Im Süden Syriens greifen die Beduinen eigenen Angaben zufolge erneut die Drusen an – trotz Waffenruhe. Syrien berichtet über einen israelischen Luftangriff nahe Suweida.
17. Juli 2025, 23:33 Uhr Quelle: DIE ZEIT, dpa, Reuters, AFP, als
Kurz nach dem Inkrafttreten einer Waffenruhe in Syrien haben die Beduinen eigenen Angaben zufolge erneut eine Offensive gegen drusische Kämpfer gestartet. Die Beduinen fühlten sich an die Feuerpause nicht gebunden, denn diese gelte nur für die syrische Armee, sagte ein Kommandeur der Beduinen der Nachrichtenagentur Reuters. Ziel sei die Befreiung von Beduinen, die von drusischen Kämpfern in den vergangenen Tagen gefangen genommen worden seien.
Am späten Donnerstagabend meldete die syrische staatliche Nachrichtenagentur Sana, Israel habe in der Nähe der syrischen Stadt Suweida einen Luftangriff durchgeführt. Nähere Details waren zunächst nicht bekannt.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan warf Israel unterdessen vor, zu versuchen, den Waffenstillstand in Syrien zu sabotieren. Die Türkei werde nicht zulassen, dass Syrien geteilt oder seine multikulturelle Struktur und territoriale Integrität beschädigt werde, sagte Erdoğan nach einer Kabinettssitzung. Das Vorgehen Israels zeige, dass es keinen Frieden wolle. Zuvor hatte er mit dem syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Sharaa über die israelischen Angriffe auf Damaskus gesprochen.
Die syrischen Regierungstruppen hatten sich in der Nacht zum Donnerstag aus der Drusen-Stadt Suweida zurückgezogen. Die syrische Regierung hatte die Truppen am Montag in die Region abkommandiert, um Kämpfe zwischen der religiösen Minderheit der Drusen und den sunnitischen Beduinen zu beenden. Diese gerieten dann jedoch selbst in Gefechte mit den Drusen-Milizen. Israel griff daraufhin nach eigenen Angaben zum Schutz der drusischen Minderheit ein. Am Mittwoch hatte die israelische Luftwaffe auch Ziele in der Hauptstadt Damaskus bombardiert, unter anderem auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums, wo das militärische Hauptquartier liegt, sowie ein Ziel in der Nähe des Präsidentenpalastes.
Mehr als 500 Menschen getötet
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei den Kämpfen mehr als 500 Menschen getötet, darunter viele Zivilisten. Die Beobachtungsstelle warf den syrischen
Regierungstruppen schwere Menschenrechtsverletzungen vor,
darunter die Hinrichtung von 83 drusischen Zivilisten. Ihre Leichen
seien an Straßenrändern hinterlassen worden, teils gefesselt oder
verbrannt.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will keine syrischen Regierungstruppen südlich der Hauptstadt Damaskus zulassen. "Wir werden syrischen Streitkräften nicht erlauben, in die Region südlich von Damaskus einzudringen", sagte Netanjahu in einer Videoansprache. Eine weitere rote Linie sei "der Schutz unserer Brüder, der Drusen". Israel werde weiterhin militärische Mittel einsetzen, um seine roten Linien durchzusetzen, sagte Netanjahu.
Aufgrund des Eingreifens des israelischen Militärs in Syrien sei eine Waffenruhe in Kraft getreten und die syrischen Streitkräfte hätten sich nach Damaskus zurückgezogen, sagte Netanjahu weiter. Die Feuerpause sei "mit Stärke erreicht worden. Nicht durch Bitten, nicht durch Appelle – mit Stärke", sagte er.
Der syrische Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa warf Israel vor, das Land spalten zu wollen. Er versprach, die drusische Bevölkerungsminderheit zu schützen. Scharaa führte den Truppenrückzug auf die Vermittlung der USA, arabischer Staaten und der Türkei zurück, die "die Region vor einem ungewissen Schicksal bewahrt" habe.
Die Drusen sind eine arabische Religionsgemeinschaft, die aus dem Islam hervorgegangen ist, sich aber nicht als muslimisch betrachtet. Drusen leben auch auf israelischem Gebiet. Viele dienen dort freiwillig im Militär. Die sunnitischen Beduinen stehen seit Jahrzehnten in Konflikt mit den Drusen.