Streit unter Fotografen: Wer hat „Napalm Girl“ aufgenommen?

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Ein junges Mädchen hat sich die brennenden Kleider vom Leib gerissen und flieht schreiend, das Entsetzen im Gesicht, über eine Straße vor der Bombardierung ihres Dorfes Trang Bang mit Napalm – das Foto vom 8. Juni 1972 trägt den Titel „The terror of war“, wurde auch bekannt als „Napalm girl“ und ist ein Symbolbild für den Vietnamkrieg. Es brachte Nick Út 1973 den Pulitzer-Preis und den World Press Photo of the Year Award ein.

Jetzt, mehr als 50 Jahre später, gibt es Zweifel, ob wirklich er das Bild aufgenommen hat. Die World-Press-Photo-Gruppe hat bekanntgegeben, die Namensnennung des Fotografen Nick Út als Urheber des Fotos auszusetzen. Die Mitteilung folgte auf monatelange Untersuchungen, die der Dokumentarfilm „The Stringer“ des vietnamesischen Regisseurs Bao Nguyen, der im Januar beim Sundance Film Festival 2025 Premiere feierte, ausgelöst hatten.

Der Film legt nahe, dass nicht Nick Út, sondern der vietnamesische freiberufliche Fotograf Nguyen Thanh Nghe das Foto aufgenommen hat, der vom US-Sender NBC als Fahrer engagiert worden war. Er fotografierte jedoch auch. Sein unentwickelter Film, der an diesem Tag im Juni entstand, soll von seinem Bruder zum Büro der Associated Press in Saigon gebracht und von Horst Faas, dem damaligen Direktor der Agentur, für zwanzig Dollar gekauft worden sein. In der Dunkelkammer, in der gleichzeitig Filme von Út entwickelt wurden, sei es möglicherweise zu einer Verwechslung gekommen, wird im Film vermutet. Oder, auch das legt der Dokumentarfilm nah, die Bilder wurden absichtlich mit dem Namen des schon etablierten Fotografen signiert.

Die Kamera des gefallenenen Bruders im Gepäck

Sogar einen dritten möglichen Urheber des Bildes soll es geben, der in zuvor unbekanntem Filmmaterial von NBC sichtbar ist: der vietnamesische Militärfotograf Huynh Cong Phuc. Er ist in den Aufnahmen sehr nah an der Position zu erkennen, von der aus das berühmte Foto gemacht wurde.

Skandal, Verärgerung, Gegenoffensive. Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP), für die Nick Út damals tätig war, hat unter dem Eindruck des Films eine umfassende Analyse vorgenommen. Sie soll ergeben haben, dass das Foto wahrscheinlich mit einer Pentax-Kamera aufgenommen wurde – und nicht, wie bisher angenommen, mit einer Leica. Dieses Ergebnis stützt die Version von Nghe, der angibt, eine Pentax benutzt zu haben.

Doch auch Út hat gegenüber AP bestätigt, dass er neben seinen Leica- und Nikon-Kameras auch eine Pentax bei sich führte – ein Erbstück seines im Krieg gefallenen Bruders. AP teilte mit, die Beweise seien nicht eindeutig genug, um ihm die Urheberschaft des Fotos zu entziehen. Die Agentur bezeichnete es als „möglich“, dass er es aufgenommen habe. Unterstützung für den Fotografen kam auch von der 62 Jahre alte Phan Thi Kim Phúc selbst, das Mädchen auf dem Bild. Die Behauptungen des Films seien falsch, sagte sie und und verwies auf Augenzeugenberichte, die Út als Fotografen bestätigt haben.

Das alles ändert nichts an der historischen Bedeutung des Bildes. Das betonte auch die Direktorin der World Press Photo-Gruppe, Joumana El Zein Khoury. Das Foto bleibe „ein echtes Dokument“ dessen, was an jenem Tag in Vietnam geschah. In der Liste der Auszeichnungen der Plattform wird es nun als anonymes Werk geführt.

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