Schleswig-Holstein: Eklat um Gedenkfeier für Opfer des Naziregimes

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In Schleswig-Holstein kündigt sich vor dem zentralen Gedenken für die Opfer des Naziregimes ein Eklat an. Anlass ist der Ort der Gedenkfeier am 27. Januar, die Marineschule in Flensburg-Mürwik. Auf dem Areal residierte kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs die letzte Reichsregierung von Hitler-Nachfolger Karl Dönitz.

Die SPD-Fraktion im Kieler Landtag warf der Gastgeberin, Landtagspräsidentin Kristina Herbst (CDU), mangelndes Taktgefühl vor. Der SPD-Abgeordnete Kianusch Stender sagte, der Ort könne als »respektlos gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und ihren Angehörigen empfunden werden«. In Mürwik hätten sich »Massenmörder und Manager des Holocaust verschanzt«.

Offener Brief von Gedenkstättenvertretern

Auch ein Bündnis von Vorsitzenden mehrerer Gedenkstätten im Land übte scharfe Kritik. »Es ist für uns nicht nachvollziehbar, das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes – zentrale Aufgabe des 27. Januar – am ausgewiesenen Täterort Mürwik zu praktizieren«, heißt es in einem offenen Brief an den Kieler Landtag.

Unterzeichnet haben unter anderem der Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein, die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing und die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Ladelund. Auch der Landesvorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht, findet sich in der Liste.

Landtag verteidigt sich

Ein Sprecher des Landtags teilte auf SPIEGEL-Anfrage mit, »nach hiesiger Wahrnehmung« werde die Wahl des Ortes »nicht als respektlos« empfunden. Die Jüdische Gemeinde Flensburg etwa habe sich »aktiv an der Gestaltung des Rahmenprogramms beteiligt«.

Dem Landtag sei wichtig, dass man sich »kritisch mit der eigenen Landesgeschichte sowie der Rolle der Marine in Schleswig-Holstein während des Zweiten Weltkriegs« auseinandersetze. Mit der Gedenkveranstaltung in der Marineschule wolle man der Geschichte »ganz bewusst« etwas entgegensetzen.

Historiker kontert Kritik

Auch der Historiker Michael Epkenhans, bis 2021 leitender Wissenschaftler am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, konterte die Kritik. Dem SPIEGEL sagte er: Jeder Ort, an dem deutsche Soldaten vor 1945 für einen »in seinen Dimensionen beispiellosen Revisions-, Raub- und Vernichtungskrieg ausgebildet wurden«, sei »ein richtiger Ort zur Erinnerung«. Auch die Marineschule Mürwik.

Am 27. Januar 1945, vor 80 Jahren, hatten alliierte Truppen das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Im Jahr 1996 bestimmte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar als Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Zur Feier in Flensburg-Mürwik erwartet der Landtag 150 bis 180 Gäste, darunter Vertreter von Opfern und Kirchen. Als Redner tritt der renommierte Militärhistoriker Sönke Neitzel auf.

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