Nach 34 Jahren Einwahl per Telefon AOL stellt Internetzugang per Modem ein
Schluss mit Brumm, Pfeif, Tüüt. Nach 34 Jahren streicht der Onlinedienst AOL die Möglichkeit, sich per Modem ins Internet einzuwählen. Erstaunlicher als die Ankündigung ist, dass es diese Option überhaupt noch gab.
11.08.2025, 11.39 Uhr

AOL-CD: Für viele der erste Kontakt mit dem Internet
Foto: Andreas_Hultsch/ picture-alliance / dpaAm 30. September endet eine Ära. An diesem Tag nämlich beabsichtigt AOL die Möglichkeit abzuschalten, sich per Modem ins Internet einzuwählen. Das Unternehmen bewerte regelmäßig seine Produkte und Dienstleistungen, heißt es in einer mageren Mitteilung des Onlinedienstes. Nun habe man beschlossen, den 1991 gestarteten Dial-up-Dienst abzuschalten.
Falls Sie zu jung sind, mit diesen Begriffen etwas anzufangen: In den Neunzigerjahren, als das Internet noch jung und unverbraucht war, gab es außer an Universitäten, in Firmen und Forschungseinrichtungen kaum eine Möglichkeit, sich direkt mit dem Internet zu verbinden. DSL- und Glasfaserverbindungen gab es damals nicht, stattdessen wählte man sich über sogenannte Modems über die normale Telefonleitung in die Systeme von Anbietern wie Compuserve und AOL ein – und zwar wörtlich.
Die Geräte wählten die Telefonnummer des jeweiligen Dienstes an und handelten über eine Reihe von Testtönen die Modalitäten für die Datenübertragung aus. Weil diese Geräusche über einen Lautsprecher im Modem wiedergegeben wurden, hatte das Internet damals einen ganz eigenen Sound:
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Statt direkt ins Internet gelangte man bei AOL allerdings zunächst auf das Portal des Anbieters. Meist wurden dort Nachrichten, Chatgruppen und Software-Downloads angeboten, garniert von Werbung. Um ins freie Internet zu kommen, für die meisten war dies das World Wide Web, musste man eine weitere Software starten.
Bis in die Nullerjahre machte AOL mit diesem Angebot prächtige Umsätze und konnte es sich leisten, mit seinem Marketing zu einer wichtigen Einnahmequelle vieler Zeitschriften zu werden. Denn das Unternehmen schaltete nicht nur Anzeigen, sondern zahlte üppig dafür, sogenannte AOL-CDs mit seiner Zugangssoftware auf die Titelblätter kleben zu lassen.

AOL-CD: Für viele Zeitschriften seinerzeit ein einträgliches Geschäft
Foto: MARK LENNIHAN/ APAuch für Tennisstar Boris Becker war die Rampe ins Internet eine einträgliche Einnahmequelle, diente er AOL mit Sprüchen wie »Bin ich schon drin« und »Wenn alles im Leben so einfach wäre …« doch lange Zeit als Werbefigur.
Die silbrig glänzenden Kunststoffscheiben waren so allgegenwärtig, dass manche sie an Obstbäume hängten, um Vögel zu verscheuchen. Manche nervte die Werbeflut so sehr, dass sie dazu aufriefen, eine Million der CDs zu sammeln und vor der AOL-Firmenzentrale abzuladen .
Viele zahlen noch
Trotzdem meldete das Unternehmen im Jahr 2015, dass immer noch zwei Millionen Menschen in den USA für seine schon damals quälend langsamen Einwahlverbindungen bezahlten. Vollkommen unklar blieb, wer diese Menschen waren, von denen zumindest einige seinerzeit monatlich noch 20 Dollar an AOL bezahlten. Auch 2021 waren noch 1,5 Millionen in den USA dem Dienst treu. Einem Medienbericht zufolge nutzten davon aber nur wenige Tausend noch die Möglichkeit, sich per Modem einzuwählen .
Diejenigen, für die AOL die einzige Möglichkeit war, online zu gehen, weil an ihrem Wohnort keine Breitbandverbindungen angeboten werden, müssen sich nun nach einer Alternative umsehen. Insbesondere in abgelegenen Ecken der USA dürfte dafür nur Internet per Satellit infrage kommen. Das ist zwar deutlich schneller als das alte Modem, aber in der Regel auch deutlich teurer.