Patent auf ausgestorbenes Mammut? Ein Start-up will sich das Markenrecht sichern

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Das US-Biotechunternehmen Colossal Biosciences will mit dem Wollhaarmammut nicht nur ein ausgestorbenes Großtier auf den Planeten zurückbringen, sondern es auch gleich patentieren lassen. Wie die US-Ausgabe von MIT Technology Review recherchiert hat, möchte das texanische Start-up die "Erfindung" beim US-Patent- und Markenamt anmelden, um die exklusiven Rechte zur Herstellung und zum Verkauf von gen-editierten Elefanten mit Mammut-DNA zu erhalten.

Colossal Biosciences, das sich selbst als "De-Extinction Company" (auf Deutsch etwa: "Wiederbelebungsfirma") bezeichnet, hofft, mit seiner Technik eine Herde von Mammut-ähnlichen Tieren zu erzeugen, die in großen Naturschutzgebieten, etwa in Sibirien, ausgesetzt werden könnten. Dort sollen sie dann den Boden mit ihren gewaltigen Füßen so bearbeiten, dass laut Colossal der Permafrostboden erhalten bliebe. Das soll verhindern, dass Treibhausgase bei der Erderwärmung entweichen. Geld wird dabei mit Carbon Credits, also Zertifikaten zur Klimakompensation, verdient, so die Geschäftsidee. Ben Lamm, CEO von Colossal, betonte in einer E-Mail, dass der Besitz von Patenten auf die Tiere "uns die Kontrolle darüber geben würde, wie diese Technologie implementiert wird, insbesondere beim Management der ersten Entlassung der Tiere in die Natur". Hier will das Unternehmen die Kontrolle behalten.

Colossal beabsichtigt, weitere Patente auf andere "transgene" Tiere anzumelden, wie zum Beispiel auf genetisch veränderte Wölfe, die die Firma ebenfalls angekündigt hat, sagte Lamm. Dabei hatte Colossal mittels Gen-Editing etwa 20 DNA-Veränderungen des ausgestorbenen Schattenwolfs in graue Wölfe eingefügt. Das Unternehmen pries diese Arbeit als ersten Erfolg seiner De-Extinction-Verfahren an, doch es hagelte schnell Kritik.

Doch der Businessplan ist echt. Colossal hat mehr als 400 Millionen US-Dollar eingeworben und investiert in eine Reihe von Gen-Editing- und Reproduktionstechnologien, wobei die Strategie des Unternehmens spekulativ bleibt. Lamm hat aber angedeutet, dass jedes der neuen Mammuts bis zu 2 Millionen Dollar an Mitteln aus der Klimakompensation generieren soll. Weiterhin will man Geld mit Tourismus verdienen, sobald es der Firma gelingt, Tierarten wie den Dodo zurückzubringen, die die Menschen sehen wollen.

Lamm sagt auch, dass Patente, die in der Regel 20 Jahre laufen, "einen klaren Rechtsrahmen während dieser kritischen Übergangsphase bieten, während ausgestorbene Arten zum ersten Mal wieder angesiedelt werden". Das geht nicht überall. Doch in den USA sind Patente auf gentechnisch veränderte Organismen seit 1980 erlaubt, als der Oberste Gerichtshof ein Patent auf ein ölkonsumierendes Bakterium genehmigte. Die Richter erklärten damals, das Patentrecht könne sich auf alles erstrecken, was vom Menschen geschaffen wurde.

Das öffnete die Tür für Patente auf Tiere, darunter die besonders krebsanfällige OncoMouse für die Forschung, im Dunkeln leuchtende Aquarienfische und in jüngster Zeit auch Schweine, die so verändert wurden, dass sie Organe für Transplantationen bilden. Colossals Mammut-Patentantrag mit seinen Beschreibungen modifizierter Zellen und ganzer Tiere stelle "den aktuellen Standard in solchen Biotech-Patentfällen dar", erklärt die Rechtsexpertin Cassie Edgar, Partnerin bei der Anwaltskanzlei McKee, Voorhees & Sease in Des Moines, Iowa.

Colossals Vorhaben ist auch in anderer Hinsicht bahnbrechend. Es ist ein neuartiger Versuch, sich die Nutzungsrechte an ausgestorbener DNA zu sichern. Klappt das, könnte es ein nie dagewesenes rechtliches Monopol auf Wildtiere begründen. Eines der Ziele von Colossal besteht nämlich darin, die auferstandenen Arten in ihre ursprünglichen Lebensräume zurückzuführen. "Dies könnte einen Präzedenzfall für geistige Eigentumsrechte" schaffen, wenn eine Firma an künstlich hergestellten Varianten alter Arten Patente hält. Das seien nicht nur Fragen der Wissenschaft. "Wem gehört De-Extinction an sich?"

Die Methode funktioniert in Grundzügen folgendermaßen: Forscher:innen gewinnen DNA aus alten Knochen oder Museumsexemplaren und fügen dann mithilfe der Biotechnik einer eng verwandten, bereits existierenden Art Genvarianten ihrer Vorfahren hinzu. Bislang wurden noch keine veränderten Dickhäuter geboren – der Eingriff in die Entwicklung von Elefanten ist nach wie vor schwierig. Doch im April sorgte Colossal für Schlagzeilen, als das Unternehmen behauptete, es habe mithilfe von Gen-Editing eine vor 13.000 Jahren ausgestorbene Wolfsart, den Schattenwolf, wieder erschaffen. Einer der pelzigen weißen Caniden namens Remus erschien gar auf der Titelseite des Magazins Time, wobei das englische Wort "ausgestorben" durchgestrichen war.

Doch viele wissenschaftliche Experten wiesen die Behauptung von Colossal zurück, es handele sich um die erste erfolgreiche Rückholung einer ausgestorbenen Art. Sie wiesen darauf hin, dass es sich bei den Tieren in Wirklichkeit um graue Wölfe mit einer ungewöhnlichen Fellfarbe handelt. Ihr Genom enthalte nur wenige Teile der DNA der ausgestorbenen Wölfe. Die beiden Arten unterscheiden sich um mehrere Millionen DNA-Buchstaben.

Das Unternehmen unternimmt dennoch Schritte, um sich die geistigen Eigentumsrechte an fast allen Aspekten seiner Kreationen zu sichern – sogar an den Namen, die es seinen Tieren gibt. MIT Technology Review ermittelte, dass Colossal Markenrechte für einige besonders behaarte Mäuse angemeldet hat, die die Firma Anfang des Jahres vorstellte und die als Beweis für den Fortschritt in Richtung Wollhaarmammut dargelegt wurden. Einer der Markeneinträge will sich den Namen "Mammouse" für den Verkauf von "Plüschtieren und Plüschspielzeug" sichern. Ebenfalls geschützt ist der Name "Woolly Mouse", der die Verwendung des Begriffs als Motiv für Hemden, Jacken und Sportbekleidung abdeckt.

Lamm sagt, Colossal habe derzeit zumindest keine Pläne, einen Geschenkladen zu eröffnen. Aber er möchte die "Markenidentität" der Tiere schützen. "Es scheint mir, als ob die Menschen eine emotionale Verbindung zu diesen Tieren aufbauen, was eigentlich sehr ermutigend ist", sagt er. "Wir müssen sicherstellen, dass wir unsere Marke schützen können." Die Existenz eines Patentantrags auf mammutähnliche Elefanten könnte jedoch auf anhaltende öffentliche Kritik stoßen. Soll eine Firma Elefanten, die größten Landtiere der Welt, für sich schützen, selbst wenn sie DNA-Veränderungen aufweisen? "Es gibt Leute, die darüber unglücklich sind, aber das ist auch ein Muster, das wir seit einiger Zeit in den USA beobachten", sagt Alta Charo, Spezialistin für rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Biotechnologie, die Colossal in ethischen Fragen berät.

Revive & Restore, eine Organisation aus Sausalito, Kalifornien, die sich für die Wiederbelebung der Wandertaube einsetzt, ist der Meinung, dass die Vögel nicht durch Ansprüche auf geistiges Eigentum kontrolliert werden dürfen. "Revive & Restore wird die wiederentstandenen Tiere nicht patentieren", sagt Elizabeth Bennett, eine Sprecherin der Organisation. Wenn es der Organisation gelingen sollte, die Vögel wieder anzusiedeln, sollen sie nach den bestehenden Gesetzen für Wildtiere geschützt werden, so Bennett.

Selbst einige Gentechniker, die an dem vor mehr als zehn Jahren an der Harvard-Universität initiierten Mammutprojekt beteiligt waren, haben gemischte Meinungen bei der Patentierung ausgestorbener Tiere. Cory Smith, der heute in der Biotech-Branche tätig ist, half als Student mit bei der Vorbereitung eines früheren Patentantrags auf gentechnisch veränderte Elefanten, den die Universität 2021 einreichte. "Ich bin mir nicht sicher, ob die Tiere einen Eigentümer haben sollten", sagt Smith. "Ich war immer der Ansicht, dass sie möglicherweise nicht patentiert werden sollten."

Während seiner Mediengespräche war Colossal darauf bedacht, die genauen genetischen Veränderungen, die es an den neuartigen Wölfen vorgenommen hatte, nicht preiszugeben, und erklärte seinen eigenen Beratern, dass es diese aus Gründen des "geistigen Eigentums" geheim halten müsse. Dies verhinderte, dass externe Wissenschaftler:innen das Experiment vollständig bewerten konnten. Aber es hätte Colossal auch ermöglicht, die Informationen beim Patentamt einzureichen, da Informationen, die bereits öffentlich zugänglich sind, nicht patentiert werden können.

Auf Nachfragen per E-Mail wollte Lamm zunächst nicht sagen, ob Colossal ein Patent auf die transgenen Wölfe angemeldet hat, ähnlich dem auf das "Mammut". Das ist eine heikle Frage, denn ein solches Patent würde bedeuten, dass die Caniden Handelsware sind und nicht mehr wilde Kreaturen, die ihren "rechtmäßigen Platz im Ökosystem" zurückerhalten, wie das Unternehmen eigentlich sagt.

"Wir verfolgen einen durchdachten Ansatz in Bezug auf geistiges Eigentum, der wissenschaftlichen Fortschritt mit nachhaltigen Geschäftspraktiken in Einklang bringt", betont Lamm. Es sei wichtig zu verstehen, dass jeglicher Schutz geistigen Eigentums auf bestimmte technische Methoden und Innovationen, die wir entwickelt haben, beschränkt sei – und nicht auf das genetische Erbe der ausgestorbenen Arten selbst. Man sehe sich als Verwalter dieser Wissenschaft und nicht als Besitzer dieser Lebewesen.

Das anhängige Wollhaarmammut-Patent zeichnet allerdings ein anderes Bild. Es wurde erstmals im Jahr 2023 eingereicht und trägt den Titel "Wollhaarmammut-spezifische Genvarianten und Zusammensetzungen, die diese enthalten". Es enthält eine Liste von 29 Anspruchsbereichen, die darauf abzielen, sowohl eine lange Liste von Mammut-Genvarianten als auch die Tiere selbst zu kontrollieren, deren Körper diesen genetischen Code enthält. Das heißt, dieser Patentantrag bezieht sich nicht auf eine bestimmte Methode oder Technologie, sondern zielt darauf ab, Rechte an neuartigen Lebewesen mit genetischen Veränderungen zu sichern, die ihr Haar, ihre Körpergröße, ihr Immunsystem, ihre Kältetoleranz und sogar ihre kognitiven Fähigkeiten verändern. "Jedes Tier mit Wollmammut-Genen fällt unter die Ansprüche", glaubt Jacob Sherkow, Rechtsprofessor an der University of Illinois Urbana-Champaign.

Die Patentämter werden den Antrag wahrscheinlich vor der Genehmigung genau überprüfen und ihn möglicherweise sogar ablehnen. Während der Prüfung eines Patents müssen die Erfinder in der Regel die angestrebten gewerblichen Rechte auf die Elemente beschränken, die wirklich "neu und nützlich" sind – und sie müssen sich auch von den gesetzlichen Verboten bezüglich der Patentierbarkeit fernhalten, die von Land zu Land sehr unterschiedlich sind.

"Ich kann mir vorstellen, dass nur sehr wenige dieser Patentansprüche in ihrer jetzigen Form erteilt werden", sagt Sherkow. "Aber sie werden ein Anhaltspunkt dafür sein, welche Aspekte von wiederbelebten Arten patentierbar sind." Letztlich könnte der Grund, warum Colossal versucht, Elefanten mit uralter DNA zu patentieren, einfach darin liegen, dass es den Investoren ein wenig mehr Vertrauen in seine neuartigen und ungetesteten Businesspläne im Bereich der De-Extinction-Technologie gibt.

"Unternehmen in der Frühphase wetten manchmal auf langfristige Ereignisse", sagt Andy Tang, Partner bei Draper Associates, einer der Risikokapitalfirmen, die Geld in Colossal gesteckt haben. Tang, der nicht für das Unternehmen spricht, ist der Meinung, dass es besser wäre, für den Fall, dass Wollhaarmammuts für mögliche Partner wichtig werden, eine Eintrittsbarriere zu schaffen. Er fügt hinzu: "Ich denke, es ist einfach billiger, frühzeitig in Patente zu investieren." Aktiv sein sei besser als reaktiv.

Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.

(wpl)

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