Maja T. ist 24 und angeklagt, im Februar 2023 gemeinsam mit anderen Linksradikalen beim „Tag der Ehre“ in Budapest mehrere Rechtsextremisten überfallen und niedergeschlagen zu haben. Dieser Tag der Ehre ist ein internationales Treffen von Nationalisten und Rechtsradikalen, die voller Stolz auf ihre NS-Vorfahren mit alten SS-Uniformen und Militärstiefeln durch Budapest marschieren. Die Gruppe um Maja T. war aus Deutschland und Italien angereist, um Teilnehmer dieses Marsches anzugreifen. Sie haben die Leute, die sie für Neonazis hielten, ausgekundschaftet, umstellt, in einer konzertierten Aktion überfallen. Immer aus dem Hinterhalt, immer zu mehreren. Die Opfer erlitten teils schwere Verletzungen.
Dass solche Straftaten vor Gericht gestellt werden müssen, ist unbestritten. Doch Maja T. kommt aus Thüringen, sie hat die deutsche Staatsbürgerschaft, und alle anderen aus ihrer Gruppe stehen auch vor deutschen Gerichten oder werden demnächst dort angeklagt. Nur Maja T., die sich als non-binäre Person versteht, wurde an Ungarn ausgeliefert. Dies geschah am 27. Juni 2024, in einer akribisch vorbereiteten Nacht-und-Nebel-Aktion, sodass das Bundesverfassungsgericht nicht mehr eingreifen konnte. Das oberste deutsche Gericht entschied danach, dass die Auslieferung rechtswidrig war. Maja T. hätte in Deutschland der Prozess gemacht werden müssen.
Maja T. fühlt sich in Ungarn „lebendig begraben“
Seit einem Jahr aber sitzt Maja T. nun in ungarischer Haft, 23 Stunden am Tag. Auch in der einen Stunde Hofgang ist sie allein. Das kleine Fenster in ihrer Zelle ist mit Folie beklebt, sodass sie nichts sehen kann. Sie klagt über Erschöpfung, über Einsamkeit. Solche soziale Isolation wird bereits ab zwei Wochen international als psychische Folter anerkannt. Maja T. lebt seit einem Jahr unter diesen Bedingungen. 80 Minuten die Woche darf sie mit ihrer Familie und engen Freunden telefonieren. Andere Ansprache hat sie nicht.
Und: Der Prozess gegen sie läuft schleppend. Erst drei Verhandlungstage haben stattgefunden. Am vierten Verhandlungstag, an diesem Freitag, wird Maja T. den Richtern eine einschneidende Entscheidung verkünden: Sie wird in einen unbefristeten Hungerstreik treten.
„Hier in Ungarn bin ich in Isolationshaft lebendig begraben“, lässt Maja T. über ihren Vater ausrichten. „Ich hoffe, bald nach Deutschland überstellt zu werden. Der Hungerstreik ist mein letzter Versuch, ein gerechtes Gerichtsverfahren zu erleben.“
Maja T.s Vater Wolfram Jarosch ist in großer Sorge um den Gesundheitszustand seines Kindes, doch er sieht keinen anderen Ausweg mehr, um Bewegung in den Fall zu bringen. „Mein Kind greift zum letzten, verzweifelten Mittel und begibt sich in einen unbefristeten Hungerstreik. Die Haft in Ungarn ist so grausam und unmenschlich, dass ich diesen drastischen Schritt nachvollziehen kann und Maja mit aller Kraft unterstütze.“ Maja T. lehne auch eine künstliche Ernährung ab, sagt Jarosch der Süddeutschen Zeitung.
Die Hoffnung der Familie, das Leben für Maja T. zu erleichtern, ist bisher nicht in Erfüllung gegangen. Maja T.s Anwalt hatte einen Antrag gestellt, dass sie in einer Wohnung in Budapest im Hausarrest den Prozess abwarten kann. Ihr Vater hatte eine Kaution gestellt und sich verpflichtet, auch die Lebenshaltungskosten für sie zu übernehmen. Die Familie hat eigens eine Wohnung in Budapest angemietet. „Wir haben versucht, was wir können“, sagt Jarosch, der gerade in Budapest ist. Bisher wurden die Anträge der Familie abgelehnt. Der letzte Ablehnungsgrund, so der Vater: Maja T. vertrete nach wie vor linksextreme Ansichten.
Die Familie setzt auf die neue Bundesregierung. Die müsse dieser menschenunwürdigen Behandlung ein Ende setzen und Maja endlich nach Hause holen, sagt der Vater. Doch dafür müsste der Prozess in Ungarn erst abgeschlossen sein, die Haft könnte Maja T. dann in Deutschland absitzen. Die Verfahren gegen alle anderen aus der Gruppe um Maja T. hat die Bundesanwaltschaft an sich gezogen. Nur Maja T. sitzt als einzige aus der Gruppe in ungarischer Haft. Bei jedem Prozesstermin beklatschen drei Dutzend Sympathisanten sie als Märtyrerin. Das hilft vermutlich der Psyche. Juristisch hilft es eher nicht.