"Taktiker" Hasenhüttl und der Wolfsburger Mammutkader - da kommt was auf ihn zu

vor 2 Tage 1

Sonderlob für die zweite Reihe: Wolfsburgs Trainer Ralph Hasenhüttl hebt seine Einwechselspieler hervor, befeuert den Konkurrenzkampf. In einem zu großen Kader, der Chancen bietet, aber auch Gefahren birgt.

 Trainer Ralph Hasenhüttl muss in Wolfsburg einen großen Kader bei Laune halten.

Als Moderator gefordert: Trainer Ralph Hasenhüttl muss in Wolfsburg einen großen Kader bei Laune halten. IMAGO/Revierfoto

Die Matchwinner waren relativ simpel herauszufiltern beim Wolfsburger 3:1 in Bochum: Jonas Wind erzielte zwei Tore, Mohammed Amoura bereitete zwei vor und holte zudem noch den Strafstoß zur Entscheidung heraus, auch Tiago Tomas erfüllte mit seinem ersten Saisontreffer endlich mal die Erwartungen. Und dann waren da noch die drei Innenverteidiger Sebastiaan Bornauw, Denis Vavro und Konstantinos Koulierakis, die ganz viel blockten, rausköpften, lange Bälle schlugen und vor dem wieder einmal starken Torwart Kamil Grabara den zweiten Saisonsieg ermöglichten. Ralph Hasenhüttl aber hob andere hervor: seine fünf Einwechselspieler.

Sie haben für uns das Spiel gewonnen.

Wolfsburgs Trainer Ralph Hasenhüttl lobt seine Einwechselspieler

Er müsse sie loben, strich der VfL-Trainer heraus. "Wir konnten von der Bank noch mal richtig Qualität nachlegen, sie haben das Spiel für uns gewonnen." Namentlich: Kilian Fischer, Patrick Wimmer, Salih Özcan, Yannick Gerhardt und Joakim Maehle. Bochum hatte den Anschlusstreffer erzielt, da brachte Hasenhüttl nach und nach frischen Wind von der Bank. Mit dem gewünschten Effekt. "Alle waren sofort im Spiel, das ist wichtig für uns", so der Coach, der zuletzt erleben musste, wie die Bayern (3:2), Leverkusen (4:3) und Stuttgart (2:2) gegen sein Team von einer starken Reserve profitierten.

Bayerns Thomas Müller brachte dem Spiel als Joker die Wende, Leverkusens Victor Boniface und Stuttgarts Deniz Undav trafen frisch ins Spiel gekommen entscheidend. "Wir haben das leidvoll selbst erleben müssen, wenn Topteams gute Spieler von der Bank gebracht haben", sagt Hasenhüttl, "das kann einfach noch mal ein Gamechanger sein."

So soll’s auch in Wolfsburg sein. Nun lag Hasenhüttl beim Lob für seine in Bochum ins Spiel gebrachten Reservisten keinesfalls falsch, und doch ist es wohl auch ein taktisches Manöver des Trainers, die Akteure aus der zweiten Reihe dermaßen hervorzuheben. "Wir brauchen jeden einzelnen Spieler", betont der Österreicher. Und das sind in Wolfsburg ziemlich viele.

Schon bald sitzen prominente Namen auf der Tribüne

31 Profis umfasst der Kader des VfL, für zwei Wettbewerbe ein echtes Mammutaufgebot, dem der Trainer irgendwie Herr werden muss. Startelfspieler bei Laune zu halten, ist nicht das ganz große Problem. Sind aber alle Akteure fit, sind zwei Drittel des Kaders (abzüglich derer, deren Rolle wie bei den Ersatzkeepern ganz klar definiert ist) an einem Spieltag erst einmal enttäuscht. Weil es nur für die Bank reicht oder nur noch für einen Platz auf der Tribüne. Dort werden schon bald prominente Wolfsburger Namen sitzen. Da kommt was zu auf Hasenhüttl, der mehr denn je als Moderator gefragt sein wird. Begonnen hat er damit schon jetzt.

Ursprünglich wollte es der 57-Jährige auch gar nicht so haben. "Ich hasse es", sagte er im April noch, "Spieler auf die Tribüne zu schicken. Ich arbeite lieber mit einem kleinen Kader zusammen. Dadurch ist es einfacher, eine Atmosphäre zu kreieren, in der jeder Spieler wichtig ist und gebraucht wird." Schöne Idee, jedoch: Schon bald muss Hasenhüttl in die ungeliebte Rolle des Wegweisers in Richtung Tribüne schlüpfen.

Wolfsburger Talente in der Warteschleife

Bislang hat es nur die Wolfsburger Talente erwischt, was freilich bedauerlich genug ist. Aus der Hoffnung, eine realistische Einsatzperspektive für die Hochbegabten zu schaffen, wurde angesichts des Riesenaufgebots erst einmal nichts, sie hängen in der Warteschleife. Innenverteidiger David Odogu gehörte immerhin schon dreimal zum Spieltagsaufgebot, dem Bennit Bröger, der am letzten Spieltag der Vorsaison sein Bundesligadebüt feierte, nun schon seit vier Partien nicht mehr angehört. Auch Neuzugang Mathys Angely wird wie die beiden Kollegen für Spielpraxis zur U 19 geschickt - wo wiederum andere Talente Platz machen müssen. Eine U 23 bzw. U 21 gibt es in Wolfsburg nicht mehr. Bence Dardai, von Hertha BSC verpflichtetes 18-jähriges Großtalent, kam lediglich am 2. Spieltag in Kiel (2:0) zu einem Elf-Minuten-Einsatz und wartet seither auf eine weitere Bewährungschance.

Das könnte kompliziert werden, denn das Gedränge im Kader nimmt nun noch weiter zu. Joakim Maehle kehrte nach seiner Sprunggelenkverletzung bereits zurück, nach der Länderspielpause dürften Lovro Majer und Mattias Svanberg (beide ebenfalls Sprunggelenk) folgen, Linksverteidiger Rogerio (nach Knie-OP) will bald wieder dabei sein, Lukas Nmecha dürfte am Donnerstag (13 Uhr, LIVE! bei kicker) im Testspiel gegen Zweitligist Magdeburg sein langersehntes Comeback feiern. Und auch Kevin Paredes (Fußverletzung) kommt voran. Fast alle Nationalspieler ihres Landes, die den Anspruch haben, Stammspieler beim VfL zu sein. Einzig mit Bartosz Bialek (Kreuzbandriss) kann nicht geplant werden.

Seine April-Meinung hat Hasenhüttl notgedrungen geändert

Hasenhüttl ist gefordert. Als Moderator. Als Besänftiger. Als Mutmacher. Seine Meinung aus dem April hat er - notgedrungen - geändert. "Man sieht, wie schnell Verletzungen und Krankheiten auftreten können", erklärte er dem kicker, "dementsprechend glaube ich, dass man in diesem intensiven Spiel einen großen Kader benötigt." Einen Kader, in dem er auf jeder Position mindestens eine Alternative hat. "Das haben wir, vielleicht noch den einen oder anderen mehr. Aber wir hatten in der Vorbereitung auch Spieler, die keine einzige Trainingseinheit mitgemacht haben, bei denen wir nicht wussten, ich welche Richtung es geht. Lukas Nmecha, Aster Vranckx, da kannst du nicht einfach sagen, die werden schon wiederkommen. Du musst schauen, dass du konkurrenzfähig bist, deswegen war es notwendig, dass wir Alternativen schaffen."

Der Trainer, dem ursprünglich 22, 23 Spieler locker gereicht hätten, setzt nun auf den positiven Effekt des Riesenaufgebots. "Wir haben Konkurrenzdruck auf allen Positionen. Das ist normalerweise leistungsfördernd, wenn das Miteinander in der Gruppe nicht auf der Strecke bleibt. Das ist ganz wichtig." Und die große Herausforderung.

Frust im Kader ist programmiert

Schließlich besteht angesichts des fehlenden internationalen Geschäfts für den Trainer keinerlei Notwendigkeit, die Rotationsmaschine in Gang zu bringen. Und bislang nahm Hasenhüttl auch wenig Wechsel vor. "Aber", so macht er den Reservisten Hoffnung: "Ich habe kein Problem, anderen Spielern eine Chance zu geben. Es sind alle heiß, alle wollen spielen." Doch nur 16 dürfen pro Spieltag. Frust ist da programmiert.

Thomas Hiete

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