Spanien: Rechtsradikale hetzen in Torre Pacheco

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Sie kamen mit Schlagstöcken und Macheten, manche trugen dunkle Kapuzen, andere hatten ihr Gesicht vermummt. Seit vergangenen Freitag sorgen einige hundert junge Männer für Krawall im Städtchen Torre Pacheco in der Provinz Murcia, wenige Kilometer von der Lagune Mar Menor entfernt.

Zur „Jagd auf Einwanderer“ hatten sie sich in sozialen Medien verabredet. Auslöser war ein hässlicher Vorfall in der vergangenen Woche. Ein 68-jähriger Mann war von jungen Männern, mutmaßlich marokkanischer Abstammung, verprügelt worden. Bilder und Videos gingen durch das Internet, echte und falsche. Für selbsternannte Patrioten war das Anlass genug, nach Torre Pacheco zu reisen, um den „moros“ einzuheizen, wie Einwanderer aus Nordafrika oft abschätzig genannt werden. Seither versucht die lokale Polizei mit Dutzenden hinzugerufenen Zivilgardisten eine Gewaltspirale zu verhindern. Noch in der Nacht zum Sonntag flogen Flaschen, ein Dönerladen wurde demoliert.

Viele fühlen sich ausgegrenzt und chancenlos

Fast ein Drittel der Einwohner des Ortes hat marokkanische Wurzeln. Viele von ihnen sind in der Landwirtschaft beschäftigt, vor allem mit dem Anbau von Melonen, und das teils seit Jahrzehnten. Die meisten Nachkommen sind in Spanien geboren und sprechen kein Arabisch. Viele fühlen sich dennoch ausgegrenzt und chancenlos. Im Angesicht der angereisten Rechtsextremen haben sich einige von ihnen zusammengerottet. Die Polizei stellte auch auf Seiten der Anwohner Molotowcocktails und Schlagwaffen sicher, berichtete die Zeitung El Mundo.

Für die rechtspopulistische Partei Vox kam der Vorfall zur rechten Zeit. Der Vorsitzende der Region Murcia, José Ángel Antelo, trat am Samstag in Torre Pacheco auf und und schimpfte auf die „schändlichen und verräterischen Politiker“, welche „die Straßen mit den Schlimmsten der Schlimmsten gefüllt“ hätten.

„Wir werden sie alle abschieben, keiner wird bleiben“, sagte Antelo. Damit sprach er seiner Parteiführung nach den Lippen. Eine Sprecherin von Vox hatte einige Tage vor dem Krawall gefordert, mindestens sieben Millionen Einwanderer plus deren Kinder des Landes zu verweisen. Diese Zahl dementierte Parteichef Santiago Abascal kurz darauf, um klarzustellen, er wolle alle „illegalen Einwanderer“ ausweisen, deren Zahl man schlicht nicht kenne.

Der Premier sagt: Heute sei Spanien eben ein „Land des Willkommens“

Gemeint seien insbesondere jene, die „gekommen sind, um Verbrechen zu begehen“, ebenso wie jene, die „eine befremdliche Religion aufzwingen“. Letzteres lässt ahnen, worum es den Rechtsradikalen in Spanien tatsächlich geht: um den Kampf gegen den Islam, der mit der Einwanderung aus Afrika einhergeht. Gegen christliche Migranten aus Südamerika Stimmung zu machen, von denen Hunderttausende ohne Papiere im Land leben, fällt auch den Rechtspopulisten schwer. Zu sehr werden die „latinos“ als billige Arbeitskräfte geschätzt, in der Pflege, auf dem Bau, als Haushaltshilfen.

Spaniens sozialistischer Premier Pedro Sánchez entgegnete den Tiraden der Vox-Führung auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, Spanien sei jahrzehntelang ein Land der Auswanderer gewesen, heute sei es eben ein „Land des Willkommens“.

Doch Fremdenfeindlichkeit scheint sich für Abascal und seine Partei auszuzahlen. Laut der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CIS stehen die Rechtspopulisten bei knapp 19 Prozent Zustimmung. Bei der Wahl im Sommer 2023 hatten sie 12,4 Prozent der Stimmen bekommen. Jeder fünfzigste Spanier würde derzeit sogar die Antisystem-Partei des Verschwörungstheoretikers Alvise Pérez wählen. Dieser hatte online gedroht, „unsere Leute“ zusammenzurufen, um „massiv“ im Einwandererviertel in Torre Pacheco vorzugehen.

Zu dem Rechtsruck in Spanien trägt allerdings auch die Schwäche der Sozialisten bei, die jüngst von einem Korruptionsskandal in ihrer Führungsspitze erschüttert wurden. Das Vertrauen in Premier Sánchez ist auf einem Tiefpunkt, und dem Anführer der gemäßigt-konservativen Oppositionspartei Partido Popular gelingt es kaum, daraus politisches Kapital zu schlagen. Unter jungen Spaniern liegt die Zustimmung für Vox sogar bei rund 25 Prozent.

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