Der Erfolg hat viele Väter, die Mod-Bewegung aber doch nur einen: Pete Townshend. Er und nicht der erst ein Jahrzehnt später gestartete, „Modfather“ gerufene, aber dafür viel zu junge Paul Weller hat die Gründungsurkunde der sich Mitte der Sechzigerjahre in London zusammenrottenden Bewegung der „Modernists“ formuliert und unterzeichnet – in Gestalt seiner frustrationsgetriebenen, gewalttätigen Musik und seiner Intellektualität.
Pete Townshend war und ist der Mastermind dieses weißen, bald alle Lebensbereiche der britischen Arbeiterjugend durchdringenden Popstils, der, gesellschaftlich informiert, kunstsinnig und modebewusst, ein Metropolen-Gefühl artikulierte, das die in den Vierzigerjahren Geborenen als Befreiung aus der in England ja eher als noch bedrückender als in Deutschland empfundenen Nachkriegstristesse gierig aufnahmen und mit außerordentlicher Kreativität artikulierten – Nationalbewusstsein inklusive, das sich in den aus Union-Jack-Fahnen geschneiderten Garderoben zeigte, die zumal Townshends Band The Who trug.
In triumphaler Ermächtigung
Townshends Dominanz bei den Who lässt sich nur mit der von Ray Davies bei den Kinks und der von John Fogerty bei Creedence Clearwater Revival vergleichen – Kreativität in einer Urheberhand. Damit soll die Bedeutung der anderen drei nicht kleingeredet werden. Aber Townshends Stellung erhellt schon die Tatsache, dass die hochenergetische Musik der Who rhythmisch letztlich nicht auf Keith Moons genialem Getrommel und John Entwistles eigene Wege gehendem Bassspiel fußte, sondern auf den Chorussen, die Townshend – mal den rechten Arm windmühlenhaft in triumphaler Ermächtigung kreisen lassend, mal Luftsprünge machend – seinen Rickenbackers und später seinen Gibsons entlockte, die er anschließend kurz und klein schlug. In den unübertrefflich treibenden, knochentrockenen Riffs steckt die Quintessenz harter Rockmusik.
Damit und mit den auch nicht gerade Frohsinn verbreitenden Lyrics, die Roger Daltrey mit kongenialer Wirkmächtigkeit intonierte, wurde Pete Townshend zum Stichwort- und Taktgeber, zum Idol mehr als einer Generation, die auf Destruktion und Entäußerung aus war. In kurzer Zeit, auf vergleichsweise wenigen Platten, vom bahnbrechenden „My Generation“ (1965) bis „Who’s Next“ (1971), hatte er seine Parolen und Diagnosen schon mitgeteilt: Verzweiflung und Lebensgier („Hope I die before I get old“ von „My Generation“), Sprachlosigkeit („I Can’t Explain“), Absonderung („The Kids Are Alright“) und einen eisernen Behauptungswillen, der seinen Treibstoff aus lauter Gitarrenmusik bezieht („Won’t Get Fooled Again“). Zwischendurch, auf dem Konzeptalbum „The Who Sell Out“ (1967), das nicht weniger phantasievoll ist als „Sgt. Pepper“, machte er sich, Otto-Waalkes-Sketche vorwegnehmend, über die Konsumwelt lustig und schuf zwei als „Rock-Opern“ vielleicht etwas zu wichtig genommene, gleichwohl imponierende Doppelalben, die eine Verfilmung eigentlich gar nicht nötig gehabt hätten, düstere Milieustudien, die schon wegen der mitreißenden Musik und der ikonischen Cover bis zum Ende des Jahrzehnts heftig nachwirkten: „Tommy“ (1969) und „Quadrophenia“ (1973).
Hang zur Hochphonigkeit
So anschlussfähig diese und weitere Kunst auch war – Townshend selbst, der nie zufrieden war, wollte mit „Tommy“ nur zum Ausdruck bringen, dass es wirkliche Kommunikation gar nicht gebe, und blieb in seinem tiefen Skeptizismus isoliert und missverstanden. So schrieb er sein eigenes „Waste Land“: Der seinen großen Inspiratoren Meher Baba und Terry Riley gewidmete Song „Baba O’Riley“, gar nicht mal der beste von „Who’s Next“, aber schon mit dem langen Synthesizer-Intro aufsehenerregend genug, ist die Ton gewordene Trost- und Hoffnungslosigkeit („Teenage wasteland / Oh yeah, teenage wasteland / They’re all wasted!“).
Die von Townshend dirigierte Geschichte der Who, die, wie andere Untote der Rockmusik auch, keine Ruhe finden, ging ein ins kollektive Rock-Gedächtnis. Er selbst bezahlte den Hang zur Hochphonigkeit – unvergessen der 1976 offiziell anerkannte diesbezügliche Weltrekord – mit Schwerhörigkeit, kämpfte mit lebensbedrohlichen Süchten, hat sich seine gitarristische Hexenmeisterschaft aber bewahrt. Nach Keith Moons Tod 1978 waren The Who eigentlich am Ende, sie spielen bei Gelegenheit aber immer noch außerordentlich profund wie eh und je. Konsequenterweise ging Townshend, der seine dünne, zur Macht seiner Akkorde seltsam kontrastierende Stimme passabel zum Einsatz bringt, solistischen Ambitionen nur nach, wenn von seinen vielen Who-Ideen noch welche übrig blieben und er ein Klangbild schaffen konnte, das sich von dem der Band unterschied. Das gelang ihm ausnahmslos. Das Debüt, doppeldeutig „Who Came First“ (1972) betitelt, verblüffte mit warmem Folkrock; in freilich wachsenden Abständen legt er, neben reichlich Livematerial, immer mal wieder ein Meisterwerk mit Powerpop, Dance, Disco oder schnörkellosem Rock von solcher Frische vor, dass man dahinter keinen Altrocker vermuten würde. In der Schublade hat er wahrscheinlich noch genug; sein „Lifehouse“-Projekt kam mit Verspätung heraus, bei Who-Neuausgaben staunt man, was er selbst zu absoluten Glanzzeiten noch alles in der Hinterhand hatte. Mehr als bei ihm bekommt man bei keinem für sein Geld.
Seinen Mitspielern hat er es nie leicht gemacht, besonders Roger Daltrey nicht, dem außer ihm einzig noch Lebenden. Mit ihm, wie womöglich auch mit der von ihm stets so misstrauisch betrachteten Welt, hat er seinen Frieden gemacht. Wie schrieb der große Sänger über seinen großen Songschreiber und Gitarristen: „Er ist wie ein Skorpion mit einem gütigen Herzen.“ Vom Sternzeichen her ist Peter „Pete“ Dennis Blandford Townshend, der an diesem Montag achtzig Jahre alt wird, aber eindeutig Stier. Kommt auch hin.