Retrospektive Filmklassiker: Rivalinnen vor und hinter der Kamera

vor 12 Stunden 2

Hollywood beschäftigt sich am liebsten mit sich selbst. Das haben auch die Streamingdienste entdeckt, weshalb es etliche Serien bei Netflix, Apple TV oder Amazon Prime gibt, die von den Entstehungsgeschichten berühmter Filme handeln. „The Offer“ erzählt von der aberwitzigen Produktion des ersten „Paten“ von Francis Ford Coppola, dem so viele Steine in den Weg gelegt wurden, dass dieses Meisterwerk beinahe nicht zustande gekommen wäre.

In „The Studio“ schlüpft Matt Remnick in die Rolle eines stets am Abgrund lavierenden Filmproduzenten. Die Serie „Feud“ handelt von der erbitterten Fehde der Diven Bette Davis und Joan Crawford während der Dreharbeiten zu ihrem Spätwerk „What Ever Happened to Baby Jane?“ – dargestellt von den kon­genialen Kolleginnen Jessica Lange und Susan Sarandon. Das sind mindestens vier Gründe, sich beides anzuschauen, sowohl das Filmdrama von 1962 als auch die Serie über die Dramen jenseits der Leinwand.

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Im Fall von „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“ (Streamingdienste bieten hierzulande leider nur die deutsche Version an) kommt der spannungsreiche Aspekt hinzu, dass sich auch das Primärwerk mit dem Kino und seinen sichtbaren und unsichtbaren Kosten befasst. Der fast ausschließlich in einer heruntergekommenen Villa in Los Angeles spielende Schwarz-Weiß-Film von Robert Aldrich demaskiert auf grausam-groteske Weise die Glitzerfassade Hollywoods und die exzessive Ruhmsucht seiner Stars.

In einem klaustrophobischen Setting lässt Aldrich seine beiden alternden Schauspielerinnen in den Rollen zweier alternder Schauspielerinnen aufeinander los. Jane war zu Zeiten der Varietés ein Kinderstar, doch ihr Ruhm verblasste, und ihre bis dahin unbeachtete Schwester Blanche stieg zur Leinwandikone auf. In der Gegenwart der Erzählung ist Blanche (Crawford) an einen Rollstuhl gefesselt. Bei einem Autounfall, den Jane verursacht haben soll, wurde ihr Rückgrat gebrochen. Während der einstige Kinderstar grell geschminkt und mit wehenden Haaren wie ein Racheengel durchs Haus wandelt, obwohl sie ja die vermeintliche Täterin ist, wird das verwitterte Gemäuer für die hilflose Blanche immer mehr zu einem Gefängnis.

Gleichermaßen ehrgeizig, eitel und kapriziös

Schließlich eskaliert die lebenslange Rivalität der Schwestern, und der Film wandelt sich zu einer zutiefst sinistren Horror­ge­schichte. Dass der Film ein Klassiker wurde, verdankt sich zweifellos seiner fulminanten Besetzung. Wie es Aldrich gelang, Davis und Crawford überhaupt gemeinsam vor die Kamera zu bringen, beleuchtet die Serie „Feud“: Davis und Crawford waren seit den Dreißigerjahren Rivalinnen, gleichermaßen ehrgeizig, eitel und kapriziös. Dass sie sich auch im wirklichen Leben ­angeblich hassten, glaubt man nach diesem maliziösen Schauspiel sofort.

Die neunundfünfzigjährige Crawford, zu diesem Zeitpunkt bereits aus der ersten Riege Hollywoods aussortiert, wollte die Rolle unbedingt. Nicht nur weil sie einsam war und sich langweilte. Sie brauchte auch Geld, da ihr plötzlich verstorbener Mann, der Pepsi-Chef, ihr Millionenschulden hinterlassen hatte. Auch Bette Davis konnte trotz ihres Oscarerfolgs mit „All About Eve“ nie mehr richtig an diesen Erfolg von 1952 anknüpfen. Robert Aldrich hatte derweil Mühe, den Film zu finanzieren, weil kein etabliertes Studio bereit war, einen Film mit zwei Ex-Stars zu produzieren. Jack L. Warner sprach über Davis und Crawford nur von den two old washed-up broads.

Die US-amerikanische Schauspielerin Rita Hayworth im März 1952 in Hollywood, während in Spanien einige ihrer Filmplakate zensiert wurden.Die US-amerikanische Schauspielerin Rita Hayworth im März 1952 in Hollywood, während in Spanien einige ihrer Filmplakate zensiert wurden.Picture-Alliance

Um den Film zu retten, verzichteten die beiden zunächst auf einen Teil ihrer Gage. Das Duell gewann schließlich die vierundfünfzigjährige Davis, die für die Darstellung der wahnhaften Jane noch einmal für den Oscar nominiert wurde. Tatsächlich arbeitet die Charakterdarstellerin mit hohem Einsatz und Mut zur Hässlichkeit (richtiger Hässlichkeit, keiner hollywoodesken) sämtliche Facetten eines seelischen Abgrunds heraus.

Crawford als die scheinbar sanfte und vernünftige Blanche kann da nicht mithalten. Sie muss mehr als zwei Filmstunden im Rollstuhl sitzen und still leiden, während Jane es immer wilder treibt. Deren Hass geht so weit, dass sie erst Blanches Lieblingsvogel tötet und ihn der Schwester dann zum Essen serviert. Blanches einziger Kontakt zur Außenwelt ist die Haushälterin Elvira. Als diese immer misstrauischer wird, reißt Jane zuerst die Telefonleitung aus der Wand und erschlägt später Elvira. Bette Davis scheint spätestens hier in ih­rem Spiel an die Schmerzgrenze gelangt zu sein – und setzt dann immer noch eins drauf. Aus der gekränkten Seele eines abgetakelten Kinderstars entwickelt sie die Psychopathologie eines Menschen, der zu allem fähig ist.

Die beiden Schauspielerinnen haben nach diesem Wettstreit trotz des Erfolgs nie mehr zusammen gedreht. Wie sehr sie sich auf makabre Weise im wirklichen Leben ähnelten, das hat der amerikanische Kritiker Richard Scheib einmal angemerkt. Sowohl die Tochter von Joan Crawford als auch die von Bette Davis haben Bücher über die Grau­samkeit ihrer Mütter geschrieben. In „Mommie ­Dearest“ behauptete Christina Crawford 1978, von ihrer Mutter misshandelt worden zu sein. Barbara Davis beschrieb ihre 1985 in „My Mother’s Keeper“ als tyrannisch und alkoholkrank.

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