Die Arzneimittel-Situation in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Auch in der Wintersaison 2024/25 sprachen Apotheker und Ärzte von Lieferengpässen bei mehreren Hundert Medikamenten. Nun sehen die Pharmazeuten wieder Probleme auf Deutschland zukommen.
„Auch in diesen Winter gehen wir sehr schlecht vorbereitet. Das Thema Lieferengpässe bei Arzneimitteln ist ein Dauerthema geworden in den Apotheken“, sagte Thomas Preis, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, der „Bild am Sonntag“. Leidtragende seien nicht nur die Apotheken und Ärzte, „sondern in erster Linie Patientinnen und Patienten“.
Sehr große Sorgen machen mir grundsätzlich die Lieferengpässe. Wir werden da noch sehr lange mit kämpfen müssen.
Thomas Preis, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
Aktuell seien mehr als 500 Medikamente offiziell als schwer verfügbar gemeldet, bei einigen liege sogar ein „Versorgungsmangel“ vor, sagte Preis weiter. Besonders betroffen seien Antibiotika-Säfte für Kinder, das Asthma-Mittel Salbutamol sowie ADHS-Medikamente. Bei Fieber-, Erkältungsmitteln und Hustensäften sei dagegen „die Versorgung sichergestellt“.
Abhängigkeit von China und Indien bei Produktion
Als Grund für die Engpässe nannte Preis die Abhängigkeit von Produktionsstätten außerhalb Europas. „Deutschland war früher die Apotheke der Welt, jetzt steht die Apotheke der Welt in China oder Indien“, bemängelte Preis. „Und wenn dort Werke Produktionsprobleme haben, dann schlägt sich das sofort in der Versorgung in Europa und in Deutschland nieder.“
Zuletzt hatte es immer wieder Versorgungsengpässe bei Medikamenten gegeben, betroffen waren regelmäßig vor allem Kinderarzneimittel. Preis machte deutlich, dass er auch für die nächsten zehn Jahre eher pessimistisch auf die Entwicklung blickt. „Sehr große Sorgen machen mir grundsätzlich die Lieferengpässe. Wir werden da noch sehr lange mit kämpfen müssen.“
Im Juni 2023 beschloss der Bundestag ein Gesetz, mit dem solche Situationen künftig vermieden werden sollen. Durch die Reform soll der Kostendruck auf die Pharmahersteller gesenkt werden, damit der Verkauf der Medikamente in Deutschland lohnenswerter wird. Mit dem Gesetz sollten Preisregeln für Kinderarzneimittel gelockert werden; Festbeträge und Rabattverträge werden abgeschafft.
Apotheker nennt Bürokratie „ganz schlimmes Thema“
Preis sagte weiter, die Bürokratie sei „ein ganz schlimmes Thema“ für die Apotheken. „Die Macht der Krankenkassen führt dazu, dass wir einen großen Teil unserer Zeit verschwenden müssen, um bürokratische Kontrollaufgaben der Krankenkassen zu übernehmen. Da ist ein grundsätzliches Misstrauen. Das ist nicht in Ordnung.“ Preis ist seit Januar 2025 Apotheker-Präsident, er ist Inhaber von zwei Apotheken in Köln.
Gleichzeitig kritisierte Preis mangelnde Aufsicht über die Online-Apotheken. „Wir haben ganz große Sorgen, dass die Versandhändler aus dem Ausland als Rosinen-Picker dieses System zerstören.“ Sie unterliefen geltendes Recht. „Hier gibt es eine Arzneimittelpreisverordnung, an die man sich halten muss. Diese Händler übertreten diese Verordnung tagtäglich tausendfach und unser Staat guckt tatenlos zu.“
Das System der öffentlichen Apotheken müsse geschützt werden. „Sie gehören zur Daseinsvorsorge. Das brauchen die Menschen wie Gas, Wasser, Strom.“
Mitte August hatte Preis bereits höhere Honorare für die Apotheken gefordert: „Seit 13 Jahren hat es keine spürbare Erhöhung der Honorare gegeben, dabei sind die Betriebskosten wie zum Beispiel die Energie- oder Lohnkosten explodiert. Immer mehr Apotheken geraten an die Grenze der Wirtschaftlichkeit“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. (lem)