Lange abgeschrieben, am Ende ganz oben: Die SSVg Velbert krönte einen wilden Saison-Endspurt mit dem direkten Wiederaufstieg in die Regionalliga West. Doch auf die Euphorie folgen neue Herausforderungen - vor allem finanzieller Natur.

Im Laufe der Saison zusammengewachsen: Velbert spielt kommende Saison in der Regionalliga. IMAGO/Funke Foto Services
Als Marco de Stefano in der 63. Minute das 1:0 für die SSVg Velbert bei den Sportfreunden Baumberg erzielte, herrschte großer Jubel auf dem kleinen Kunstrasenplatz. Noch ein letztes Abwarten - dann der Abpfiff. Für die Velberter war das nicht nur ein Befreiungsschlag, sondern auch das Ticket für die Regionalliga West. Die mitgereisten Fans feierten ausgelassen, Rauchbomben stiegen in die Luft.
"Ein Aufstieg am letzten Spieltag ist etwas sehr Besonderes. Trotz der vielen Hindernisse - vor allem der langen Verletzungsserie, die ich so noch nie erlebt habe - haben die Jungs das große Ziel erreicht. Das ist absoluter Wahnsinn", sagt Trainer Ismail Jaouri, der in seiner ersten Spielzeit als Chefcoach den Aufstieg perfekt machte. Zu Saisonbeginn war der frühere Nachwuchstrainer von Rot-Weiß Oberhausen noch Co-Trainer, bevor er nach nur zwei Spieltagen für den überraschend zurückgetretenen Peter Radojewski übernahm.
Ungünstige Voraussetzungen in Baumberg
Die Voraussetzungen beim Spiel in Baumberg waren für die Gäste alles andere als ideal: Leistungsträger Robin Hilger musste bereits nach zwölf Minuten verletzt vom Feld, sein Ersatz Timo Böhm konnte zur Halbzeit nicht weitermachen. Die Velberter agierten oft am Limit - zum Abschlusstraining kamen gerade einmal 13 Spieler. Doch die Mannschaft kämpfte sich zurück und wuchs über sich hinaus.
"In der Hinrunde hatten wir bereits einige Ausfälle, doch in der Rückrunde kam der richtige Knall. Viele Spieler, die zuvor im Hintergrund standen, übernahmen Verantwortung. Die Mannschaft ist dadurch sehr zusammengewachsen", betonte Jaouri. Nach der Winterpause katapultierte sich die SSVg an die Tabellenspitze der Oberliga Niederrhein - trotz harter Rückschläge durch Verletzungen und personelle Engpässe.
Beim ersten Spiel nach der Pause bei der SpVg Schonnebeck (Velbert gewann 3:2) verletzten sich mit Manuel Schiebener und Tristan Duschke gleich zwei Leistungsträger am Kreuzband. Dass die Saison für Velbert ein gutes Ende fand, dürfte dem breiten Kader und nicht zuletzt der Erfahrung von Akteuren wie Torwart Marcel Lenz und Felix Herzenbruch zuzuschreiben sein.
Zwischenzeitlich hatte kaum noch jemand an das Ziel Regionalliga geglaubt. Schonnebeck schien enteilt, und die Velberter kämpften personell am Limit. Mit zunehmender Dauer der Saison griff ein Rädchen ins andere: "Unser Gegenpressing hat mir immer besser gefallen", lobt Jaouri die Lernfähigkeit.
Infrastruktur ist regionalligatauglich
Was ist nun in der Regionalliga möglich? Die Infrastruktur ist jedenfalls regionalligatauglich: Die moderne IMS-Arena samt Trainingsbedingungen entsprechen den Anforderungen der neuen Liga. Auch der Zuschauerschnitt lag in der vergangenen Saison mit 536 höher als bei manchem Regionalligisten.
Große finanzielle Sprünge sind jedoch nicht zu erwarten. Der Klub musste im sechsstelligen Bereich auf Sponsoring-Einnahmen verzichten. "Die Kaderplanung ist nahezu abgeschlossen. Wir setzen auf junge, hungrige und entwicklungsfähige Spieler", sagt Velberts Sportlicher Leiter Michael Kirschner: "Unsere Maxime ist, dass wir nur das ausgeben, was wir auch einnehmen."
Der Wechsel von Torjäger Andri Buzolli zur U 23 des FC Schalke 04 steht exemplarisch für diesen Kurs. Mit 17 Toren und 21 Vorlagen machte Buzolli oft den Unterschied aus. Sein Verlust tut den Velbertern weh, unterstreicht aber den eingeschlagenen Weg.
Junge Talente wie Jonah Lepper (22/neun Tore, neun Vorlagen beim FC Büderich), Marvin Brüggehoff (22) und Baran Seker (20), beide Leistungsträger beim am Ende chancenlosen Stadtkonkurrentten TVD Velbert, sollen die Zukunft prägen. Nicht nur für sie wird die Oberliga eine Herausforderung sein, sondern für das gesamte Team. Jaouri betont die Realität hinter dem sportlichen Erfolg: "Wir werden weiterhin unter Amateurbedingungen trainieren. Viele Spieler arbeiten nebenbei." Nun gelte es, die eigenen Stärken auszuspielen: "Wenn wir geschlossen als Team auftreten, dabei Kampfgeist und Leidenschaft zeigen, dann haben wir eine Chance."
Jörn Duddeck