Mats Rudolph, Co-Vorsitzender der Jusos Leipzig:
»Ich habe noch nicht gewählt, aber ich werde mit »Nein« stimmen.«
Clara Bundesmann, stellv. Vorsitzende Jusos Leipzig:
»Ich habe bisher noch nicht meine Stimme abgegeben, ich denke aber, dass ich auch eher gegen den aktuellen Koalitionsvertrag stimmen werde.«
Johannes Gruhn, SPD–Mitglied:
»Auf der anderen Seite, wenn das jetzt halt abgelehnt wird, ist halt die Chance bezüglich Neuwahlen meines Erachtens nach relativ hoch. Das könnte vielleicht auch nach hinten losgehen.«
Treffen bei den Jusos in Leipzig. Hier herrscht Unmut, Verunsicherung – und erhöhter Gesprächsbedarf.
Mareike Engel, Landesvorsitzende Sachsen/stellv. Bundesvorsitzende:
»Dann begrüße ich euch erst mal zu unserer – ja, wie sag’ ich das Auskotz- und aber auch Fragerunde zum Koalitionsvertrag…«
Die Landesvorsitzende und der Co-Vorsitzende zoomen sich am Abend nach Beginn des Mitgliedervotums zusammen.
Mareike Engel, Landesvorsitzende Sachsen:
»Wir haben heute eine Schalte mit unseren Mitgliedern, weil uns das superwichtig ist, zu sehen: Wer hat wo Bauchschmerzen, wo ist Kritik und wo ist vielleicht auch etwas Positives. Wir haben dazu unsere drei Bundestagsabgeordneten eingeladen und ich freue mich darauf.«
Es geht direkt ans Eingemachte:
Teilnehmer im Zoom-Call:
»Wie wollen wir eigentlich in den nächsten vier Jahren sozialdemokratische Politik machen, vor allem glaubwürdig?«
»Wenn wir immer von der Alternativlosigkeit sprechen: Ja klar, was wäre die Alternative, wenn wir der Koalition nicht zustimmen? Aber begeben wir uns damit nicht oder bringen wir unsere Mitgliedschaft damit nicht in gewisse Erpressbarkeit?«
Können die Abgeordneten aus Berlin die jungen Genossinnen und Genossen überzeugen, doch noch mit »Ja« zu stimmen?
In den kommenden Wochen sind die rund 385.000 SPD-Mitglieder dazu aufgerufen, über den Koalitionsvertrag abzustimmen. In der SPD gibt es etwa 70.000 Jusos. Der Nachwuchs ist nicht zu unterschätzen, das weiß auch die Parteispitze. Der Vorsitzende redet den Mitgliedern ins Gewissen:
Lars Klingbeil, SPD-Vorsitzender:
»Und liebe Genossinnen und Genossen, es steht verdammt viel auf dem Spiel und deswegen geht es darum, die Frage zu beantworten, ob wir es hinbekommen, eine stabile Regierung in diesem Land zu bilden. Wenn wir das jetzt verbocken. Wer weiß, was das für die Bundestagswahlen 29 oder 33 in diesem Land bedeutet. Deswegen ist es eine verdammt hohe Verantwortung, die wir hatten in den Verhandlungen und die ihr jetzt habt als Mitglieder, wenn ihr darüber abstimmt, ob wir in diese Koalition gehen oder nicht.«
Die Medizinstudentin Mareike Engel ist Landesvorsitzende der Jusos in Sachsen und stellvertretende Bundesvorsitzende. Dass eine 16-Prozent-Partei nicht das Wahlprogramm eins zu eins umsetzen kann, ist ihr klar. Trotzdem fordert sie Nachbesserungen.
Mareike Engel, Landesvorsitzende Sachsen:
»Viele der relevanten Fragen unserer Zeit sind nicht beantwortet. Ich mache vor allem natürlich in Ostdeutschland Politik und muss sagen, dass der immer weiter getriebene Rechtsruck, der sich in der gesamten Gesellschaft zieht und den wir viel stärker hier auch vor Ort spüren, dass ich den nicht im Koalitionsvertrag wiederfinde, dass da keine Antworten darauf sind, wie wir dem begegnen wollen. Und deswegen lässt mich das in ganz vielen Punkten sehr, sehr ratlos zurück.«
Rückblick: 2018 mobilisiert der damalige Juso-Chef Kevin Kühnert mit einer No-GroKo-Kampagne breite Teile der SPD. Auch damals zerreißt ein schwarz-roter Koalitionsvertrag die Partei. Für den Fall von Neuwahlen sehen Umfragen die SPD bei nur 16 Prozent. Klingt bekannt?
Andrea Nahles, SPD-Vorsitzende (2018):
»Ich bin eine da vorne, die alles gibt. Helft mir damit und unterstützt mich dabei, die SPD muss wieder stark werden für die Menschen in Deutschland!«
Am Ende stimmt eine große Mehrheit der SPD doch für den damaligen Koalitionsvertrag. Und diesmal?
Die Leipziger Jusos grillen ihre Bundestagsabgeordneten im Videocall:
Mats Rudolph, Co-Vorsitzende der Jusos Leipzig:
»Glaubt ihr, dass das, was als Programm in diesem Koalitionsvertrag drinsteht, wirklich dazu in der Lage ist, die Probleme in diesem Land zu lösen?«
Clara Bundesmann, stellv. Vorsitzende Jusos Leipzig:
»Und da stellt sich bei mir vorwiegend die Frage, wie man sich von der AfD abgrenzt bzw. deutlich abgrenzt?«
Die Jusos diskutieren Themen von Migration bis Paragraf 218. Ganz gehört fühlen sie sich offenbar nicht. Das beruht auf Gegenseitigkeit.
Rasha Nasr, Wahlkreis Dresden:
»Und deswegen jetzt zu fragen, da bin ich jetzt wirklich ein bisschen pissig, wie das mit unserem linken Weltbild vereinbar ist, unterstellt, dass wir gut finden, was da teilweise drinsteht. Und das finde ich nicht cool.«
Mareike Engel, Landesvorsitzende Sachsen/stellv. Bundesvorsitzende:
»Ich finde das so ein bisschen spannend, weil ihr versucht, so ein bisschen zu argumentieren, was wegen der CDU alles nicht funktioniert hat. Ich glaube aber, und das ist in den Wortbeiträgen von den anderen klar herausgekommen, dass wir schon auch das Gefühl haben in weiten Teilen, dass unsere eigene Partei, vor allem unsere Parteispitze, da nicht so großen Handlungsbedarf sieht.«
Holger Mann, Sprecher Landesgruppe Sachsen:
»Es würde mich freuen, wenn ihr im Zweifelsfall mehr die Union und ihre Position kritisiert als unsere Mutterpartei. Ich war selber mal Juso-Landesvorsitzender. Ich weiß, dass bringt natürlich mehr Öffentlichkeit, wenn man den eigenen Laden kritisiert.«
Nach mehr als zwei Stunden hitziger Debatte, ein letztes Plädoyer der Abgeordneten Kathrin Michel:
Kathrin Michel, Wahlkreis Görlitz:
»Wenn sich die geopolitischen Verhältnisse ändern, dann können wir doch nicht davon ausgehen als SPD, dass wir so bleiben können, wie wir sind, oder wie wir waren.«
Am 30. April steht das Ergebnis des Mitgliedervotums fest – und damit die möglichen Konsequenzen für ganz Deutschland.
Mats Rudolph, Co-Vorsitzender Jusos Leipzig
»Wir gehen in den Diskurs auf jeden Fall rein und machen unsere Punkte stark, und am Ende ist natürlich jede Person frei sich zu entscheiden und zu verhalten, ich glaube auch dass es eine sehr schwierige Situation ist. Am Ende glaube ich aber schon, dass unsere Analyse und Einschätzung als Jusos richtig zu sagen: Nein, und hier müssen Nachverhandlungen kommen.«
Clara Bundesmann, stellv. Vorsitzende Jusos Leipzig:
»Ich würde mir noch einmal gerne die Zeit nehmen, den Koalitionsvertrag wirklich durchzulesen und nochmal sacken zu lassen. Und dafür nehme ich mir einfach gerne euch ein paar Tage mehr Zeit.«
Mareike Engel, Landesvorsitzende Sachsen/stellv. Bundesvorsitzende:
»Ich glaube, der Austausch war superwichtig. Nichtsdestotrotz müssen wir sagen, dass natürlich bei uns super viele Kritikpunkte auch bleiben. Und ich bin auf jeden Fall auch nach der Schalte fest entschlossen, bei dem Koalitionsvertrag mit Nein zu stimmen.«