Parlament: AfD bleibt ohne Posten

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„Räume und Posten, das ist Kindergarten à la AfD“, sagt Dirk Wiese am Donnerstag am Rednerpult des Bundestags. Man müsse die Handlungsfähigkeit des Bundestags sicherstellen und deshalb sei diese Entscheidung nun nötig gewesen, so der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Das, was Wiese „diese Entscheidung“ nennt, ist ein Beschluss des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Über den debattierten die Abgeordneten am Donnerstagnachmittag und damit ein weiteres Mal über die Frage, welche Posten die größte Oppositionsfraktion im Parlament bekommen soll – eine Partei, die der Verfassungsschutz Anfang Mai als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat.

Die Meinung aller Fraktionen außer der AfD: gar keine. Keinen Bundestagsvizepräsidenten, keinen Ausschussvorsitz und, darum ging es aktuell am Donnerstag: auch keine Posten als stellvertretende Ausschussvorsitzende.

Warum das bedeutender ist, als es klingt, liegt an der Vorgeschichte. Als es um die Wahl der Ausschussvorsitzenden ging, haben die Spitzen der Regierungsfraktionen wie auch der oppositionellen Grünen und Linken die Haltung vertreten, dass man den eigenen Leuten nicht empfehlen könne, AfD-Kandidaten zu wählen. Auch wenn der Verfassungsschutz seine Einschätzung bis zu einer gerichtlichen Klärung derzeit nicht wiederholt: Seine Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch ließ auch die Debatte verstummen, die Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) zwischenzeitlich angestoßen hatte, als er in einem Interview empfahl, „mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen wie mit jeder anderen Oppositionspartei“. Am Ende scheiterten alle AfD-Kandidaten bei den Wahlen zu den Ausschussvorsitzen.

Fraktionen sollen nicht einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter vorschlagen können

Dadurch ist aber ein neues Problem entstanden: Wenn nämlich ein Vorsitz dauerhaft unbesetzt bleibt, übernehmen faktisch die Stellvertreter die Rolle der Vorsitzenden. Um nun zu verhindern, dass AfD-Abgeordnete einfach für diese Vizeposten kandidieren, hat der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung mit den Stimmen von Union, SPD, Grünen und Linken beschlossen, dass eine Fraktion keinen Vizeposten beanspruchen kann, wenn sie sich schon den Vorsitz auserkoren hat – selbst, wenn ihr Kandidat nicht gewählt wurde. In der Geschäftsordnung ist dies nicht klar geregelt, deshalb beschlossen die Abgeordneten nun, wie diese auszulegen ist. „Eine Fraktion soll im Rahmen des Zugriffsverfahrens nicht das Wahlvorschlagsrecht für den Vorsitz und dessen Stellvertretung in demselben ständigen Ausschuss erhalten“, heißt es in dem entsprechenden Beschluss.

Die Frage ist jedoch, ob dieses Vorgehen rechtssicher ist. Dass frei gewählte Abgeordnete nicht gezwungen werden können, für einen AfD-Kandidaten zu stimmen, ist bereits gerichtlich bestätigt worden. Bei dem jetzigen Vorgehen dagegen verweist die AfD auf Beispiele aus der 17., 18. und 19. Wahlperiode, als Vorsitz und stellvertretender Vorsitz in einem Ausschuss schon mal von derselben Fraktion gestellt worden seien. SPD-Mann Wiese dagegen verwies am Donnerstag auf Gegenbeispiele, dass nämlich große Fraktionen schon auf mögliche Vizeposten verzichtet hätten, um ebendiese Konstellation zu verhindern. Die AfD müsse dies hinnehmen, wenn sie „keine geeigneten Kandidaten“ präsentiere.

Ob die AfD-Fraktion rechtlich gegen die jüngste Entscheidung vorgehen will, ließ deren Erster Parlamentarischer Geschäftsführer, Bernd Baumann, am Donnerstag offen. Die Geschäftsordnung gebe das Vorgehen der anderen Fraktionen jedenfalls nicht her, sagte er. „Sie verweigern uns zentrale parlamentarische Rechte.“ Wenn Baumann und seine Fraktion gehofft haben sollten, am Donnerstag einen weiteren Schritt zur Normalisierung der AfD gehen zu können, wenigstens durch einzelne Abweichler aus anderen Fraktionen, so wurden sie enttäuscht. Alle anderen Fraktionen stimmten im Bundestag geschlossen für die neue Auslegung der Geschäftsordnung.

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