derjenigen, die die Ukraine weiter militärisch unterstützen wollen, liegt bei 62 Prozent – zuletzt soll er laut dem „Chicago Council on Global Affairs“ auch unter Republikanern um mehr als 20 auf 51 Prozent gestiegen sein.
Die Liveblogs von CNN, der New York Times oder von CBS verstummten nach dem Treffen von Trump, Selenskyj und der europäischen Delegation auch gegen Mitternacht nicht, in den Expertenrunden des Fernsehens ordnete man weiter die Signale ein, die für viele überraschend kamen: mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine gegen einen für die USA lukrativen Waffendeal, ein deutlich freundlicherer Ton zwischen Trump und Selenskyj, das Telefonat mit Putin während der Gespräche, gar ein eventuelles Treffen zwischen ihm und dem ukrainischen Präsidenten.
Selenskyj? Eine Genie!
Dabei wurde jedes Detail verhandelt – vom Kommentar Trumps zu Selenskyjs Outfit bis hin zu gleich mehreren „Hot Mic“-Momenten, begleitet von regen Diskussionen in den sozialen Medien. Dort sah man zwar nicht die monothematischen Timeline-Momente eines Super Bowl oder einer Kandidatendebatte im Präsidentschaftswahlkampf – von allgemeinem Desinteresse kann aber auch keine Rede sein.
Ein „Genie“ sei Selenskyj, jubelte etwa Podcaster Jake Broe bei X, denn Trump sei viel weicher geworden, nachdem der Ukrainer einen Brief seiner Frau an Melania Trump überreicht habe. Und bei den „Republicans against Trump“ ärgerte man sich über dessen Präsentation der MAGA-Basecaps, bei der Selenskyj und die Europäer angesichts des Slogans „Four more years“ gute Miene machen mussten.
Generell schreiben die meisten Amerikaner Trumps Angebereien über seine Rolle als Friedensbringer laut Umfragen eher geringe Glaubwürdigkeit zu. Mehr als die Hälfte waren im Frühsommer laut einer Erhebung der Quinnipiac Universität mit seiner Politik gegenüber der Ukraine unzufrieden. Unterm Strich sah der Präsident für viele Kommentatoren am Montag dann aber besser aus als erwartet.
Schon das Treffen mit Putin in Alaska hatte er trotz inhaltlichen Misserfolgs für innenpolitische Inszenierungen zu nutzen gewusst. Mit Trump wäre der Überfall Russlands auf die Ukraine nie passiert, hatte der Präsident gar wiederholt und sich in einer bestätigenden Äußerung Putins gesonnt. Im Netz hatte er ein Meme gepostet, das ihn neben einem Löwen und dem Slogan „Frieden durch Stärke“ zeigte.
Verkauft uns bloß nicht
Etliche Analysen waren nach diesem Treffen in Alaska pessimistisch gewesen. Anne Applebaum etwa befand im Magazin „The Atlantic“, dass das Hofieren Putins nicht als Anfang eines Prozesses, sondern als Kulminationspunkt der vergangenen Monate zu verstehen sei: „Je mehr die Regierung ihre eigenen außenpolitischen Instrumente demontiert und all die Leute feuert, die wissen, wie man sie benutzt, desto mehr wird unsere Möglichkeit schwinden, wirksam zu agieren.“
Der Galgenhumor, mit dem manche Menschen in Alaska auf Putins Besuch reagiert hatten, als sie Schilder mit dem Slogan „Don’t sell us back to Russia“ hochhielten, spiegelte diese destabilisierende Unberechenbarkeit.
Und nun, nach dem Treffen mit Selenskyj und den Europäern? Manche Medien schlagen optimistischere Töne an – CNN nennt den Tag historisch, ehe es wirkliche Vereinbarungen gab. Bei so viel Hin und Her dürfte mancher Bürger seine Aufmerksamkeit wieder dem Sommer zuwenden und konkrete Ergebnisse abwarten.