Im Dortmunder "Tatort" geht es um Partnerschaftsgewalt. Leider steht auch diesmal wieder der Krimiplot dem Thema im Weg.
9. Juni 2025, 21:50 Uhr
Am Anfang der Dortmunder Tatort-Folge Feuer (WDR-Redaktion: Frank Tönsmann) steht beiläufig ein schönes Bild. Die Schritte eines Mädchens, das barfuß durch die Dämmerung läuft, führen auf eine Straße. Und diese Straße ist gut ausgewählt (Locationscout: Claudia Stock) und aufgenommen (Kamera: Leah Striker): Sie ist breit, weil in der Mitte Trambahnschienen verlaufen, fällt leicht ab und macht eine zarte S-Kurve, was dem an sich banalen Ort Tiefe verleiht.
Im Hintergrund sind Autos zu sehen, die in Richtung der Kamera fahren, und schmucklose, mittelhohe Bebauung, wie sie fürs Ruhrgebiet typisch ist. Davor rahmen Bäume auf beiden Seiten das Bild, die helle Kleidung des Mädchens im Vordergrund leuchtet sanft, weil Scheinwerfer auf das Kind gerichtet sind.
Viel erzählt diese Exposition nicht, aber sie lässt erkennen, dass die Arbeit der Kamera in diesem Tatort mehr will als Routine. Das Mädchen Zoe (Tesla Tekin) wird nicht überfahren, obwohl der Auftakt eines Krimis, der eine Leiche braucht, mit diesem Gedanken kokettiert. Tot ist die Mutter des Kinds (Nadja Becker), umgekommen in einem Brand im nahe gelegenen Einfamilienhaus.
Auch auf den zweiten Blick ist etwas anders in dieser Dortmunder Folge. Die Spannungen auf dem Revier zwischen Faber (Jörg Hartmann) und Chefin Klasnić (Alessija Lause) inklusive der unklaren Rolle des Neukollegen Otto Pösken (Malick Bauer) sind zwar vorhanden. Sie werden aber weit weniger aggressiv ausagiert als gewöhnlich. Fast scheint es, als müssten sich alle erst mal erholen vom Großen Frühlingsfest des schlecht gelaunten Sprüchekloppens, das die letzte Folge präsentiert hatte.
Das Drehbuch von Markus Busch verteilt Konflikte nun auch mal auf mehr als zwei Sätze Dialog, und Regisseurin Nana Neul inszeniert das Ensemble weniger präpotent, fast wie runtergedimmt. So lassen sich statt der groben, übellaunigen Faber-Standardgesten bei Jörg Hartmann ungewohnte, feinere Momente im Spiel beobachten.
Die zu Tode gekommene Frau hatte neben der Tochter noch
einen Teenagersohn (Caspar Hoffmann) und einen gewalttätigen Mann. Dieser Jens
(Sebastian Zimmler) ist ein offensiv unsympathischer Charakter, und die Folge
will etwas über Misogynie und Gewalt gegen Frauen erzählen. In Rückblenden wird einmal
mit Gegenständen geworfen und auch gezeigt, wie Schläge aussehen. Da lässt
sich diskutieren, ob das nötig ist oder gerade wichtig, damit die Krassheit der
Gewalt eben nicht diskretisiert wird vom Tatort. Dass der Film sich an der Gewaltdarstellung nebenher weidet, kann man ihm aber nicht vorwerfen.
Das Problem der Geschichte liegt woanders, nämlich mal wieder in der Form. Der Whodunit passt nicht zu einem Ein-Täter-Verbrechen wie Partnerschaftsgewalt. Alles, was die Erzählung "thematisch" an Wissen verbreiten will über das politisch unterpriorisierte, strukturelle Problem der Gewalt gegen Frauen (Steigerung der Intensität; Frauenhaus als Schutzraum; Wichtigkeit, Taten zu dokumentieren), sabotiert der Zwang zur Rätselfreude, die den nächstliegenden Verdächtigen ausschließt.
Am Ende wird als Täterin Fanny Bellmes (Karolina Lodyga) verhaftet, die beste Freundin des Opfers, weil Brandstiftung "ja eher so'n Frauending" ist, wie Faber schon zu Beginn prophezeit hatte. Zu diesem Befund des weiblich dominierten Verbrechens würde man auch gern noch mal mehr erfahren, aber erst, wenn es gelungen ist, die Motivation der Bellmes-Zündelei im Film zu verstehen. Fanny will nicht, dass die Freundin aus dem Schutz des Frauenhauses wieder zurück nach Hause geht, und fackelt ihr deshalb die Bude ab. Ein Spaßvogel könnte sagen: Wer solche besten Freundinnen hat, braucht keinen gewalttätigen Mann mehr.
Denn das bleibt als merkwürdige Pointe hängen. Durch die Krimilogik mit der unwahrscheinlichen Lösung wird unsichtbar gemacht, worauf Feuer doch eigentlich Aufmerksamkeit lenken wollte. Woher dieser nirgendwo verbriefte Whodunit-Befehl beim ARD-Sonntagabendkrimi kommt, könnte einem auch mal jemand erklären – wo doch nicht selten die Folgen als Klassiker vorgezeigt werden, die sich den Stress mit der Täterraterei gar nicht erst gemacht haben.
Zumal sich die Ermittlung in diesem Dortmunder Tatort ziemlich zieht. Sinnbild dafür ist der Teenagersohn der Toten, der seinen Auftritt lange wortlos bestreitet. Oder wie oft Fanny Bellmes die Tür zu ihrem Haus öffnen muss für einen Besuch vom Kommissar – kein Wunder, dass die Polizei unter solchen Umständen 90 Minuten braucht für die Aufklärung.
Kommissarin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) wird zudem undercover ins Frauenhaus eingeschleust, um dort Hinweise aus arglos scheinenden Gesprächen zu ziehen, und wer zum ersten Mal einen Film sieht, mag das mit der verdeckten Ermittlung für eine fesche Idee halten. Für alle anderen wäre ein wenig Ehrgeiz belebend, den abgenutzten Standard etwas aufzupolieren – wenn schon immer wieder zum Undercover-Einsatz gegriffen werden muss.