Nach dem enttäuschenden Auftritt gegen Portugal geht es für die deutsche Nationalmannschaft am Sonntag gegen Frankreich um weit mehr als nur um Platz 3 in der Nations League.

Deutet vor dem Spiel um Platz 3 gegen Frankreich personelle Veränderungen an: Bundestrainer Julian Nagelsmann. picture alliance/dpa
An jener Stätte, an der vor elf Monaten die Träume vom Gewinn der Heim-EM im Viertelfinale durch eine denkbar unglückliche Niederlage gegen Spanien platzten, beendet die Nationalmannschaft am Sonntag gegen Frankreich (15 Uhr, LIVE! bei kicker) die Länderspiel-Saison. Als "bitterste Niederlage und ein trauriger Tag meiner Fußball-Karriere", bewertete Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der Pressekonferenz am Samstag noch immer mit sichtbarer Betroffenheit jenes 1:2 nach Verlängerung: "Die Dramaturgie des Spiels und die Ausschläge der Emotionen waren schon krass. Hätten wir gewonnen, wären wir dem großen Wurf ganz nahe gewesen."
Bei Gleichstand gleich Elfmeterschießen
Am Sonntag wird die Partie weit weniger Emotionen hervorrufen werden, das garantiert schon die Tatsache, dass das Spiel um Platz 3 bei Gleichstand nach 90 Minuten nicht in die Verlängerung gehen würde, sondern gleich im Elfmeterschießen entschieden wird. Nach ihren Halbfinal-Niederlagen ist in diesem ungeliebten Spiel um Platz 3 der Nations League in beiden Lagern die Luft raus, dennoch will Nagelsmann in der Stuttgarter Arena von seinem Kader eine deutlich giftigere und griffigere Darbietung sehen als beim 1:2 am Mittwoch gegen Portugal.
Nations League, Spiel um Platz 3
"Wir dürfen Fußball spielen, es muss keiner einen Acker umgraben", verdeutlichte Nagelsmann plakativ, dass er keinen Schlendrian duldet und notfalls in der nächsten Saison Konsequenzen ziehen wird: "Es geht darum, ein gutes Spiel zu machen und sich zu präparieren für die WM-Qualifikation. Ich denke, jeder Spieler will auch da dabeisein."
Zudem geht es gerade für die deutsche Mannschaft mit Blick auf die WM 2026 wichtige Weltranglisten-Punkte. Durch Italiens 0:3-Niederlage im WM-Qualifikationsspiel in Norwegen besteht immer noch die Möglichkeiten, vom aktuell zehnten Rang an den direkt davor platzierten Azzurri vorbeizuziehen. Bei der Endrunden-Auslosung für das Weltturnier im nächsten Jahr werden neben den drei Gastgebern Mexiko, USA und Kanada die ersten Neun der Weltrangliste als Gruppenkopf gesetzt. Daher Nagelsmanns Hinweis: "Das Spiel beinhaltet immer noch viele Facetten. Platz 3 ist die geringste Motivation, und das ist schon mal was Gutes."
Nagelsmann deutet personelle Veränderungen an
Während Frankreichs Trainer Didier Deschamps - auch wegen der gegenüber der DFB-Auswahl kürzeren Regenerationszeit - gegenüber dem 4:5-Spektakel gegen Spanien wohl munter durchwechseln wird, hat auch Nagelsmann Veränderungen gegenüber der Portugal-Partie geplant. Vermutlich wird er dabei von der Dreierreihe in der Abwehr abrücken und zur Viererkette wechseln, darauf deutet seine Ankündigung, er wolle durch einen zusätzlichen Mann mehr offensive Balleroberungen sehen: "Es geht darum, sie weit weg zu halten von unserem Tor und stabiler zu sein bei Ballbesitz."
Keine Rücksicht will der Bundestrainer bei der Aufstellung auf jene Spieler nehmen, für die am Sonntagabend noch kein Urlaub ansteht, sondern die Klub-WM in den USA. "Wir passen auf, dass nichts passiert. Die Jungs haben alle die Körner, um morgen und bei der Klub-WM zu spielen." Er habe diesbezüglich aber auch noch keine SMS aus Dortmund oder München erhalten mit der Bitte, die eigenen Spieler zu schonen.
Das 4:5 der Franzosen gegen Spanien hatte Nagelsmann in seinem Büro im Basecamp in Herzogenaurach verfolgt, ein "super-interessantes Spiel", so der Bundestrainer, der die Franzosen als "die eigentlich bessere Mannschaft" gesehen hatte. Vom Reservoir, aus dem Kollege Deschamps schöpfen darf, kann Nagelsmann nicht einmal träumen. "Die Breite des Kaders ist mehr als beeindruckend. Die haben zehn Innenverteidiger, die alle ein ähnliches Niveau haben", schwärmte der Bundestrainer und ergänzte mit Blick auf Frankreichs Offensiv-Abteilung: "Wenn die richtig im Flow sind, sind sie schwer zu bespielen." Nagelsmanns Gegenrezept, um die Tempodefizite auszugleichen, lauten: "Tiefe Bälle blocken, besser im Anlaufen sein, clever in Laufduellen zu sein."
Wagners Abschied - Werden Spieler folgen?
Für Sandro Wagner wird die Partie zum Abschiedsspiel als Nagelsmann-Assistent. Der 37-Jährige hatte seinen Ursprungs-Plan, bis zur WM als Co-Trainer beim DFB angestellt zu bleiben, vorzeitig aufgegeben, weil es ihn selbst in die Chefrolle drängt, die er künftig beim FC Augsburg ausüben kann.
Gut möglich, dass auch einige Mitglieder aus dem aktuellen Kader letztmals von Nagelsmann berufen wurden. Der Bundestrainer hatte vor dem Start des Mini-Turniers angekündigt, dass er sich danach auf einen Kreis festlegen will, mit dem er im September in die WM-Qualifikation und danach in die Vorbereitung aufs Turnier starten kann. Für Wackelkandidaten wie die gegen Portugal als Joker arg unglücklich agierenden Serge Gnabry und Robin Gosens ist es möglicherweise die letzte Möglichkeit, nochmal für sich zu werben.
Oliver Hartmann